Hamburg. Vereinsmeisterschaft wird dieses Jahr nur in einem Finalturnier in Senftenberg ausgetragen. Mannschaft fühlt sich benachteiligt.

Das Positive in der Corona-Krise zu suchen, ist wichtig, um nicht Mut und Motivation zu verlieren, und Patrick Strutz hat es gefunden. „Normalerweise muss ich, wenn ich das Team für einen Bundesligakampf zusammenstelle, jeden Kandidaten vier- oder fünfmal anrufen, bis der Kader steht. Diesmal reichte ein Anruf. Die Jungs sind heiß und wollen sich unbedingt wieder im Wettkampf messen“, sagt der 27-Jährige, der seit knapp einem Jahr beim Hamburger Judo-Team (HJT) das Amt des Teammanagers bekleidet.

Am Sonnabend steht für die meisten der 25 Nominierten des deutschen Mannschaftsmeisters von 2016, 2017 und 2018 der erste Wettkampf an, seit Anfang März die Pandemie den Sportbetrieb lahmlegte. Im brandenburgischen Senftenberg wird die deutsche Mannschaftsmeisterschaft ausgetragen, allerdings in einer Form, die es in der Bundesliga-Geschichte noch nicht gegeben hat. „Ich bin seit 1992 dabei, so etwas habe ich aber nie erlebt“, sagt HJT-Cheftrainer Slavko Tekic.

Nicht alle Bundesligateams haben gemeldet

Weil es keine Hauptrunde geben durfte, wird der nationale Champion nun innerhalb eines Tages ermittelt. Nicht alle Bundesligateams haben gemeldet. Die Titelverteidiger TSV Abensberg bei den Männern und JSV Speyer bei den Frauen fehlen. Für das HJT blieben KSC Asahi Spremberg, SUA Witten, UJKC Potsdam, KSV Esslingen und TV Erlangen als Gegner übrig. Gekämpft wird jeder gegen jeden in einem Durchgang mit sieben Kämpfen in sieben Gewichtsklassen. Die beiden Bestplatzierten ziehen direkt ins Halbfinale ein, der Rest ermittelt in der Zwischenrunde die zwei weiteren Teilnehmer der Vorschlussrunde.

„Unser Anspruch ist, das Halbfinale zu erreichen“, sagt Tekic. Der 50 Jahre alte Serbe kann in seiner besten Sieben auf die Nationalkämpfer Moritz Plafky (Klasse bis 60 kg), Anthony Zingg (26/bis 73 kg), Dominic Ressel (27/bis 81 kg) und Dario Kurbjeweit Garcia (26/bis 100 kg) bauen. Dazu kommen Talente wie Yerrick Schriever (19/bis 66 kg) und Losseni Koné (19/über 100 kg), Routinier Max Münsterberg (28/bis 90 kg) sowie zwei noch geheimgehaltene ausländische Topathleten. Fünf der sieben Kämpfe müssen Deutsche bestreiten. Tekic glaubt, dass die Nordgruppenvertreter Potsdam und Witten die härtesten Konkurrenten sind. Aus dem Süden ist Esslingen der gefährlichste Rivale.

Geregelter Trainingsbetrieb in Hamburg war erst am 1. September wieder möglich

In einer Sportart wie Judo, die ohne intensiven Körperkontakt und mit Abstand nicht auszuführen ist, war der Wiedereinstieg in einen geregelten Trainingsbetrieb in Hamburg erst am 1. September wieder möglich. Dennoch blieb man von Normalität noch ein gutes Stück entfernt.

„In Gruppen von zehn Judoka fehlt schnell die Abwechslung, wir können nicht die Trainingspartner durchwechseln, wie wir es vor Corona gewohnt waren, weil die Zehnerkohorten sich nicht durchmischen dürfen. Das erschwert unsere Arbeit immens“, sagt Landestrainer Daniel Lenk (36), der im Hauptberuf an der Brennpunktschule Stübenhofer Weg in Kirchdorf als Sportlehrer arbeitet und mit seinem Kollegen Florian Hahn (40) zum Betreuerteam in der Senftenberger Niederlausitzhalle gehört. Eine vom Hamburger Judo-Verbandspräsidenten Prof. Rainer Ganschow beim Sportamt eingereichte Bitte um Öffnung des Trainingsbetriebs für alle Kaderathleten in Gruppen von bis zu 30 Personen wurde abgelehnt. „Es ist schade, dass wir anscheinend nicht wichtig genug sind für die Stadt“, sagt Lenk.

Lesen Sie auch:

Umso mehr freut er sich, dass Sponsor Volksbank die Übernachtungskosten für das Team übernimmt und Ausrüster Adidas neue Teambekleidung geliefert hat. Die Anreise erfolgt pandemiekonform in drei Neunerbussen. Corona-Tests müssen bloß die ausländischen Athleten vorweisen, die nach ihrer Anreise fünf Tage in Quarantäne müssen. Maximal 350 Zuschauer sind zugelassen, jedes Team erhielt ein Kontingent von zehn Karten. Sportdeutschland.tv überträgt per Livestream im Internet.

In den drei Meisterjahren zeichnete sich das HJT in erster Linie durch seinen Teamgeist aus. Der Zusammenhalt, der über die Saison hinweg entstanden war, trug Tekics Truppe zum maximalen Erfolg. Zeit, dieses Mannschaftsgefühl zu entwickeln, hatten der Chefcoach und seine Assistenten diesmal keine. Sorgen machen sie sich trotzdem nicht. „Ich gehe fest davon aus, dass sich dieser Teamspirit ganz schnell entwickeln wird“, sagt Florian Hahn, „es sind besondere Zeiten, und darauf werden wir als HJT angemessen reagieren.“ Gelingt das, dann wäre der positivste Effekt der Corona-Krise der Gewinn des deutschen Meistertitels.