Hamburg. Innen- und Sportsenator über umfangreiche Hilfen der Stadt für Vereine und Veranstalter. Appell an Hamburgerinnen und Hamburger.

Kein Händeschütteln, zwei Meter Abstand halten – am großen Konferenztisch im Büro von Andy Grote können beim Gespräch mit dem Abendblatt die Social-Distancing-Regeln problemlos eingehalten werden. Der Appell des Innen- und Sportsenators an die Hamburger: „Nutzen Sie jetzt das schöne Wetter, gehen Sie raus, bewegen Sie sich.“

Hamburger Abendblatt: Herr Senator Grote, in extremen Zeiten wie diesen ist die Frage erlaubt: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

Andy Grote: Eigentlich ganz gut. Wir sind ja alle in einer Ausnahmesituation, das gilt für mich genauso. Die Hauptbelastung trägt bei uns zu Hause meine Frau, die im Homeoffice ist und zugleich unseren Sohn betreut. Ich habe Respekt vor allen Eltern, die zu Hause arbeiten und sich parallel dazu um ihre Kinder kümmern müssen.

Kommen Sie trotz der Einschränkungen noch dazu, sich ausreichend zu bewegen?

Grote: Nicht so oft, wie ich es mir vorstelle. Aber wenn ich ehrlich bin, hat das nicht nur mit Corona zu tun. Das war berufsbedingt auch schon vorher so.

Auf Ihrem Weg in Ihre Behörde fahren Sie an geschlossenen Sport- und Kinderspielplätzen vorbei. Was empfinden Sie dabei?

Grote: Das ist ein trauriges Bild. Ich hoffe, dass wir diese Einschränkungen bald lockern können, damit hier wieder Leben einkehrt. Das gehört derzeit mit zu den deprimierendsten Anblicken, dass besonders dort, wo sonst das Leben tobt, plötzlich Leere und Stille herrscht.

In unserer Serie „Hamburg macht sich fit“, fordern wir die Hamburger auf, nach draußen zu gehen. Worauf sollte dabei aus Sicht des Politikers geachtet werden?

Grote: Abstand halten, sich nicht in größeren Gruppen bewegen, das ist ja klar. Vor allem aber sollten alle darauf achten, dass sie sich bewegen. Wir haben im Gegensatz zu anderen Nationen ganz bewusst keine Ausgangssperre erlassen, damit sich die Menschen an der frischen Luft aufhalten können, Sport treiben, spazieren gehen, Fahrrad fahren können. Das schöne Wetter lädt dafür geradezu ein. Auch rudern oder Kanu fahren auf unseren Gewässern ist möglich, solange man dabei kein gesperrtes Vereinsgelände nutzt. Paris hat gerade angekündigt, dass die Menschen nicht mehr auf Straßen und Wegen joggen sollen. Wir sind froh, dass es bei uns anders ist. Bewegung ist eine sehr gute Medizin gegen die Krise, körperlich und auch psychisch.

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Der HSV und der FC St. Pauli dürfen unter Auflagen wieder trainieren, andere Spitzensportler in Hamburg nicht. Der Olympiastützpunkt (OSP) in Dulsberg bleibt geschlossen, die wegen der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele erteilte Ausnahmegenehmigung wurde zurückgenommen. In anderen Bundesländern gilt sie aber weiter. Hamburgs erfolgreiche Beachvolleyballer überlegen deshalb, zum Trainieren nach Berlin zu fahren.

Grote: Die Fußballsaison ist ja nicht beendet, sie könnte demnächst ohne Zuschauer fortgesetzt werden. Deshalb ist bundesweit der Trainingsbetrieb unter Einschränkungen gestattet worden. Die Olympischen Spiele in Tokio wurden dagegen für dieses Jahr abgesagt. Die bei uns beantragte Ausnahmegenehmigung bezog sich nur auf die Vorbereitung der Kadersportler für Tokio 2020. Diese Begründung ist nach der Verschiebung der Spiele auf 2021 weggefallen.

An anderen Olympiastützpunkten darf, wie gesagt, weiter trainiert werden. Warum in Hamburg momentan nicht?

Grote: Die Lage ist bundesweit uneinheitlich. Ich gehe aber davon aus, dass wir auch für den Hamburger OSP zeitnah zu Lockerungen kommen werden.

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Sie haben 2016 das Senatsprogramm Active City auf den Weg gebracht, auch in der Erkenntnis, dass Bewegung die beste Medizin für alle Altersgruppen ist. Die Stadt investiert Hunderte von Millionen Euro in eine bessere öffentliche Sportinfrastruktur. Können wir deshalb damit rechnen, dass im Zuge möglicher Lockerungen der aktuellen Allgemeinverfügungen nach dem 20. April auch Sporthallen und -plätze unter gewissen Abstands- und Hygieneauflagen wieder öffnen dürfen? Viele Hamburger Clubs fürchten, dass zum 30. Juni, dem nächsten Kündigungstermin, eine Austrittswelle droht, wenn vorher kein Signal von der Politik kommt, wann Sport in Vereinen wieder möglich sein wird.

Grote: Natürlich ist es unser Ziel, auch im Sport baldmöglichst einen Wiedereinstieg zu finden. Ich hoffe sehr, dass wir hier vom 20. April an zu ersten Lockerungen kommen können. Dieses Signal wird auch den Clubs helfen. Unabhängig davon muss der Appell jetzt sein, seinem Sportverein gerade jetzt die Treue zu halten oder sogar in einen Verein neu einzutreten. Auch alle Sponsoren, Förderer und Partner des Sports sollten ihre Unterstützung nicht aufkündigen. Ich glaube, wir haben eine gute Chance, das hinzubekommen. Viele spüren doch gerade den Wert des Sports und von Bewegung. Vielen fehlt der Sport.

Das Kontaktverbot trifft die Risikogruppen, also ältere und kranke Menschen, besonders hart. Bewegung könnte ihnen sowohl körperlich als auch seelisch helfen. Sehen Sie Möglichkeiten, dieses Dilemma aufzulösen?

Grote: Das ist schwierig. Gerade die Risikogruppen sind im eigenen gesundheitlichen Interesse auf die Reduzierung der Kontakte angewiesen. Es gibt aber im Internet, über die unterschiedlichsten Medien, nicht zuletzt in der aktuellen Abendblatt-Serie „Hamburg macht sich fit“ sehr viele niedrigschwellige Bewegungsangebote und -anregungen. Da sind viele phänomenale Initiativen und Ideen dabei.

Dass dem Hamburger Senat der Sport wichtig ist, hat er am vergangenen Wochenende noch einmal dokumentiert, indem Finanz- und Sportbehörde die Förder- und Hilfsmaßnahmen weiter aufgestockt haben. Werden diese Angebote auch genutzt?

Grote: Wir tun alles, damit der Sport gut durch diese Krise kommt. Hamburg hat ein sehr breites Hilfspaket geschnürt, mit Soforthilfen, einem umfangreichen Kreditprogramm, und als dritter Baustein kommt jetzt ein Nothilfefonds über mindestens fünf Millionen Euro hinzu. Wir sind jetzt in der Lage, auf alle Bedarfe zu reagieren. Für das Soforthilfeprogramm von Stadt und Bund haben wir bisher mehr als 36.000 Anträge erhalten. Wir haben noch keine Auswertung, aus welchen Bereichen die Antragsteller kommen. Zunächst geht es uns darum, diese Anträge schnell zu bearbeiten, das Geld auszuzahlen. Mehr als 16.000 Anträge sind bewilligt, rund 170 Millionen Euro bereits ausgezahlt worden. Das ist eine enorme Leistung der Verwaltung und eine Soforthilfe, die ihren Namen verdient. Generell zeigt sich in dieser Krise, wie wertvoll es ist, über funktionierende staatliche Strukturen zu verfügen. Und die haben wir in Hamburg.

Welche Rückmeldungen erreichen Sie aus den Vereinen und Verbänden. Was sind im Augenblick deren größte Probleme?

Grote: Vielen Vereinen fehlen jetzt Einnahmen aus gewerblichen Tätigkeiten wie Platzvermietungen, Kursangeboten oder Gastronomie, die Kosten laufen jedoch weiter. Wir haben unsere Hilfsprogramme so breit aufgestellt, dass wir allen ernsthaften Problemlagen gerecht werden können. Wir denken dabei nicht nur an die gemeinnützigen Vereine, sondern auch an Veranstalter sowie Clubs mit Profibetrieb wie zum Beispiel die Bundesliga-Basketballer der Towers und die Zweitliga-Handballer des HSV Hamburg.

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Wird die jetzt gewährte Unterstützung in irgendeiner Form auf den nächsten Sportfördervertrag der Stadt mit dem Hamburger Sportbund (HSB) angerechnet? Der aktuelle läuft ja Ende dieses Jahres aus.

Grote: Der Sportfördervertrag ist die Regelfinanzierung des organisierten Hamburger Sports für zwei Jahre. Das jetzige Hilfsprogramm hat damit nichts zu tun. Wir stellen in dieser Ausnahmesituation zusätzliche Mittel bereit, um den Sport heil durch die Krise zu bringen.

Ist es denkbar, dass die Stadt Vereine rettet, indem sie diese übernimmt oder sich an ihnen beteiligt?

Grote: Die Rettung der Vereine ist ja unser erklärtes Ziel. Wir wollen aber, dass die Clubs in ihrer Selbstbestimmtheit gut durch die Krise kommen. Dafür haben wir dieses umfangreiche Hilfspaket geschnürt. Dass die Stadt sich in Vereine einkauft, kann ich mir kaum vorstellen.

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    Welche Lehren kann die Sportförderung aus der Krise ziehen? Sollten im öffentlichen Raum noch mehr Bewegungsangebote, zum Beispiel Bolzplätze, Basketballkörbe, Trimmpfade, geschaffen werden, müssten über die Active-City-App – mithilfe der Vereine – noch mehr Animationsvideos ins Internet gestellt werden?

    Grote: Die Krise zeigt, dass wir mit unserer Active-City-Strategie auf dem richtigen Weg sind. Neben den klassischen Sportangeboten schaffen wir zusätzlich auch Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum, etwa Bewegungsinseln, Laufstrecken und Radwege. Darüber hinaus gibt es auf unserer Active-City-App digital zahlreiche Anregungen. Dadurch hat jeder und in jeder Situation Zugang zu Sport und Bewegung. Wir werden diese Angebote, individuell Sport zu treiben, ausbauen. Dabei ist klar: Der Vereinssport behält seine zentrale gesellschaftliche Rolle und hat für uns in der Förderung weiter Priorität.

    Bei den derzeit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten befürchten Politiker, Polizei und Psychologen zunehmende häusliche Gewalt. Hat sich das bisher für Hamburg in steigenden Fallzahlen bestätigt?

    Grote: Diese Befürchtungen haben sich bisher nicht bewahrheitet. Wir sind aber darauf vorbereitet, bieten mehr Beratungen und Hilfen an, halten in den Schutzeinrichtungen vorsorglich zusätzliche Kapazitäten vor. Auch für dieses Problem gilt: Sport hilft, Sport und Bewegung sind starke Aggressionsdämpfer. Auch deshalb dürfen wir die Bewegungsmöglichkeiten für Familien nicht weiter einschränken als notwendig. Alle dürfen und sollen raus aus ihren Wohnungen.

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    Als bisher einzige Sportgroßveranstaltung wurde das für Ende August im Tennisstadion am Rothenbaum geplante Beachvolleyballturnier abgesagt, auch weil der österreichische Veranstalter kaum Sponsoren gefunden hatte. Erwarten Sie weitere Ausfälle?

    Grote: Davon ist auszugehen. Unser erklärtes Ziel bleibt es aber, dass Veranstaltungen, die jetzt nicht stattfinden können, später im Jahr nachgeholt werden. Wenn ein Veranstalter, gemeinnützig oder gewerblich, in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, weil sein Event ausfallen muss, greifen für ihn die Unterstützungsmechanismen, die wir aufgelegt haben. Unser attraktives Veranstaltungsprogramm wollen wir den Hamburgerinnen und Hamburgern auch nach der Krise wieder anbieten können. Kein Veranstalter soll aufgeben, keine Veranstaltung soll sterben.

    Wären Sie bereit, die städtischen Ausfallbürgschaften zu erhöhen, falls den Veranstaltern Sponsoren und Partner abspringen? Ist es vorstellbar, dass die Stadt in kritischen Fällen als Veranstalter einspringt?

    Grote: Wir müssen die Veranstalter so unterstützen, dass sie die Kraft haben, auch in den nächsten Jahren auf dem Markt zu bleiben, dass sie durchhalten. Das sind dann nicht nur klassische Zuwendungen, sondern auch die Hilfen aus den aufgelegten Programmen.

    Sind bei den Hamburg Towers und den Handballern des HSV Hamburg, deren Hallen nur 3400 und 3500 Besuchern Platz bieten, demnächst auch Spiele vor Zuschauern denkbar?

    Grote: Ich hoffe, dass auch das in absehbarer Zeit wieder stattfindet. Allerdings werden Veranstaltungen, bei denen viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, noch eine ganze Weile kritisch bleiben.

    Würden Sie Geisterspiele auch bei Handballern und Basketballern genehmigen?

    Grote: Wenn der Fußball diese Ausnahmegenehmigung erhält, würden mir keine Argumente einfallen, warum das nicht auch für andere Sportarten gelten sollte. Im Gegensatz zum Fußball sind Zuschauereinnahmen für Handballer und Basketballer aber ein wichtiger Etatposten. Geisterspiele ergeben hier wirtschaftlich weniger Sinn.

    Erwarten Sie, dass sich nach der Krise die Einstellung der Hamburgerinnen und Hamburger zum Sport verändert?

    Grote: Einerseits entwickelt sich in dieser Krise schon das Bewusstsein, was wirklich wichtig und notwendig im Leben ist. Ich glaube, dass aus der einen oder anderen Blase ein wenig Luft herausgelassen wird. Das ist nicht nur auf den Sport bezogen. Dem steht entgegen ein großer Drang, dass sich die Dinge wieder normalisieren, dass es eine Rückkehr gibt zu dem, was vorher war. Für den Sport gilt, dass es viel aufgestaute Sportbegeisterung, den Drang nach Bewegung gibt. Der Wert des Sports ist vielen jetzt noch mal ins Bewusstsein gekommen.