Hamburg. Jubiläumsturnier der Spring- und Dressurreiter fällt Corona zum Opfer. Chef Volker Wulff spricht über die Konsequenzen.

Am späten Mittwochnachmittag war es offiziell: Das für das Himmelfahrtswochenende (20. bis 24. Mai) angesetzte Deutsche Spring- und Dressurderby fällt aus. Ein Ersatztermin für den Spätsommer ist beim Weltreiterverband beantragt. Fragen an Turnierchef Volker Wulff, dessen Agentur En Garde den Wettstreit um das Blaue Band seit dem Jahr 2000 an die internationale Spitze führte. 100 Jahre Derby sollten ein ganz besonderes Ereignis werden.

Hamburger Abendblatt: Herr Wulff, warum fiel die Entscheidung so spät? Hatten Sie überhaupt eine andere Wahl?

Volker Wulff: Wir wollten die Flinte nicht zu früh ins Korn werfen und die groß geplante, fünftägige Veranstaltung gefährden. Folglich haben wir uns möglichst nah an den Termin herangehangelt. Letztlich hatten wir nun keine andere Möglichkeit. Die Entscheidung wurde in Absprache mit der Stadt und den internationalen Vereinigungen getroffen.

Gab es die Überlegung eines Geisterderbys – ohne Zuschauer, aber immerhin mit Fernsehpräsenz?

Wulff: Dies war einer der allerersten Gedanken. Er wurde rasch verworfen. Wir können das nicht, und wir wollen das nicht. Das Derby lebt von und mit den Zuschauern – und der einmaligen Stimmung in Klein Flottbek.

Wann gibt es einen neuen Termin?

Wulff: Die Ansetzung steht leider nicht in unserer Macht. Vor fünf Wochen haben wir als einer der Ersten ein neues Datum beim Weltverband beantragt. Damals wollte man dort noch nichts von einer Verschiebung wissen. Nun drängen alle ausgefallenen Wettbewerbe in die zweite Jahreshälfte. Eine Task Force soll den internationalen Kalender ab 15. Juni koordinieren. Wir müssen abwarten. Ich hoffe auf einen Termin zwischen Mitte Juli und Mitte August.

Das Deutsche Derby hat fünf Hauptsponsoren und fast 20 kleinere Partner. Halten alle zur Stange?

Wulff: Fantasie und Kreativität sind gefragt, um unsere Partner bei Laune zu halten. Aktuell entwickeln wir alternative Möglichkeiten, um die Zeit sinnvoll zu überbrücken. Stichworte sind Internet und soziale Medien. So bieten wir ein neues Portal mit virtuellen Online-Turnieren für Springreiter.

Hatte Ihre Firma eine Versicherung abgeschlossen, um die Absage wirtschaftlich abzufedern?

Wulff: Für höhere Gewalt wie Corona gibt es keine Entschädigung. Als wir uns im Februar dieses Jahres um eine entsprechende Versicherung bemühten, ging gar nichts mehr.

Ist die Zukunft des Deutschen Derbys in Gefahr?

Wulff: Momentan glücklicherweise nicht. Voraussetzung ist, dass wir die Veranstaltung in diesem Jahr durchführen können. Sollte sich die Lage bis Herbst nicht entspannen und es erst 2021 wieder ein Derby geben, wird es ernst. In diesem Fall werden wir Gespräche mit der Stadt suchen, wie wir die Existenz des Traditionsderbys auf Weltklasseniveau sichern.

Hand aufs Herz: Ist Ihnen der Beschluss an die Nieren gegangen?

Wulff: Spurlos gehen Wochen wie diese an einem nicht vorbei. Das Derby ist mein Leben. Seit zwei Jahrzehnten arbeiten wir an der Entwicklung. Gedanken einer Absage und Verschiebung habe ich mit ins Bett genommen. Wir haben auf den Event „100 Jahre Derby“ lange hingewirkt. Der Schwung sollte Jahre reichen, Klein Flottbek ganz oben zu halten. Die Entwicklung jetzt geht nicht nur an die Nieren, sondern auch an andere Organe.

Hat Ihre Agentur En Garde ausreichend Luft zum Überleben?

Wulff: Unsere 24 festen Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Ziel ist es, alle zu halten, um mit einem neuen Termin im Spätsommer neu angreifen zu können. So werden wir 2020 überstehen.

Wird es die für den Abend vor Himmelfahrt vorgesehene Pferdegala geben? Und was wird aus den verkauften Eintrittskarten?

Wulff: Einen Termin mit einem Feiertag inmitten der Woche werden wir in diesem Jahr nicht mehr erhalten. Wir werden die Gala absagen müssen – schweren Herzens. Das Geld wird zurückerstattet. Die anderen mehr als 20.000 bereits abgesetzten Tickets gelten für den neuen Termin – oder als Gutschein für 2021. Die wegweisenden Tugenden für diese Krise sind für mich Solidarität und Zuversicht.