Hamburg. Große Ziele von „Hafen-Basti“ nach Sieg in Hamburg. Der Boxer verteidigt seinen WM-Titel. Die Wertung ist umstritten.

Während alle gespannt auf das Urteil warteten, hatte Sebastian Formella das getan, was er noch etwas besser kann als boxen: Er hatte sein breitestes Siegerlächeln aufgelegt. Anders als eine Reihe neutraler Besucher unter den 3000 Fans, die die edel-optics.de Arena in Wilhelmsburg zum versprochenen Hexenkessel gemacht hatten in der Nacht zum Sonntag, war sich der 32 Jahre alte Weltergewichtsweltmeister sicher, dass er seinen IBO-Titel erfolgreich verteidigt hatte.

„Nach der fünften Runde wusste ich, dass ich ihn geknackt hatte. Von da an habe ich es runtergeboxt“, sagte Formella nach seinem Punktsieg gegen Roberto Arriaza (29/Nicaragua).

Wirbel um Punktrichter-Urteil für "Hafen-Basti"

Nun muss man Sportlern zugestehen, eine eigene Wahrnehmung zu gewinnen im Laufe von zwölf harten Runden, die bisweilen nicht mit der Realität übereinstimmt. Und dass der Mann, der in Hamburg wegen seines Hauptberufs als Containerfahrer im Hafen liebevoll „Hafen-Basti“ genannt wird, seine erste Titelverteidigung tatsächlich erfolgreich bestritten hatte, konnte man so stehen lassen.

Aber dass der italienische Punktrichter Matteo Montella das auf Augenhöhe geführte Duell mit 118:110 für den Lokalmatador wertete, dürften sich selbst eingefleischteste Formella-Fans nicht erklären können.

Die Regel besagt, dass der Sieger einer Runde mit zehn und der Verlierer mit neun Punkten bewertet werden soll. Formella musste also, um ein 118:110-Urteil zu erhalten, zehn Runden für sich entschieden haben. Wie das möglich gewesen sein sollte nach einer ersten Kampfhälfte, in der er dauerhaft im Rückwärtsgang gekämpft und kein Mittel gefunden hatte, den ohne Unterlass nach vorn marschierenden Herausforderer zu stoppen? Montella war zu einer Stellungnahme nicht bereit.

Dafür sprach der Brite Terry O’Connor, der mit seiner 116:112-Wertung am oberen Limit des Akzeptablen gelegen hatte. „Arriaza hat zwar das Tempo diktiert, aber zu selten klar getroffen. Formella war der präzisere Boxer“, sagte er. Auch das dritte Urteil, 117:111, fiel erstaunlich eindeutig aus.

Box-Taktik von Hafen-Basti geht auf

Ulf Steinforth, der den gelungenen Kampfabend in Wilhelmsburg in Kooperation mit Formellas Promoter Erol Ceylan vom Hamburger Stall EC Boxing ausgerichtet hatte, sprach wohltuend Klartext. „Solche Urteile wie das von Montella sind Schwachsinn. Es spiegelt nicht den Kampf wider und schadet dem Boxen“, sagte der Chef des Magdeburger SES-Teams, der zu Recht zwei Dinge anfügte: „Es ist nicht unsere Schuld, dass diese Urteile passieren. Und es sollte nicht Bastis Leistung schmälern.“

Tatsächlich, das sollte es nicht, denn die von Cheftrainer Mark Haupt ausgegebene Taktik, Arriaza zunächst auszugucken und in der zweiten Kampfhälfte dann auszuboxen, war aufgegangen. „Wir wussten, dass er von seiner Physis lebt und viel Druck machen würde. Aber als ich mich darauf eingestellt hatte, konnte ich gut kontern und ihn unter Kontrolle halten“, sagte Formella, der im 22. Profikampf unbesiegt blieb.

Dem Mittelamerikaner gelang es viel zu selten, seinen agilen Gegner zu stellen und entscheidend zu treffen. Hätte Formella statt seiner Börse Kilometergeld erbeten, wäre er nun ein gemachter Mann.

Das sind die Zukunftspläne von Formella

Stattdessen wird er weiterboxen und seinen Job im Hafen behalten. Immerhin lebt der Traum von einem WM-Kampf in den USA gegen einen der Champions der bedeutendsten vier Weltverbände, zu denen die IBO nicht zählt, weiter. „New York oder Las Vegas, das ist mein Ziel“, sagte Formella.

Promoter Ceylan verriet, dass er für den 22. Februar das Angebot habe, seinen Champion in Las Vegas gegen Ex-WBC-Weltmeister Antonio DeMarco (34/Mexiko) in einem Nicht-Titelkampf antreten zu lassen. Man werde es aber aufgrund der zu kurzen Vorbereitungszeit nicht annehmen. Formella wird stattdessen im Februar seinen wohlverdienten Asien-Urlaub antreten.

Noch ein Sieg für einen Hamburger Boxer

Erholung hat auch Peter Kadiru nötig in den kommenden Tagen. Die Hamburger Schwergewichtshoffnung aus dem SES-Team darf die trainingsfreie Zeit jedoch mit dem Gefühl genießen, die nächste Stufe seiner Entwicklung erklommen zu haben. Der 22-Jährige sicherte sich per technischem K.-o.-Sieg in Runde sechs gegen seinen tschechischen Stallkollegen Tomas Salek (21) den Titel des Junioren-Weltmeisters des WBC – und sorgte damit für einen SES-Rekord.

„Es war erst Peters siebter Profikampf. Schneller hat das keiner meiner Boxer geschafft“, lobte Promoter Steinforth.

Richtiger Gegner für Kadiru

Gegen Salek, der enorme Nehmerfähigkeiten bewies und genau der richtige Gegner zum aktuellen Entwicklungsstand Kadirus war, erwies sich die im Training mit Chefcoach Christian Morales einstudierte Variante, mit einem Seitwärtsschritt aus der Distanz zu gehen und den Aufwärtshaken zum Kopf zu schlagen, als siegbringend.

„Wir haben das genauso trainiert. Ich bin stolz, dass das funktioniert hat“, sagte Kadiru, der im Ring von seiner Mutter Janet Bonsu geherzt wurde, die erstmals einen Kampf ihres Sohnes live am Ring erlebt hatte.

Wie es für den Jugendolympiasieger von 2014 weitergehen soll, erläuterte Steinforth kurz und knapp: „Wir wollen zunächst die Junioren-WM-Titel aller vier Weltverbände vereinigen. Peter wird wohl schon im März wieder im Ring stehen“, sagte er. Kadiru stand derweil neben seinem Chef und hatte sein breitestes Siegerlächeln aufgesetzt. Das kann er ebenso gut wie Formella.