Auckland/Hamburg. Der überraschende Erfolg der Olympiadritten macht den NRV-Geschäftsführer Klaus Lahme glücklich, aber auch nervös.

Klaus Lahme hat ein paar schlaflose Nächte hinter sich. Der Geschäftsführer des Norddeutschen Regatta-Vereins (NRV) hat nicht nur mit seinen erfolgreichsten Olympioniken Erik Heil und Thomas Plößel bei der WM in Auckland (Neuseeland) mitgefiebert, die das Duo auf Rang zwei beendete. Er hat sich auch um die möglicherweise fällige Ausschüttung der erst zu Jahresbeginn neu ausgelobten „NRV Olympic Team“-Goldprämie gesorgt. „Wir haben für eine Goldmedaille bei Olympia oder Senioren-WM 50.000 Euro bereitgestellt und die gerade erst zurücklegen können“, sagt Lahme mit einem Augenzwinkern.

Weder der leistungsorientierte Verein noch die Sportler selbst haben damit gerechnet, dem hoch gesteckten Ziel so schnell so nahe zu kommen, wie es Heil und Plößel gelungen ist. Es war nicht absehbar, dass den Rio-Bronzemedaillengewinnern wenige Monate nach ihrer studienbedingten einjährigen Leistungssportpause ein so imposanter Wiedereinstieg in die zweite Olympiakampagne gelingen würde. „Wir wollten mal schauen, wo wir stehen“, hatte der 30 Jahre alte Heil vor WM-Beginn gesagt. Am Ende von 17 Wettfahrten und einem spektakulären Medaillenfinale wurden die seit mehr als einem Jahrzehnt für den NRV segelnden Skiffartisten für grandiose Leistungen mit WM-Silber belohnt, das sie fast wie Gold feierten.

Erik Heil (l.) und Thomas Plößel präsentieren stolz ihr WM-Silber.
Erik Heil (l.) und Thomas Plößel präsentieren stolz ihr WM-Silber. © World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 / Sailing Energy | World Championships 49er, 49erFX, Nacra 17 / Sailing Energy


Den Grundstein für den Erfolg hatten die seit 18 Jahren in einem Boot sitzenden Jugendfreunde schon während der Qualifikation gelegt. Die Deutschen hatten von Beginn an die Führung übernommen und drei Tage verteidigt. Ein etwas schwächerer Tag zum Auftakt der Hauptrunde ließ Heil/Plößel auf Platz zwei hinter die Olympiasieger und America’s-Cup-Gewinner Peter Burling und Blair Tuke zurückfallen, von denen in ihrer Heimat nichts anderes als der Sieg erwartet wurde. Doch dann drehte das Duo mit der Segelnummer GER 4 wieder auf und brachte sich mit einem Tagessieg im letzten Rennen der Hauptrunde zurück in Schlagdistanz zu den Kiwis.

Burling/Tuke sichern sich mit Aufholjagd den WM-Titel

Die Ausgangssituation vor dem Finale: Bei acht Punkten Vorsprung von Burling/Tuke mussten Heil/Plößel im Showdown mindestens drei Boote zwischen sich und die Spitzenreiter bringen, um noch nach Gold greifen zu können. Entsprechend angriffslustig eröffneten sie das Duell mit einem dominanten Start. Die Taktik der Neuseeländer war ebenso klar: dranbleiben an den Deutschen, keine Boote dazwischenkommen lassen. Doch Heil/Plößel konnten die Kiwis dank herausragender Positionierung bald wie erhofft abschütteln.

Was dann geschah, hat man bei den nervenstarken Neuseeländern noch nicht erlebt: Peter Burling rutschte aus den Fußschlaufen seiner Gleitjolle und ging über Bord. Glück im Unglück für das Team auf NZL 77: Burling konnte sich blitzartig zurück an Bord hieven. Die Kiwis fielen bis auf Rang zehn zurück, während Heil/Plößel in den Top drei segelten. Für einige Minuten durften die deutschen Fans bei der nächtlichen Liveübertragung träumen, denn dieses Szenario hätte den WM-Titel für Heil/Plößel bedeutet. Die Freude währte aber nicht lange, denn Burling/Tuke läuteten eine erfolgreiche Aufholjagd ein. Im Ziel reichte ihnen Rang vier zum fünften WM-Titel ihrer Karriere.

Der deutsche Segelsport muss weiter warten, dass einer der ihren die 19 Jahre währende schwarze Serie ohne WM-Titel in einer Olympiadisziplin durchbricht. Das letzte WM-Gold in einer olympischen Segeldisziplin hatten 2000 vor Sydney Roland Gäbler/René Schwall im Tornado geholt. Doch ihr erstes WM-Edelmetall bedeutet für den gebürtigen Berliner Heil und den Oldenburger Plößel beim neunten WM-Einsatz mehr als den kleinen Thron neben Burling und Tuke. Die Medaille beflügelt.

Zur Besiegbarkeit der „Unbesiegbaren“ meinte der angehende Mediziner Heil, der im Sommer sein Physikum bestanden hat: „Hier wäre es ohne unseren Ruderbruch zu Beginn der WM möglich gewesen. Also ist es möglich.“ 49er-Bundestrainer Marc Pickel aus Kiel lobte seine Crew: „Ich bin stolz auf Erik und Thomas. Peter Burling und Blair Tuke sind die besten Segler der Welt. Vielleicht können wir den Sieg nächstes Jahr nachholen. Dafür arbeiten wir jetzt.“ Auch der NRV-Clubkamerad und zweimalige 49er-Olympiateilnehmer Marcus Baur gratulierte: „Es wird Zeit für einen deutschen Weltmeister und Olympiasieger. Dass es möglich ist, ist jetzt klar.“

Gleichzeitig markierte die WM den Auftakt zur nationalen Ausscheidung um nur ein 49er-Olympiaticket. Während ihre Trainingspartner Justus Schmidt/Max Boehme (Kiel) als Zwölfte in Auckland neun Zähler für ihr Qualifikationskonto einfahren konnten und die WM-Dritten von 2018, Tim Fischer und Fabian Graf (NRV), nach verpatztem WM-Auftakt in der Silberflotte als 26. ohne Punkte blieben, heimsten Heil/Plößel 25 Punkte ein. „Das ist ein Meilenstein“, sagte Heil. Der Kampf um das Olympia­ticket wird bei der im Februar anstehenden WM 2020 in Australien fortgesetzt und endet im Frühjahr beim Mallorca-Klassiker Trofeo Princesa Sofía.