Buchholz/Nordheide. Erstmals seit 37 Jahren finden die Deutschen Meisterschaften im Formationstanzen in Hamburg statt. Zum Favoritenkreis gehört das Bundesligateam aus Buchholz.

Nein, Dirty-Dancing-Romantik kommt in der sehr zweckmäßig eingerichteten Sporthalle im Schulzentrum Am Kattenberge in Buchholz nicht auf. Aus einem Lautsprecher quakt leise Musik, während Trainerin Franziska Becker einer Handvoll Tänzerinnen und Tänzern, die individuell üben wollen, Kommandos gibt. Um 18 Uhr, eine Stunde vor dem offiziellen Trainingsbeginn. Es riecht nach Leistungssport. Und harter Arbeit.

Tom Kinast strahlt trotzdem, als er kurz darauf im kleinen Gymnastikraum nebenan mit seiner Tanzpartnerin Isabella Huber auf einer Bank Platz nimmt: „Ich empfinde es als Privileg, teilhaben zu dürfen. Wir alle arbeiten mit viel Herzblut an unserem Produkt und wollen es am Ende perfekt präsentieren.“

Der 17-Jährige gehört seit April zum Bundesligateam der Lateinformationstänzer von Blau-Weiss Buchholz. Am 9. November wird der Gymnasiast das erste Mal an Deutschen Meisterschaften teilnehmen, die nach 1982 erstmals wieder in Hamburg ausgetragen werden.

Isabella Huber und Tom Kinast von Blau-Weiss Buchholz sind eines von acht Paaren der Lateinformation.
Isabella Huber und Tom Kinast von Blau-Weiss Buchholz sind eines von acht Paaren der Lateinformation. © Privat

Die Eingewöhnungsphase mit Partnerin Isabella (21), die bereits zum dritten Mal bei Titelkämpfen in der Sporthalle Hamburg auf dem Parkett stehen wird, verlief reibungslos, was kaum verwundert. Man kennt sich schließlich seit Jahren aus den Kinder- und Jugendmannschaften.

Dreimal pro Woche mindestens jeweils drei Stunden Training

Das Pensum hat es in sich in der heißen Phase der Vorbereitung vor dem Höhepunkt der Saison. Dreimal pro Woche mindestens jeweils drei Stunden Training bis 22 Uhr, dazu fällt jedes zweite Wochenende komplett dem Üben zum Opfer. „Von allen wird viel abgefordert“, gibt Trainerin Franziska Becker zu, „es geht im wahren Sinne des Wortes um Millimeterarbeit, den Feinschliff: Sind alle auf ihrem Platz, machen sie die gleichen Aktionen, tanzen sie synchron?“

Dreimal in Folge hat Becker ihr Team bei Deutschen Meisterschaften auf den dritten Platz geführt. Ein Mega-Erfolg, auch dank der intensiven Nachwuchsarbeit. Alle 16 Tänzerinnen und Tänzer der Stammformation haben in Buchholz angefangen zu tanzen, was wohl ein Hauptgrund dafür ist, warum Tom Kinast den Zusammenhalt in der sportlichen Großfamilie hervorhebt: „Ich kenne keinen Sport, der solch einen extremen Teamspirit hat.“

Leidenschaft für den Sport ist der einzige Antrieb

Obwohl fast unter Profibedingungen trainiert wird, gibt es keinen Cent zu verdienen. Einziger Antrieb ist die Leidenschaft für den Sport und die Anerkennung des Publikums. „Wenn Sie auf der Tanzfläche stehen und das Publikum jubeln hören, und ich hoffe, dass es in Hamburg noch ein bisschen lauter sein wird, dann ist das genau der Moment, auf den man die ganze Zeit hingearbeitet hat“, beschreibt Isabella Huber, die ein duales Studium zur Gesundheitsmanagerin aufgenommen hat, den Antrieb, einen Großteil der Freizeit zu opfern. „Wir kommen dann so viel zurück, das ist die pure Freude.“

Auf dem Weg dorthin kann es jedoch „durchaus mal knallen“, wie es Franziska Becker formuliert. Wie ehrgeizig die Buchholzer Mannschaft an ihrem Programm arbeitet, lässt sich auch an der hohen Zielsetzung erkennen. „Wir werden alles daransetzen, um uns für die Weltmeisterschaft im Dezember in Bremen zu qualifizieren“, kündigt die Cheftrainerin an. Dazu müsste das Team entweder den Titel erringen oder Platz zwei hinter dem 1. TSZ Velbert (bereits für die WM qualifiziert) belegen.

Blau-Weiss hat die Verantwortung für den Ablauf

Die Motivation, diese Herausforderung zu meistern, ist jedenfalls riesengroß. Isabella erzählt, wie sie ständig ihre Schritte und Bewegungen auch gedanklich durchgeht: „Wenn ich dann beginne, auch nachts davon zu träumen, dann weiß ich: Es ist nicht mehr lange hin bis zur Meisterschaft ...“

Mit der Heim-DM in der Metropolregion erfüllt sich der Club selbst einen lange gehegten Wunsch. Zwar fungiert der in Frankfurt beheimatete Deutsche Tanzsportverband als Veranstalter, als Ausrichter hat jedoch Blau-Weiss die Verantwortung für den Ablauf übernommen – und geht damit bei den Titelkämpfen auch ein finanzielles Risiko ein, denn das Gesamtbudget liegt bei rund 250.000 Euro. Die Unterbringung der 16 Teams (je acht für Standard und Latein) und der Offiziellen (Wettbewerbsrichter, Turnierleitung etc.) muss dabei genauso geplant werden wie der Auf- und Abbau der Licht- und Soundanlage, was alleine über 30.000 Euro an Kosten verursacht.

Verein rechnet am Ende mit einer schwarzen Null

Insgesamt 100 bis 120 Helfer – natürlich fast alle ehrenamtlich – hat Cheforganisator Björn Poll, der Abteilungsleiter Tanzen Leistungssport in Buchholz, akquiriert. „Wir haben einige Unterstützer an unserer Seite, können aber durchaus noch Sponsoren gebrauchen“, sagt er. Obwohl die Halle angesichts des guten Vorverkaufs – 75 Prozent der Tickets sind abgesetzt für die Nachmittags- und Abendveranstaltung – gut gefüllt sein dürfte, rechnet der Verein am Ende nur mit einer schwarzen Null. Auch hier gilt: Leidenschaft vor Geldverdienen.

Es ist Zeit, die Gruppe wartet in der Halle. Acht Frauen, acht Männer, was ja eine ungewöhnliche Besetzung im Mannschaftssport ist. „Da ist ordentlich was los mit den ganzen Charakteren“, sagt Becker und lacht. Bleibt die Frage: Frau oder Mann, mit wem ist es leichter zu arbeiten? „Abgesehen von der Pubertät, da ist es schwieriger als mit den Mädels, sind Jungs viel leichter zu führen.“

Tickets und Informationen für die Deutsche Meisterschaft der Formationen Standard & Latein am 9. November in der Sporthalle Hamburg gibt es im Internet unter www.DM2019.info und auch in vielen Vorverkaufsstellen. Die Karten kosten zwischen 25,41 und 91,41 Euro (Kombitickets für die Nachmittags- und Abendveranstaltung ab 31,91 Euro).