Hamburg. Der Buchholzer Radprofi startet bei der Straßen-WM in England mit großen Ambitionen ins Eliterennen am Sonntag.

Dem Impuls, sich ein wenig auf die Couch zu legen und zu entspannen, wie es Menschen nach außergewöhnlichen Belastungen gemeinhin tun, musste er widerstehen. „Wenn ich gar nichts tue und der Körper komplett runterfährt, dann kommt die Ermüdung extrem durch. Das schafft eine Trägheit, nach der ich nur sehr schwer wieder in Schwung komme“, sagt Nikias Arndt. Und Trägheit, die kann sich der Buchholzer Radprofi noch nicht erlauben. Schließlich wartet am Ende einer harten Saison, in der er erstmals die Tour de France (6. bis 28. Juli) und die Spanien-Rundfahrt (24. August bis 15. September) hintereinander absolvierte, noch ein Höhepunkt auf den 27-Jährigen.

Am Sonntag (9.40 Uhr) startet Arndt bei der Straßen-WM in der englischen Grafschaft Yorkshire im Eliterennen der Männer. 285 Kilometer von Leeds nach Harrogate stehen an, ein Klassiker-Parcours, vergleichbar mit der Flandern-Rundfahrt. Eine Strecke, auf der sich der 188 Zentimeter große Wahlkölner durchaus Chancen auf eine Platzierung unter den besten zehn ausrechnet. „Ich glaube schon, dass mir die Strecke liegt. Wenn ich die gute Form aus der Vuelta konservieren kann, dann ist etwas drin für mich“, sagt er.

Gute Leistungen auf großen Rundfahrten

Tatsächlich darf Nikias Arndt mit seinen Leistungen auf den großen Rundfahrten dieses Jahres durchaus zufrieden sein. Als einer der Kapitäne führte er sein Sunweb-Team durch die Widrigkeiten der wichtigsten Saisonphasen und fuhr zudem auch ein wichtiges persönliches Resultat ein. In Spanien gewann er am 31. August das achte Vuelta-Teilstück von Valls nach Igualada über 166,9 Kilometer. „Einen Etappensieg kann man nicht planen, aber ich hatte schon darauf gehofft, weil ich mich sehr gut gefühlt habe“, sagt er.

Die WM, seine dritte nach Richmond (USA/2015) und Bergen (Norwegen/2017), soll nun der krönende Abschluss des Radsportjahres 2019 werden. „Für mich hat sie einen sehr hohen Stellenwert“, sagt Arndt, „der Weltmeister darf sein Siegertrikot ein ganzes Jahr lang tragen. Nicht dass ich damit rechne, den Titel zu holen, aber der Anreiz ist riesig.“ Der große Unterschied zum Rest der Saison ist, dass bei den Welttitelkämpfen die Fahrer nicht für ihre Profiteams, sondern für ihre Nation starten. „Ich bin deshalb umso mehr motiviert, meine Bestleistung abzurufen. Ich will testen, wo ich mich bei so einem Rennen einordnen kann“, sagt Arndt.

Starkes Team in der Breite

Die Umstellung auf die Teamkollegen, die gewöhnlich Gegner sind, sei kein Problem. Mit dem Geraer John Degenkolb (30/Trek-Segafredo) und dem Kölner Nils Politt (25/Katusha Alpecin) trainiert er regelmäßig, der Berliner Simon Geschke (33/CCC Team) war in den Saisons 2017 und 2018 sein Teamkollege bei Sunweb, wo Arndtnoch bis Ende des kommenden Jahres unter Vertrag steht. „Außerdem rede ich bei Rennen am meisten mit den deutschen Kollegen. Wir kennen uns also gut genug, um schnell eine gemeinsame Chemie zu entwickeln“, sagt er.

Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hat seinen WM-Kandidaten früh die ihnen zugedachten Rollen im Team kommuniziert. „Wir haben in der Breite ein sehr gutes Team, aber keinen echten Siegfahrer. Deshalb soll ich das Team zusammenhalten und mich auf die letzte Stunde des Rennens konzentrieren, um ein starkes Finale fahren zu können. Dass ich dafür ein Gespür habe, habe ich ja ein paarmal beweisen können“, erläutert Arndt die von ihm eingeforderte Aufgabe. Eine Aufgabe, die er gern annimmt. „Ich konnte mich gut darauf einstellen und bin bereit“, sagt er.

Auch nach WM-Ende muss die Couch warten. Ein Teammeeting in den Niederlanden und zwei Rennen in China stehen noch an, ehe er Ende Oktober mit seiner Freundin in den Urlaub fliegt. Safari in Kenia, Strandurlaub auf Sansibar – spätestens dann ist endlich auch Trägheit erlaubt.