Hamburg. Der erfolgreichste deutscher Hockeytrainer soll die Herren zu Olympia und in seiner Heimatstadt den Bundesstützpunkt führen.

Was, wenn es schief geht? Wenn sie scheitern an Österreich und die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr erstmals seit 1948 ohne Beteiligung deutscher Hockeyherren stattfinden, die Boykottspiele 1980 in Moskau ausgeklammert. Dann wäre sein Name mit der größten Blamage verbunden und sein Image als „Goldschmied“ reichlich ramponiert! Markus Weise braucht keinerlei Bedenkzeit, um dieses Szenario einzuordnen. „Es würde mich null kratzen, wenn an meinem Denkmal ein Arm abfällt“, sagt er, „ich brauche kein Denkmal, sondern nur eine gute Mannschaft, und die haben wir.“

Eine typische Markus-Weise-Antwort ist das, die für das steht, was der erfolgreichste Trainer der deutschen Olympiageschichte schon immer von seinen Auserwählten erwartet hat: Einzelinteressen müssen zurückstehen, wenn es um den Erfolg der Mannschaft geht. Und deshalb hat der 56-Jährige, der 2004 die Damen sowie 2008 und 2012 die Herren zu olympischem Gold führte, auch nicht gezögert, als ihm Heino Knuf, Sportdirektor des Deutschen Hockey-Bundes (DHB), die Rolle als Interims-Bundestrainer anbot.

Nötig geworden war dies, weil Stefan Kermas (40) nach dem enttäuschenden vierten Rang bei der EM in Belgien Ende August seinen Posten geräumt hatte und die Mannschaft zwei Monate vor den Olympia-Play-offs gegen Österreich am 2. und 3. November in Mönchengladbach führungslos dastand. Als Nothelfer fühlt sich Weise allerdings keinesfalls. Schon Monate vor der EM war vereinbart worden, dass er als Teil eines Steuerungsteams Kermas auf dem Weg nach Tokio unterstützen würde. „Nun gab es nach Stefans Abgang eine neue Dynamik, deshalb stand für mich außer Frage, dass ich helfen würde“, sagt er.

Weise wird Stützpunktleiter in Hamburg

Im Herbst 2015 war der gebürtige Mannheimer zum Deutschen Fußball-Bund (DFB) gewechselt, um dort als Abteilungsleiter für Innovationen die Nachwuchsakademie in Frankfurt am Main aufzubauen. Sein projektbezogener Kontrakt mit dem DFB lief Ende Juni aus. Dass sein Engagement dennoch lediglich für die Wochen bis Mönchengladbach gilt, hat zwei Gründe. Zum einen „sehe ich mich nicht mehr dauerhaft in der Rolle des Bundestrainers“. Zum anderen hat er seine berufliche Zukunft bereits anders geplant. Formell zum 1. Oktober übernimmt er die Position des Bundesstützpunktleiters in Hamburg; eine Stelle, die dank der Leistungssportreform in Vollzeit geschaffen werden konnte. „Markus ist dafür die Optimalbesetzung“, sagt Heino Knuf.

Das findet Weise auch; nicht, weil er selbstverliebt ist, sondern einerseits, weil er wieder dauerhaft bei seiner Familie im Hamburger Süden sein kann. Andererseits, weil er seine im DFB gesammelten Erfahrungen in der strukturellen Aufbauarbeit in Hamburg gewinnbringend einsetzen kann. Den Bau des am Hemmingstedter Weg geplanten Leistungszentrums, der nach erfolgter Zustimmung des Bundesinnenministeriums im kommenden Jahr beginnen soll, will er ebenso mitgestalten wie die sportliche Ausrichtung der mit aktuell neun Teams in den Feldbundesligen aktiven Hamburger Vereine. „Es ist eine Aufgabe, die mich total reizt“, sagt er.

Ein Satz ist das, der auch für die Interimsarbeit mit dem Nationalteam uneingeschränkt gilt. „Ich treffe das Team im Oktober zum ersten Mal. Die Hälfte der Spieler kenne ich, aber die Jungen noch gar nicht. Deshalb muss ich erst einmal abwarten, bevor ich sagen kann, wie ich das Team packen will“, sagt er. Bei der EM war er erstmals seit seinem Abgang vor vier Jahren wieder live im Stadion, sah die Halbfinal-Niederlage gegen den späteren Europameister Belgien. Die Erkenntnisse daraus werde er „in aller Klarheit mit den Jungs besprechen, da werden Namen genannt und alle Schwächen deutlich adressiert“, sagt er. Klar sei jedoch, „dass wir uns nicht kleiner machen werden, als wir sind.“

Weise will seine Rolle neu definieren

Markus Weise ist bewusst, dass die neue Generation anders tickt als die Teams, die er auf den Olymp führte. Mit den Energiefressern unserer Zeit, die sich soziale Medien nennen, konnte er schon vor Jahren wenig anfangen, in Rio beispielsweise gab es klare Regeln für den Umgang damit. Aber da er auch bereit ist, Veränderungen zu akzeptieren, wird er seine eigene Rolle neu definieren. „Ich werde nicht die ganze Zeit unten an der Bank stehen und alles managen. Ich stelle gerade ein Viererteam zusammen, mit dem wir gemeinsam das Team führen wollen“, sagt er.

Gedanken über die Ursachen der sportlichen Krise hat er sich viele gemacht. Führungsstruktur und Wettkampfstabilität sollen die bestimmenden Themen der kommenden Wochen werden, in denen er sein Team in drei Lehrgängen, einer vom 14. bis 16. Oktober auf der Anlage der TG Heimfeld, auf den Showdown vorbereitet. „Für den Qualifier müssen wir alles ausblenden, was gewesen ist. Das geht nur mit Selbstüberzeugung und Einigkeit.“ Er halte im Übrigen wenig davon, künstlich Druck von der Mannschaft zu nehmen. „Der Druck ist da, wir müssen lernen, mit ihm umzugehen. Der Anspruch ist, dass wir uns für Olympia qualifizieren, egal, gegen wen wir spielen. Und dem stellen wir uns.“

Und wenn es doch schief geht? Dann wird er mithelfen, das leckgeschlagene Dickschiff wieder auf Kurs zu bringen, sofern sich das mit seiner Tätigkeit in Hamburg vereinbaren lässt. „Hockey muss immer ein Gemeinschaftsprojekt sein, wenn wir Erfolg haben wollen. Diesen Weg hatten wir im DHB verlassen, jetzt steuern wir gegen, und dabei möchte ich unterstützen“, sagt er. In Hamburg – und wo immer man ihn noch braucht.