Winsen/Luhe. Spannende Schlussrunde bei den Porsche European Open – Chancen für eine Zukunft des Golfturniers in Winsen nach 2020 stehen gut.

Zehn Zentimeter. Nach 274 Schlägen über vier Runden und einem dramatischen Schlusstag mit wechselnden Führungen fehlten Bernd Ritthammer zehn Zentimeter, um das Play-Off mit Paul Casey um den Sieg bei den Porsche European Open zu erreichen. Aber, der lange Putt blieb zu kurz und Ritthammer wurde geteilter, gefeierter Zweiter.

Dennoch: „Ich bin überwältigt, es fällt mir schwer, Worte zu finden“, sagte der gebürtige Nürnberger, der in München lebt. Während Ritthammer und sein Mitspieler Robert MacIntyre auf dem 18. Grün vergeblich versuchten, Casey noch einzuholen, unterschrieb der Engländer im Büro seine Ergebniskarte mit 274 Schlägen, 14 unter Par. „Ich hatte deshalb keine Zeit, nervös zu sein“, sagte er.

Paul Casey siegte bei den Porsche European Open.
Paul Casey siegte bei den Porsche European Open. © imago / Icon SMI

Für den Engländer hat sich diesem Sieg ein Lebenstraum erfüllt. „Als Junge war ich 1991 als Volunteer bei dem Turnier“, erzählte der 42-Jährige. Damals wurde die traditionsreiche Veranstaltung noch im englischen Walton Heath ausgetragen, und der junge Paul träumte davon, einmal selbst die European Open zu gewinnen: „Ich wollte diesen Sieg unbedingt“, strahlte der Weltranglisten-17.

Nach der dramatischen Schlussrunde stemmte Casey also tatsächlich die Trophäe auf dem 18. Grün, bejubelt von den Zuschauern, in die Höhe. „Das bedeutet mir sehr viel, mit so vielen großen Namen hier eingraviert zu sein“, sagte er. Den zweiten Platz teilten sich mit einem Schlag mehr Ritthammer, der Österreicher Matthias Schwab und der Schotte MacIntyre, der mit Ritthammer als gemeinsam Führender nach drei Runden auf die finale Runde gegangen war.

39.200 Golf-Zuschauer sorgen für Rekord

Die US-Stars Xander Schauffele und Patrick Reed spielten dagegen keine Rolle mehr. Beide spielten am Sonntag Par. Reed wurde mit 289 Schlägen geteilter 36. Der Weltranglisten-Neunte Schauffele brauchte noch einen Schlag mehr und kam auf Platz 46 rein. Matt Kuchar blieb sogar schon nach den ersten beiden Runden auf der Strecke.

„Gutes Wetter und ein Deutscher in aussichtsreicher Position“, das war der Wunsch des neuen Turnierdirektors Richard Atkinson. „Ich bin ein Hellseher“, freute sich der Londoner zufrieden, als es am Sonntag genau so eingetreten war. Die Zuschauer strömten bei blauem Himmel am Wochenende auch auf die Anlage. „Der Wechsel in den September hat sich gelohnt“, meinte Atkinson: „Wir, die Spieler und unsere Sponsoren sind sehr zufrieden“, meinte er, „wir haben fantastisches Golf auf einem großartigen Platz gesehen.“

Insgesamt waren ab Mittwoch 39.200 Zuschauer auf die Green Eagle Golf Courses gekommen. Am Finaltag waren es 15.500 – ein Rekord. Der VIP-Bereich war am Wochenende komplett ausverkauft, das neu gestaltete Public Village wurde angenommen – jedenfalls an den schönen Wochenendtagen.

333.000 Euro Siegprämie für Casey

2020 wird das Turnier vom 3. bis 6. September ausgetragen, Atkinson und seine Mitstreiter werden dann noch weitere Dinge anpassen: „Wir verstehen jetzt das deutsche Publikum besser“, sagte Atkinson, der registriert hat, „dass es etwas älter ist als in England ist“. Danach wird sich entscheiden, ob die Veranstaltung in Winsen über 2020 hinaus bleibt. Die Chancen stehen aber offenbar gut. „Die Leute in Green Eagle haben einen fantastischen Job gemacht“, lobte Atkinson, „der Platz ist lang und schwer, aber die meisten Spieler mögen diese Herausforderung.“

Während an den ersten beiden Tagen die Ergebnisse noch unterdurchschnittlich blieben, zeigten die Profis insbesondere am Sonntag ihre große Klasse. Der Österreicher Bernd Wiesberger und Romain Wattel (Frankreich) spielten jeweils acht unter Par, konnten aber nicht mehr entscheidend eingreifen. Casey und Schwab blieben sechs Schläge unter Platzstandard. „Ich habe während der gesamten Woche sehr gute Schläge auf diesem schweren Kurs gemacht und die entscheidenden Putts sind gefallen“, sagte Casey.

Es war der 18. Turniersieg in der Karriere des Briten, der nun wirklich niemandem mehr etwas beweisen muss. Die 333.000 Euro Siegprämie nimmt er zur Kenntnis, die sind aber bei einem Karriere-Preisgeld von über 21 Millionen Euro nicht existenziell für ihn. Wichtiger ist eine weitere Verbesserung in der Weltrangliste, denn Casey will für Großbritannien im nächsten Jahr zu den Olympischen Spielen fahren. Er hat in Justin Rose, Rory McIlroy und Tommy Fleetwood starke Kontrahenten um zwei Plätze. Und er wird wohl wieder nach Winsen kommen. „Ich möchte den Titel verteidigen“, kündigte er an.

Ritthammer nutzte einen Vorteil aus

An solche Ziele kann Ritthammer nicht denken Der 32 Jahre alte Münchner muss sich um die Qualifikation für die kommende Saison auf der European Tour sorgen. Nur die besten 110 Spieler der Jahreswertung erhalten das Startrecht für 2020. Ritthammer lag vor den European Open auf Rang 169. Durch seinen Erfolg kletterte er auf Rang 117. „Ich habe jetzt auf jeden Fall eine bessere Perspektive als vorher“, sagte er.

Natürlich spukte das Wissen um diese neue Chance in seinem Kopf herum, „ich war angespannter als sonst“, gab er zu. Als er kurz vor ein Uhr mittags zum ersten Abschlag ging, standen die Fans dort schon dicht gedrängt. Bejubelt wurde er vom norddeutschen Publikum, zog kurz seinen Hut, konzentrierte sich. „Ich habe versucht, mir alle Situationen auf der Runde schon im Vorfeld vorzustellen“, erklärte Ritthammer seine Strategie, „ein Vorteil war auch, dass ich schon am Sonnabend in der gleichen Situation war: Letzte Gruppe mit MacIntyre, viele Fans, TV-Teams.“

Auch da hielt er sein Spiel zusammen, und am Sonntag gelang ihm das trotz Problemen mit dem Driver auch. Nur einmal leistete er sich einen – am Ende entscheidenden – Fehler: Der Abschlag auf Bahn elf verschwand im Wasser: „Ein fürchterlicher Schlag“, der zum einzigen Bogey der Runde führte. Auf einen letzten Angriff auf der letzten Bahn hat Ritthammer verzichtet. Er riskierte nicht, mit zwei Schlägen das Grün der Bahn 18 (ein Par fünf) zu attackieren: „Für mich ist es ein Unterschied, ob ich Zweiter oder Achter werde.“ Und eine Siegchance hatte er ja dennoch – am Ende fehlten zehn Zentimeter.