Hamburg. 2017 erlöste er den HSV. Jetzt kehrt er als Nationalspieler ins Volksparkstadion zurück. Was Waldschmidt auszeichnet.

Joachim Löw und Luca Waldschmidt hatten sich einiges zu sagen, als die beiden kurz vor dem Training am Morgen über den Rasenplatz im Millerntorstadion schlenderten. Ob Löw in dem Vieraugengespräch wiederholt hat, was der Bundestrainer ein paar Tage zuvor in einer Videokonferenz gesagt hatte, konnten selbst die besten Hobby-Lippenleser von der Haupttribüne aus nicht erkennen. Es dürfte aber ohnehin längst bis zum Freiburger durchgedrungen sein, wie sehr Löw den Ex-Hamburger über den grünen Klee gelobt hatte: Seine große Qualität sei seine Schusstechnik, sagte Löw, der bei der U-21-EM davon angetan war, wie Waldschmidt dort seine Position interpretiert habe. Löws Fazit: „Luca hat seine Chance verdient.“

Dass Waldschmidt diese Chance in Hamburg erhält, darf als gute Pointe bezeichnet werden. So machte der Neu-Nationalspieler nach seiner Ankunft in der alten Wahlheimat kein Geheimnis daraus, dass Erinnerungen an seine Zeit beim HSV zu keinen freudigen Purzelbäumen führen würden. „Meine Zeit in Hamburg war nicht wirklich erfolgreich. Ich habe nicht viel gespielt“, sagte Waldschmidt, der vorsichtig hinterher schob: „Am Anfang meiner Karriere ging es nicht steil bergauf. Es war eher holprig.“

Der ganz normale HSV-Wahnsinn

ARCHIV - 22.06.2019, Italien, Udine: Fußball: U-21 Männer: EM, Vorrunde, Training Deutschland im Stadion Friuli: Der deutsche Spieler Luca Waldschmidt stehen beim Abschlusstraining vor dem Spiel gegen Österreich auf dem Platz. (zu dpa
ARCHIV - 22.06.2019, Italien, Udine: Fußball: U-21 Männer: EM, Vorrunde, Training Deutschland im Stadion Friuli: Der deutsche Spieler Luca Waldschmidt stehen beim Abschlusstraining vor dem Spiel gegen Österreich auf dem Platz. (zu dpa "Löw nominiert Neuling Waldschmidt für Start in die EM-Saison" am 29.08.2019) Foto: Cezaro De Luca/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © dpa

Die Holprigkeit in wenigen Sätzen: Waldschmidt wurde 2016 von Dietmar Beiersdorfer und Bruno Labbadia zum HSV geholt. Trainer Labbadia ging, Markus Gisdol kam. Clubchef Beiersdorfer ging, Heribert Bruchhagen kam. Gisdol ging, Bernd Hollerbach kam. Bruchhagen ging, Bernd Hoffmann kam. Schließlich ging auch Hollerbach, Christian Titz kam. Der ganz normale HSV-Wahnsinn eben. Und Waldschmidt? Kam, ging, kam und ging genauso. Wechselte zwischen Bank und Rasen hin und her, bis er im Sommer 2018 selbst keine Lust mehr auf das ständige Kommen und Gehen hatte.

Als Waldschmidt vor einem Jahr für die festgeschriebene Ablöse von fünf Millionen Euro, von denen der HSV 1,7 Millionen Euro an Milliardär Klaus-Michael Kühne abtreten musste, zum SC Freiburg wechselte, blieb nur eines: die Erinnerung an sein Rettertor am letzten Spieltag der Saison 2016/17. Der 20. Mai 2017, 17.19 Uhr. Flanke Kostic, Kopfball Waldschmidt, Tor. „Von solch einem Moment habe ich seit meiner Kindheit geträumt, wahrscheinlich schon im Bauch meiner Mutter“, sagte Waldschmidt damals, nachdem er am letzten Spieltag der 54. Bundesligasaison dafür gesorgt hatte, dass sich die schon abgestiegen geglaubten Hamburger in fast letzter Minute noch retteten.

Zwei Jahre später spielt der HSV in der Zweiten Liga – und Waldschmidt ist Nationalspieler. „Dass ich so schnell die Einladung bekommen habe, freut mich sehr“, sagt der 23-Jährige, der nun erstmals nach seinem Wechsel ins Volksparkstadion zurückkehrt. Und sein Tor von damals? „Dieser Moment wird immer in meiner Erinnerung bleiben.“