Rom. Der Hamburger Tennisprofi prangert nach Zweitrunden-Aus in Rom fehlende Professionalität in seinem Umfeld an.

Alexander Zverev hatte seine Mission als Einzelkämpfer in Rom noch gar nicht aufgenommen, da hatte er schon seinen gewinnendsten Moment überhaupt beim Masters-Spektakel im Foro Italico. Im Doppel stand er mit seinem Bruder Mischa auf dem Court, als er einen Schmetterball unglücklich in die Zuschauerreihen wuchtete. Die verirrte Kugel traf ein kleines Mädchen an der Stirn, es gab Tränen, der Schock war größer als die Blessur selbst. Schnell kam Zverev herbeigeeilt, nicht ohne ein kleines Geschenk. Er band dem Kind eines seiner Stirnbänder um, zauberte der getrösteten Kleinen wieder ein Lächeln ins Gesicht. Einen Tag später hätte man dem Deutschen wohl auch jemanden gewünscht, der ihm Trost spendet und ihn mit einer Nettigkeit aufmuntert.

Aber in Rom herrschte ganz dicke Luft im Reisetrupp der Zverevs. Denn kaum hatte sich der Weltranglisten-Fünfte mit der nächsten Pleite, dem 5:7, 5:7 im Auftaktspiel der zweiten Runde gegen den Italiener Matteo Berrettini, in dieser verkorksten Sandplatzsaison von den Masters-Festspielen in der Ewigen Stadt verabschiedet, ließ der deutsche Topspieler ordentlich Dampf ab – und zwar zur allgemeinen Überraschung gegen seine engsten Verbündeten.

Chaos und Unordnung

„Wenn wir bei einem Masters sind, müssen wir professionell sein. Mein ganzes Team. Alle um mich herum“, diktierte der 22-Jährige dem Sky-Reporter Moritz Lang ins Mikrofon. „Ich möchte mit ein paar Leuten reden, damit so etwas beim nächsten Mal nicht passiert.“ Das saß. Umso mehr, da wenigstens die „Tennis-Familie“ bisher noch heile Welt für Zverev war, eine Zuflucht, wo doch ringsumher auf einmal Chaos und Unordnung regierten.

Wen genau er meinte, blieb unklar – so weit ging die Wahrheitsliebe („Ich sage immer, wie es ist“) des ATP-Weltmeisters denn doch nicht. Doch ganz gleich, ob sich die eigene Familie, also Vater, Mutter und Bruder, oder Assistenzkräfte wie Physiotherapeut Hugo Gravil oder Fitnesscoach Jez Green angesprochen fühlen durften – Fakt ist: In Zverevs Kosmos passt gerade nicht mehr viel zusammen.

Tot auf dem Platz

„Ich bin auf den Platz gegangen und war komplett tot“, gab er nach dem Berrettini-Aus zu Protokoll. „Ich musste hier andere Dinge machen. So kannst du eigentlich nicht auf den Platz gehen.“ Es war eine Anspielung auf werbliche Termine, sonstige Verpflichtungen, die ihm anscheinend niemand vom Leib halten konnte. Seit sich Zverev in einem Rechtsstreit mit dem langjährigen Manager Patricio Apey befindet, ist er quasi auch sein eigener Geschäftsbesorger. Jüngst beklagte er schon, er hänge „stundenlang“ am Telefon rum, müsse sich „um alles Mögliche“ kümmern.

Ausgerechnet in der schwierigsten Saisonphase, der Sandplatzserie, in der er dickste Punktepolster behaupten muss, scheint Zverev nie wirklich den Kopf freizubekommen. „Er müsste den Laden jetzt mal komplett neu aufstellen, mit Leuten von außen, die ihn gut beraten“, sagt ein Freund Zverevs. In Rom erreichte die Krise von Deutschlands bestem Tennisprofi ihren Höhepunkt, weil sich der ATP-Profi inzwischen auf nichts mehr verlassen kann. Und weil die bisherige Sandplatzserie ohnehin eine An­einanderreihung von Fehlschlägen und persönlichen Problemen war.

Trennung von Freundin Olga

Zverev hatte sich von Freundin Olga getrennt, Vater Alexander war wegen gesundheitlicher Schwächen nicht im Reisetross, Berater Ivan Lendl fehlte auch, da er den europäischen Frühling wegen einer Pollenallergie meidet. Hinzu kam das Trennungstheater um Manager Apey, ein erstaunlicher Vorgang, vermutete man doch, dass Zverev und der Chilene ein Herz und eine Seele seien.

Weit gefehlt. Zverev war über weite Strecken sein eigener Trainer, Berater und Manager. Im vergangenen Jahr hatte er mit Rafael Nadal noch die Sandplatzsaison beherrscht. Bei nahezu jedem Turnier spielte er in der heißen Schlussphase mit. Nun blieb er nur ein unglücklicher Nebendarsteller. „Erst mal fasse ich den Schläger ein paar Tage nicht an. Ich habe gerade keine Lust, Tennis zu spielen“, sagte er nach dem Scheitern in Rom.

Ein Turnier auf Sand muss Zverev noch überstehen, nichts weniger als die French Open. Auch dort hat er als Viertelfinalist von 2018 viele Punkte zu verteidigen. Aber wird in Paris alles besser? „Ich habe meine Hoffnungen für die French Open“, sagt Zverev. Aber worin die genau bestehen, ließ er offen.