Hamburg. Innenverteidigung, Mittelfeld und Angriff – die Hamburger Hockey-Nationalspielerin kann jede Position ausfüllen.

Die Floskel, dort zu spielen, wo einen der Trainer aufstellt, hat es sportartenübergreifend zu einiger Berühmtheit gebracht. Diesen Satz nicht nur daherzusagen, sondern ihn auch tatsächlich auf jeder Position mit Leistung zu untermauern, ist eine Kunst. Lena Micheel eine Künstlerin zu nennen, ist deshalb kaum vermessen, denn die Hockey-Nationalspielerin in Diensten des Bundesliga-Tabellenführers Uhlenhorster HC, der am Osterwochenende im Europapokal in Amsterdam gefordert ist (siehe Infokasten rechts), beweist in dieser Feldsaison ihr Talent als Allzweckwaffe.

Im Verein hat sich die 20-Jährige, die im Sommer 2016 vom TuS Lichterfelde aus ihrer Geburtsstadt Berlin nach Hamburg kam, von der Innenverteidigung ins Mittelfeld vorgearbeitet. In der Nationalmannschaft wird sie im Sturm aufgeboten. Ihre Leistung bringt sie immer, auch wenn sie selbst davon gar nicht so überzeugt ist. „Ich habe auf jeder Position Stärken, aber auch Schwächen. Diese Vielseitigkeit ist nicht immer einfach, sich daran zu gewöhnen ist ein Prozess, der noch immer andauert“, sagt die Jurastudentin, die angibt, im Alltag kein spontaner Mensch zu sein. „Ich bin jemand, der einen Plan braucht, bin in vielen Dingen eher verkopft“, sagt sie.

Ruhe am Ball

Die verschiedenen Anforderungen, die teilweise sogar während eines laufenden Spiels an sie gestellt werden, wenn UHC-Chefcoach Claas Henkel sie zwischen Innenverteidigung und Mittelfeld hin- und herschiebt, erfüllt sie mittlerweile jedoch beeindruckend sicher. Im Training nicht zu wissen, auf welcher Position sie am Wochenende benötigt wird, erfordere zwar Flexibilität, „aber mir macht es nichts aus, auch im Training durch die verschiedenen Mannschaftsteile zu rotieren“, sagt sie.

In der Innenverteidigung kommt ihr die Ruhe am Ball, gepaart mit guter Passsicherheit, zugute. Im Mittelfeld profitiert sie von ihrer Schnelligkeit, die besonders im Umschaltspiel und beim Initiieren von Konterangriffen wichtig ist. Im Angriff helfen der aktuell drittbesten UHC-Schützin ein starker Schlag und ein guter Torriecher weiter. Außerdem sei es dort ein großer Vorteil, selbst Erfahrungen als Abwehrspielerin gemacht zu haben. „Dadurch­ kann ich mich in die Gegnerin hineinversetzen und manchmal vorausahnen, was sie machen wird“, sagt sie.

Noch keine Lieblingsposition

Eine Lieblingsposition hat Lena Micheel, deren Mutter selbst Hockey spielte und auch Schwester Julia (18), Zweitligaspielerin in Lichterfelde, von dem Sport begeisterte, noch nicht für sich entdeckt. In der Jugend spielte sie im Mittelfeld, bis in der deutschen U-16-Auswahl der damalige Coach Aditya Pasarakonda die Eingebung hatte, sie als freie Innenverteidigerin aufzubieten. „Mir machen alle Positionen Spaß. Manchmal denke ich darüber nach, ob ich mich nicht doch bald festlegen sollte, aber ich glaube, dass die Vielseitigkeit meine große Stärke ist“, sagt sie.

Eine Stärke, die ihr den Weg nach Tokio ebnen soll. 2020 finden dort die Olympischen Spiele statt, und natürlich hofft Lena Micheel, die in Fuhlsbüttel lebt, auf eine Nominierung. Im März 2018 debütierte sie im A-Kader, in dieser Saison zählt sie zum Stammaufgebot für die neu gegründete Pro League. Starke Leistungen im Verein, das weiß sie, sind die Grundlage für einen Olympiastart, umso wichtiger sei ein gutes Abschneiden beim Europapokal und bei der Final-Four-Endrunde um die deutsche Meisterschaft in Krefeld (18./19. Mai). „Wir wollen alles gewinnen, was möglich ist, und ich glaube, dass wir ein Team haben, das dafür stark genug ist“, sagt Lena Micheel – und beweist damit, dass sie nicht nur Floskeln beherrscht, sondern auch die klaren Ansagen.