Nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel braucht der Verband nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern auch eine neue Struktur.

Frankfurt/Main. Die Mitarbeiter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kamen am Morgen im Nieselregen zur Arbeit, der Betrieb in der Frankfurter Zentrale ging auch nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel wie gewohnt weiter. Wie die Zukunft aussieht beim aus dem Fahrwasser geratenen Dachverband, wussten am Mittwoch aber die Wenigsten. Der DFB braucht nicht nur einen neuen Präsidenten – er muss sich gänzlich neu erfinden.

"Wir müssen einen ganz anderen Weg gehen", sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch, der den Verband zusammen mit DFL-Präsident Reinhard Rauball bis zum DFB-Bundestag im September kommissarisch leiten wird, in der ARD-Sportschau: "Wir müssen uns überlegen, warum jetzt mehrere Präsidenten hintereinander vorzeitig ihr Amt aufgeben musste. Das muss anders werden."

Vor Grindel hatten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger aufgeben müssen. Dass Grindel zurücktreten musste, lag nicht allein an der Luxusuhr, die der 57-Jährige offenbar blauäugig angenommen hatte. Das Amt an sich war für den früheren Bundestagsabgeordneten mindestens eine Nummer zu groß, vor allem in Verbindung mit den internationalen Verpflichtungen bei der Fifa und Uefa. Das Jobprofil muss dringend umgeschrieben werden.

DFB plant eine Strukturreform

"Wir müssen darangehen, all diese Modernisierungsansätze, die wir seit Monaten diskutieren, umzusetzen", sagte Koch: "Ich hoffe, dass das mehr in den Fokus rückt. Wir werden im September einen neuen Präsidenten wählen. Den werden wir ausgucken, wenn wir wissen, wie die neuen Strukturen aussehen."

Spekuliert wird über eine grundsätzliche Strukturreform mit einer Geschäftsführung und einem Aufsichtsrat, dem dann der neue DFB-Präsident vorsteht. Die derzeitige Form des eigentlich 17-köpfigen DFB-Präsidiums scheint längst nicht mehr zeitgemäß. Unter anderem auch, weil nur eine Frau vertreten ist. Außer Frage steht, dass der neue DFB-Boss ein hauptamtlicher sein sollte.

Die verschiedenen Geschäftsbereiche hatte der DFB bereits zum Jahreswechsel 2017/18 modernisiert. Generalsekretär Friedrich Curtius steht an der Spitze von vier Direktionen, von denen die bedeutendste von Oliver Bierhoff verantwortet wird. Der EM-Held von 1996 leitet die Sektion "Nationalmannschaften und Akademie", in der seit Monaten akribisch am sportlichen Wiederaufstieg "zurück an die Weltspitze" gearbeitet wird.

Diese Kandidaten könnten Grindel beerben

Bierhoff (50) und Curtius (43) gehören deshalb naturgemäß zu den bereits gehandelten Kandidaten für die Wahl am 27. September. Auffällig oft wird auch der Name von Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder (38) genannt, der derzeit als Experte beim TV-Sender Sky einen guten Job macht und beim Bundesligisten Schalke 04 als Sportchef im Gespräch ist.

Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm (35) hatte zwar noch am Montag erklärt, als Kandidat nicht zur Verfügung zu stehen - das war allerdings vor Grindels Rücktritt. Ex-DFB-Sportdirektor Matthias Sammer (51), Ex-Nationalspielerin Celia Sasic (30), die eine bedeutende Rolle bei der Vergabe der EM 2024 nach Deutschland gespielt hatte, und auch Niersbach dürften zum erweiterten Kreis gehören. Thomas Hitzlsperger, der ebenfalls als Nachfolger Grindels ins Spiel gebracht wurde, erteilte den Spekulationen am Mittwoch eine Absage.

"Ich habe meine Aufgabe als Sportvorstand beim VfB Stuttgart gerade erst angetreten. Es ist für mich keine Option, eine andere Position außerhalb des VfB anzustreben", sagte Hitzlsperger über ein mögliches DFB-Engagement. © dpa | Marijan Murat

Christian Seifert (49), enorm erfolgreicher Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), käme wohl nur infrage, sollte die Strukturreform beide Dachorganisationen verschmelzen lassen. Die beiden Interimschefs Koch (60) und Rauball (72) wollen nicht antreten, Rauball zieht sich im Sommer zudem als DFL-Präsident zurück.

"Wir beschäftigen uns noch nicht mit Namen", sagte Koch: "Ganz sicher nicht in den nächsten Tagen und Wochen" werde ein Kandidat vorgeschlagen. Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Weichenstellung sei, "dass Profi- Und Amateurfußball viel enger zusammenrücken", sagte der Vize-Präsident: "Wir müssen einen gemeinsamen Kandidaten außerhalb des Präsidiums finden, der von allen Seiten respektiert wird."