Hamburg. Der neu ausgeschriebene Titel wird im Juli beim Herrenturnier am Rothenbaum erstmals ausgespielt. Viele Fragen sind noch offen.

Der Ort der Verkündung war mit Bedacht gewählt. „Dass diese Pressekonferenz hier stattfindet, unterstreicht die Bedeutung, die wir dem Event beimessen“, sagte Andy Grote, Senator für Inneres und Sport, als er am Montagmittag die neuen Veranstalter des Tennisturniers am Rothenbaum im Rathaus begrüßte. Die Familie Reichel – Turnierdirektorin Sandra (47) und ihr Vater Peter-Michael (66) –, die im Herbst 2017 mit ihrer Agentur Matchmaker vom Lizenzinhaber Deutscher Tennis-Bund (DTB) zunächst bis 2023 das Recht zur Ausrichtung des seit 1892 ausgetragenen Traditionsturniers erhalten hatten, will den Rothenbaum in eine sichere, moderne Zukunft führen.

Die Stadt honoriert das nicht nur mit der Geste, die Österreicher im Rathaus zu empfangen, sondern auch mit einer Anschubfinanzierung, die deutlich höher ist als die 100.000 Euro, die Reichel-Vorgänger Michael Stich als jährlichen Zuschuss erhielt. „Wir sind froh, dass die neuen Ausrichter den Anspruch haben, aus dem Turnier mehr zu machen, als es in der Vergangenheit war, deshalb engagieren wir uns stärker“, erklärte Grote die Großzügigkeit der Stadt.

Diese liegt auch darin begründet, dass der Hamburger Sportmäzen Alexander Otto acht Millionen Euro für die Instandsetzung und Modernisierung der Anlage zwischen Haller- und Hansastraße zur Verfügung stellt. Insgesamt zehn Millionen Euro kosten die Baumaßnahmen, die 2020 abgeschlossen werden sollen. „Dadurch ist der Standort Rothenbaum langfristig gesichert“, sagte DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard.

Auch Nicht-Europäer kann Titel gewinnen

Dass sie eine Menge an Ideen haben, um das Turnier aufzuwerten, daran ließen die Reichels am Montag keinen Zweifel. Wie diese konkret umgesetzt werden sollen, blieb allerdings weitgehend unklar. Die einzige Veränderung, die bereits feststeht: Erstmals wird in diesem Jahr vom 20. bis 28. Juli in Hamburg der Europameistertitel ausgespielt, den es bislang nur im Junioren- und Seniorenbereich gab. Der Europaverband Tennis Europe (TE) verspricht sich davon einen Bekanntheitsschub. Die Veranstalter hoffen auf Subventionen der EU, die Initiativen zur Stärkung europä­ischer Standorte fördert, und auf die Zusage namhafter Spieler, die den Premierentitel gewinnen möchten.

Turniermodus und Preisgeld bleiben unverändert; da es sich um offene Europameisterschaften handelt, kann auch ein Nicht-Europäer den Titel gewinnen. Ein cleverer Schachzug ist die zusätzliche Austragung einer U-21-EM für Damen und Herren, bei der nur die jeweils besten Talente der 50 TE-Mitgliedernationen startberechtigt sind. Dieses Turnier wird in der Woche vor dem Herrenevent ausgetragen – die Finals am Rothenbaum, der Rest an einem noch unbestimmten Ort – und soll helfen, die Stars von morgen an Hamburg zu binden.

Wie schwierig es ist, das in den Stich-Jahren seit 2009 ständig kritisierte Teilnehmerfeld zu verbessern, haben die besonders im Damentennis weltweit gut vernetzten Reichels längst verstanden. Der Termin auf Sandplatz, kurz nach Wimbledon und vor der US-Hartplatzsaison, bringt die Stars der Branche nur nach Hamburg, wenn hohe Startgelder gezahlt werden. Einen Titelsponsor oder, was sie bevorzugen würden, mehrere Hauptsponsoren haben die neuen Veranstalter noch nicht gewinnen können.

Wer wird das Zugpferd am Rothenbaum?

Ein sportliches Zugpferd, wie im vergangenen Jahr den aktuellen Weltranglistenachten Dominic Thiem (25/Österreich), gibt es ebenso noch nicht wie einen Markenbotschafter oder einen TV-Partner (zuletzt Eurosport). Die Hoffnung der Reichels ist, dass öffentlich-rechtliche Sender an der EM-Aufwertung Interesse zeigen. „Wir sind auf allen diesen Feldern in Gesprächen und arbeiten an Lösungen. Das Ziel ist eine breite Basis an Sponsoren und Botschaftern und im Fernsehen eine gute Mischung aus öffentlich-rechtlichen und Spartensendern“, sagte Peter-Michael Reichel.

Kommentar: Eine charmante Idee

DTB-Sportdirektor Eberhard sagte, der als Botschafter gehandelte Boris Becker werde in seiner Funktion als Head of Men’s Tennis im DTB ins Turnier eingebunden. Allerdings wird auch Becker Lokalmatador Alexander Zverev (21), der in den vergangenen beiden Jahren nicht auf Sand antreten wollte, kaum zu einem Sinneswandel animieren können.

Damenturnier soll nach Hamburg kommen

An der Planung, 2020 ein zusätzliches Damenturnier nach Hamburg zu holen, will Sandra Reichel festhalten. Dass beim WTA-Event in Nürnberg, das sie seit 2013 ausrichtet, nach dieser Saison der Namenssponsor aussteigt, sei allerdings kein Garant dafür, diese Lizenz nach Hamburg zu verlagern. Das Vorhaben, den freien Eintritt zu den Nebenplätzen, den Stich 2010 eingeführt hatte, durch ein zehn Euro teures Ground Ticket zu ersetzen, wird umgesetzt.

„Wir sehen es als Abwertung des Turniers an, wenn Spiele kostenlos besucht werden können. Außerdem planen wir ein umfangreiches Entertainmentprogramm auf der Anlage, das sein Geld wert ist“, sagte Sandra Reichel. Das Legendenmatch, das Stich zum Auftakt des Turniers gespielt hatte, soll durch ein Eröffnungsevent ersetzt werden. Anfang April soll es weitere Informationen geben.