Köln/Wuppertal . Die früheren Bundesligisten Wattenscheid 09 und Wuppertaler SV stehen vor dem finanziellen Kollaps. Marek Lesniak “blutet das Herz“.

Ein Loch von 260.000 Euro klafft im Etat, eine Zehn-Jahres-Dauerkarte zum Preis von 1019,54 Euro für Vollzahler sowie eine lebenslange Mitgliedschaft für 1954 Euro sollen den nächsten Traditionsverein, der verzweifelt die Regionalliga hinter sich lassen wollte, vor dem wirtschaftlichen Knock-out retten. Der Wuppertaler SV hat am Dienstagabend seine Karten auf den Tisch gelegt – die Lage ist ernst, doch noch lebt der ehemalige Bundesligist und frühere Europacupteilnehmer.

Aber: Mit Blick auf das Insolvenzrecht steht der WSV aus dem Oberbergischen unter einem "enormen Zeitdruck", wie der Club selbst in einer Stellungnahme bekannte. Ein unerwartet geringer Zuschauerzuspruch sowie Korrekturbuchungen für die laufende Saison, die Begleichung von Altlasten sowie ein "finanziell und zeitlich zu ambitioniertem Konzept" haben den Verein in die Bredouille gebracht.

Lesniak blutet wegen drohendem Aus das Herz

Der WSV ist nicht allein. Denn nicht viel anders ergeht es 40 Kilometer nördlich der SG Wattenscheid 09, einst in der Bundesliga ein kleiner Angstgegner des großen FC Bayern. Eine Spendenkampagne ist der verzweifelte Versuch, den einst mit Steilmann-Millionen aufgepumpten Club am Leben zu halten. Die angestrebten 350.000 Euro bis zum Stichtag 14. Januar jedoch werden kaum zu erreichen sein: Am Dienstag waren 115.000 Euro zusammengekommen.

"Mein Herz blutet", sagt Wattenscheids Sturm-Legende Marek Lesniak (54). "Ein Teil meiner Fußballgeschichte geht verloren. Es ist traurig." Zwar hofft der Pole, der von 1992 bis 1994 18 Bundesliga-Tore für die SG erzielte, noch auf ein Wunder. "Aber zuversichtlich bin ich nicht."

Wie auch? Trotz der Aussicht, für 75 Euro die Pressekonferenz zu besuchen, für 100 Euro am Training teilzunehmen oder für 20.000 Euro Namenspate des Stadions zu werden, haben sich nicht genügend Spender gefunden. "Es wäre das Beste, wenn Wattenscheid als Farmteam von Schalke 04 weiterleben würde", sagte der langjährige 09-Trainer Hannes Bongartz der Tageszeitung Die Welt.

Wattenscheid wollte eigentlich in die Bundesliga

Wattenscheid, Wuppertal und andere Regionalligisten wie Alemannia Aachen (zwei Insolvenzen) oder Viktoria Berlin verbindet, dass hochtrabende Pläne krachend gescheitert sind. Wuppertal hat sich mit dem Konzept "WSV 2020" verzockt und weit über seine Verhältnisse gelebt. Der Verein teilte mit, er müsse jetzt "dringend sparen", angeblich soll allen Spielern die Freigabe erteilt worden sein. So war es bereits beim abgeschlagenen Liga-Schlusslicht TV Herkenrath.

Im Bochumer Westen hatte 2017 ein Investor getönt: "Wattenscheid 09 wird auf absehbare Zeit wieder in der Bundesliga spielen." Monate später kam es zur Trennung, das juristische Nachspiel läuft. Der Vorstandsvorsitzende Oguzhan Can hat laut eigener Aussage eine Million Euro investiert, er will nun ein "Zeichen" des Umfelds sehen.

Im März 2017 hatten sich die Sportfreunde Siegen aus finanziellen Gründen zurückgezogen. Viktoria Berlin träumte in der Regionalliga Nordost von Millionen aus China – und landete ebenfalls in der Insolvenz. Wie im Norden der VfB Lübeck. Dreimal.

Westdeutscher Verband findet Regionalliga attraktiv

Fast alle wollten durch ein Nadelöhr in die 3. Liga aufsteigen. Doch die ist ohnehin ein Sorgenkind, sie steht im Ruf, eine Insolvenzliga zu sein. In den vergangenen zwei Jahren erwischte es im Osten Rot-Weiß Erfurt und den Chemnitzer FC, im Süden den VfR Aalen, zudem den FSV Frankfurt.

Der Westdeutsche Fußballverband sieht eine Klasse tiefer jedenfalls kein strukturelles Problem. "Die Regionalliga West ist eine hochattraktive Spielklasse und bietet viele Möglichkeiten", sagte WDFV-Präsident Hermann Korfmacher dem SID. Die Vereine seien in der Pflicht, diese "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" zu nutzen. Die Erfahrung zeige, dass "sich manche Vereine bei der Zuschauerkalkulation irren".

So bleibt die letzte Hoffnung manchmal ein prominenter Name. Wie in Wattenscheid. Leroy Sane, deutscher Nationalspieler, ist der Sohn des einstigen 09-Stürmers Souleymane Sane. Sein Geld oder auch nur seine riesige Reichweite in den Sozialen Netzwerken könnten helfen. Doch bisher tut sich nichts.