Regionalligist Wattenscheid plant auf spektakuläre Art und Weise die Rückkehr in den Profifußball.

Wattenscheid. Eigentlich ist das triste Mittelfeld der Fußball-Regionalliga West so etwas wie das Wohnzimmer der SG Wattenscheid. Eigentlich sind die finanziellen Mittel des früheren Bundesligisten traditionell arg begrenzt. Und eigentlich, so könnte man meinen, sollten sich die eigenen Ansprüche im Bochumer Westen in Grenzen halten. Eigentlich...

Denn die Wattenscheider Realität ist seit wenigen Tagen eine andere: „Ziel ist nichts Geringeres als der digitalisierteste Verein Europas zu werden“, sagt Oguzhan Can, Vorsitzender des Aufsichtsrats der SG. Gemeinsam mit dem Hamburger Startup „Haalo Technology“ plant der Viertligist die mittelfristige Rückkehr in den Profifußball. Haalo-Chef Peter Jaeger ist sicher: „Die SG Wattenscheid 09 wird auf absehbare Zeit wieder in der Bundesliga spielen.“

Mit Bitcoins in die Bundesliga?

Dieser sehr ambitionierte Weg ist nicht nur lang, sondern im Fall der Wattenscheider komplizierter denn je. Die Kooperation mit dem hanseatischen Unternehmen soll der SG in den ersten drei Jahren fünf Millionen Euro einbringen. Voraussetzung dafür ist eine auf einer Kryptowährung, die nach ihrem Start Ende Juli 25 Millionen Euro einspielen muss. Anderenfalls fließt kein Geld und die Investoren bekommen ihr Geld zurück.

„Viele Fans und Mitglieder verstehen vielleicht noch nicht alles, was wir vorhaben. Aber sie sagen, wir glauben an das Thema und unterstützen das“, sagt Haalo-Geschäftsführer Jaeger. Ob seine Pläne so reibungslos aufgehen wie am vergangenen Montag den Mitgliedern präsentiert, bleibt das große Rätsel.

Für Haalo ist Wattenscheid ein Entwicklungshelfer. Der Verein ist am Startup beteiligt. Haalo wiederum erhält in Wattenscheid die Möglichkeit, die eigenen, noch nicht ausgereiften Technologien an einem Praxisbeispiel weiterzuentwickeln. Dazu zählen vor allem verschiedene, auf einer künstlichen Intelligenz basierende Datenanalysen, die das Spiel, Training und Scouting in Wattenscheid auf eine neue Ebene heben sollen.

Bei Wattenscheid wird alles digital

Neben diesen sportlichen Aspekten soll bei der SG praktisch alles digitalisiert werden: der Austausch mit Fans, das Stadionerlebnis, ja sogar die angeblich „beste Stadionwurst Deutschlands“. Mit Hilfe des neuen Haalo-Scoutingstools sollen „die Stars von morgen“ (Jaeger) entdeckt werden, eine Wattenscheid-App soll Wartezeiten an der Wurstbude reduzieren und lästige Bestellprozesse von Tickets sowie Papierkram für Fans vereinfachen.

Jaeger will seine Technologien in am liebsten an die ganz großen Klubs verkaufen. Verschiedene Bundesliga-Vereine hätten zumindest Interesse signalisiert. Mit den Erfahrungswerten aus Wattenscheid will der CEO sich und seine Dienstleistungen ins Schaufenster der gesamten Fußball-Welt stellen.

Wattenscheid betrachtet Weg alternativlos

Und Wattenscheid? Das hatte nach Angaben von Aufsichtsratsmitglied Christof Wieschemann keine Alternative, als innovativ und außergewöhnlich zu denken. „Wir müssen den Verein weiterentwickeln. Wir haben weniger Ressourcen als die anderen Wettbewerber. Daher war es klar, dass wir einen Weg suchen müssen, damit intelligenter und effizienter umzugehen“, sagt Wieschemann.

Dazu gehört auch die Gründung eines E-Sport-Teams, das in Wattenscheid „Weltklasse-Bedingungen“ vorfinden werde. Auch in den Bau eines Campus mit einer Fläche von 5000 Quadratmetern soll mit Hilfe der restlichen 20 Millionen investiert werden, um einen Ort des „kreativen Austausches für Fußball-, E-Sports und Tech-Talente sowie Jungunternehmer aus der Region“ zu schaffen. Was alles schön und nett klingt, muss die Realitätsprüfung noch antreten.

Das Wichtigste bleibt für den finanziell klammen Klub zunächst das schnelle Geld. Trainer Farat Toku wurde unabhängig von den Investitionen Haalos für die kommende Saison bereits ein höherer Etat für seinen Spielerkader zugesichert.