Hamburg. Emily Bölk will heute mit den Handballfrauen in die EM-Hauptrunde einziehen. Sie spricht über die Lehren aus der Heim-WM.

Die körperlichen Folgen der 24:29-Niederlage gegen Rumänien ließ Emily Bölk am Dienstagmorgen physiotherapeutisch behandeln. Mental, sagt die Rückraumspielerin, die im Sommer vom Buxtehuder SV zum Topclub Thüringer HC gewechselt war, habe der Rückschlag vom Montagabend keinerlei Schäden hinterlassen. „Wir haben den Hauptrundeneinzug in der eigenen Hand und werden voll auf Sieg spielen“, sagt die 20-Jährige vor dem abschließenden EM-Vorrundenspiel der deutschen Handballerinnen an diesem Mittwoch (18 Uhr/Eurosport) im bretonischen Brest gegen Tschechien. Ein Punkt würde zum Erreichen des Minimalziels genügen.

Frau Bölk, erst der 33:32-Überraschungscoup zum EM-Auftakt gegen Norwegen, dann der schwache Auftritt gegen Rumänien. Warum ist Ihr Team eine Wundertüte?

Emily Bölk: Ob wir uns durch die vielen vergebenen Chancen zum Spielbeginn haben verunsichern lassen oder ob es einfach kein guter Tag war, kann ich nicht sagen. Klar ist aber, dass wir ein sehr junges Team sind. Einige machen bei dieser EM ihre ersten Länderspiele. Da ist es normal, dass es Leistungsschwankungen geben kann.

Verwunderlich ist es trotzdem, dass innerhalb von zwei Tagen zwei so unterschied­liche Spiele herauskommen.

Bölk: Es mag sein, dass Norwegen uns ein wenig unterschätzt hat. Aber spätestens seit Sonnabend hat uns hier jeder auf der Rechnung. Rumänien ist zudem ein starkes Team, gegen das man verlieren kann. Hätte uns jemand vorher gesagt, dass wir nach den ersten beiden Spielen zwei Punkte haben würden, hätten wir sofort eingeschlagen. Dennoch wissen wir auch, dass wir es uns gegen Rumänien mit unserer Hektik selbst verbaut haben. Das Spiel ist aber mittlerweile abgehakt. Wir haben gegen Norwegen bewiesen, zu was wir fähig sind, und daran wollen wir gegen Tschechien anknüpfen.

Tschechien hat bislang genauso sprunghaft gespielt wie Ihr Team – 28:31 gegen Rumänien, aber 17:31 gegen Norwegen. Spielt es Ihnen in die Karten, dass deren Topspielerin Iveta Luzumova ebenfalls beim Thüringer HC spielt und Sie deshalb genau wissen, wie sie zu stoppen ist?

Bölk: Ich weiß nicht, ob das ein Vorteil ist, denn selbst im Training ist Iveta kaum zu stoppen, die wackelt uns da gern mal aus. Tschechien hat auch noch andere gute Spielerinnen. Wir werden gut auf alle vorbereitet sein.

Bei der Heim-WM vor einem Jahr ist die deutsche Mannschaft, so schien es, auch am hohen Erwartungsdruck gescheitert. Was haben Sie und das Team aus dem Achtelfinalaus mitgenommen, was Ihnen jetzt hilft, besser mit Druck umzugehen?

Bölk: Hauptsächlich die Erfahrung, wie es ist, solche Situationen durchzustehen. Grundsätzlich aber spielt diese Heim-WM für uns keine Rolle mehr. Wir haben viele Spielerinnen im Kader, die vor einem Jahr noch nicht dabei waren, außerdem haben wir einen neuen Bundestrainer. Wir bauen uns jetzt etwas Neues auf, und dieser frische Wind ist ganz deutlich zu spüren.

Was hat sich unter dem neuen Chefcoach Henk Groener signifikant verändert?

Bölk: Henk setzt sehr stark auf Eigeninitia­tive. Er erwartet von uns, dass wir mit Freude an unsere Aufgaben herangehen und Druck, ob von außen oder von innen, nicht so negativ auf uns einwirken lassen. Außerdem achtet er darauf, dass der Teamgedanke gelebt wird. Das konnte man daran sehen, wie sehr wir nach dem verletzungsbedingten Ausfall unserer Kapitänin Kim Naidzinavicius zusammengerückt sind.

Mit Ihrem Wechsel nach Thüringen wollten Sie einen wichtigen Entwicklungsschritt in Ihrer Karriere machen. Haben Sie das Etikett des Toptalents, das seit Jahren an Ihnen haftet, damit abgelegt?

Bölk: Ich konnte damit noch nie viel anfangen. Talent ist eine wichtige Voraussetzung, aber wer als Talent nicht hart arbeitet, wird scheitern. Ich glaube aber, dass jemand, der sein drittes großes Turnier und im fünften Jahr Bundesliga spielt, nicht mehr unbedingt als Talent bezeichnet werden muss.

Sind Sie mittlerweile also die Führungsspielerin, die viele in Ihnen vor Jahren schon erkannt haben?

Bölk: Im Verein auf jeden Fall, da kann ich in entscheidenden Phasen Führung übernehmen. In der Nationalmannschaft versuche ich das ebenfalls. Aber letztlich geht alles nur über das Team.

Was war für Sie der wichtigste Entwicklungsschritt, den Sie mit dem Abschied aus Buxtehude genommen haben?

Bölk: Dass ich mit dem THC in der Champions League spielen kann. Dauerhaft auf höchstem Niveau gefordert zu werden ist eine Erfahrung, die sehr wichtig für mich ist, und die auch auf die Nationalmannschaft abstrahlt. Charakterlich habe ich mich nicht verändert. Ich bin mehr auf mich gestellt, aber selbstständig war ich auch vorher schon.

Wie oft sind Sie noch in Buxtehude?

Bölk: Zu selten. Während der laufenden Saison habe ich es noch nicht geschafft. An Weihnachten bin ich zu Hause, aber am 25. Dezember muss ich schon wieder zum Training zurück sein. Meine Eltern sehe ich aber einmal im Monat.

Ihre Mutter Andrea wurde exakt heute vor 25 Jahren in Oslo Weltmeisterin. Ist das für Sie ein Stück Extramotivation für das Spiel gegen Tschechien?

Bölk: Ich habe das tatsächlich erst gestern erfahren, ich weiß nicht mal, ob Mama das Datum draufhat. Aber natürlich wäre es eine tolle Sache, zu diesem Jubiläum in die Hauptrunde einzuziehen.