Neu Delhi. Sie trainiert in Schwerin unter Leitung einer ehemaligen Hamburger Universum-Größe. Jetzt gelang Ornella Wahner Historisches.

Wie es eben so ist im Leistungssport, der kaum Pausen kennt, blickte Ornella Wahner im Moment ihres größten Triumphs bereits in die Zukunft. "Jetzt will ich auch in Tokio eine Medaille", sagte die 25 Jahre alte Federgewichtlerin, nachdem ihr bei der WM der olympischen Boxerinnen in Neu Delhi (Indien) Historisches gelungen war. Erstmals in der Geschichte der seit 2001 ausgetragenen Welttitelkämpfe der Frauen konnte der Deutsche Boxsport-Verband (DBV) über eine Goldmedaille jubeln. In der Klasse bis 57 Kilogramm besiegte die für Tabea Halle an der Saale startende Wahner, die unter Michael Timm am Bundesstützpunkt Schwerin trainiert, Lokalmatadorin Sonia Chahal (21) mit 4:1 Richterstimmen.

Frenetischer Applaus für weinende Wahner

Federgewichtlerin Ornella Wahner startet für Halle an der Saale.
Federgewichtlerin Ornella Wahner startet für Halle an der Saale. © Imago/VIADATA

Mit einer extrem offensiven Taktik ließ Wahner ihrer Gegnerin keine Luft zum Atmen – und erhielt dafür bei der Siegerehrung, bei der sie in Tränen ausbrach, frenetischen Applaus des Publikums. "Ich kann noch gar nicht fassen, etwas geschafft zu haben, was in Deutschland noch niemand vor mir geschafft hat", sagte sie. Bei den Männern war der heutige Mittelgewichtsprofi Jack Culcay (33/Berlin) 2009 letzter deutscher Weltmeister. Zur besten DBV-Bilanz bei einer Frauen-WM steuerte auch Nadine Apetz (32/Köln) bei, die im Weltergewicht (bis 69 kg) wie schon vor zwei Jahren in Kasachstan Bronze gewann.

Wahner schafft sich Ruhepausen vom Sport

Timm (57), der schon in seiner Zeit im Hamburger Universum-Profistall große Erfolge als Frauencoach errungen hatte, hob insbesondere die Willensstärke seiner Athletin hervor, die 2011 als U-19-Weltmeisterin erstmals für Aufsehen gesorgt hatte. "Ornella ist bei allen internationalen Wettkämpfen im Erwachsenenbereich immer denkbar knapp in der Qualifikation gescheitert. Sie hat dennoch nie aufgegeben, sondern noch härter gearbeitet“, sagte er. Durch ein BWL-Studium in Wismar habe die 164 Zentimeter große Athletin sich nötige Ruhephasen vom Sport geschaffen, die ihrer persönlichen Entwicklung zuträglich seien. „Außerdem haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren das Training umgestellt, mehr auf Athletik und höhere Umfänge gesetzt. Das hat sich nun ausgezahlt.“

Mögliche Favoritin bei Olympia 2020

Mit ihrer Leistung habe Wahner nun nicht nur das Vertrauen des DBV bestätigt, sondern sich in die Favoritenrolle für die Olympischen Sommerspiele 2020 in Japan hineingekämpft. Für diese muss sie sich allerdings 2019 erst qualifizieren. Daran wollte vor dem Rückflug am Sonntag in die Heimat allerdings niemand denken. "Wir werden auf dem Flug ordentlich feiern“, sagte die neue Weltmeisterin.