Schwerin. Der ehemalige Profibox-Weltmeister hat sich ein eigenes Gym gebaut. Seine aktive Karriere setzt er am 15. Dezember in Hamburg fort.

Die schwarze Sporthose, die Jürgen Brähmer trägt, während er auf dem Laufband seine Kilometer abspult, ist das Einzige, was in die Vergangenheit weist an diesem Ort, der Aufbruchstimmung verbreiten soll. Der Schriftzug von Brähmers letztem Arbeitgeber „Sauerland Event“ ist auf dem einen Bein der kurzen Hose aufgeflockt. Man trennte sich im Streit, nachdem der Boxer Brähmer wegen einer Erkrankung im Frühjahr aus der Muhammad-Ali-Trophy gestrichen wurde und der Trainer Brähmer im Juli, als sein Schützling Tyron Zeuge seinen WM-Titel im Supermittelgewicht an den Briten Rocky Fielding verlor, so fulminant gegen den Promoter wütete, dass gegenseitige juristische Vorwürfe folgten.

Abgehakt sei das alles, sagt der 40-Jährige, als er an diesem neblig-kalten Novembermorgen den Besuch aus Hamburg empfängt. Weil Brähmer ein praktisch denkender Mensch ist und die Hose noch fast neu, steht für ihn außer Frage, sie nicht auch weiterhin zu tragen. „Ich will nach vorn schauen, es gibt im Boxen viel zu tun“, sagt er, und wer Brähmers neues Reich betritt, der glaubt, dass der Schweriner, der zwischen 1999 und 2012 für den Hamburger Universum-Stall kämpfte, es ernst damit meint, die Zukunft seines Lieblingssports aktiv mitgestalten zu wollen.

Alles aus Eigenmitteln finanziert

Am Medeweger See, eine zehnminütige Autofahrt vom Zentrum der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns entfernt, hat sich der ehemalige Weltmeister im Halbschwergewicht einen Traum verwirklicht. Auf dem drei Hektar großen Gelände eines ehemaligen Wasserwerks, das 15 Jahre brach lag, ehe Brähmer es im vergangenen Jahr den Stadtwerken abkaufte, ist ein Trainingsgym entstanden, das Brähmer in Eigenregie betreibt.

Außenansicht des ehemaligen Wasserwerks am Medeweger See, in dem Jürgen Brähmer sein neues Gym eingerichtet hat.
Außenansicht des ehemaligen Wasserwerks am Medeweger See, in dem Jürgen Brähmer sein neues Gym eingerichtet hat. © HA | Michael Rauhe

Einen siebenstelligen Betrag hat er in seinen Traum investiert – den Kaufpreis nicht eingeschlossen. „Alles aus Eigenmitteln finanziert, wir sind belastungsfrei“, sagt er. Tatsächlich hat der Mecklenburger seine im Boxring verdienten Millionen schon immer clever angelegt, im Immobilienbereich ist er genauso versiert wie im Einkauf. Möbel für sein neues Gym wie Umkleidebänke oder rote Plüschsessel ersteigerte er im Internet aus alten Beständen von Sportvereinen oder Bundesämtern. „Und die Pläne für den Umbau habe ich, von der Statik abgesehen, alle selbst gemacht“, sagt er.

Brähmer glaubt an gute Zukunft seines Sports

Auf 800 Quadratmetern hat sich der zweifache Vater, der mit seiner Familie nur 1,5 Kilometer Luftlinie vom neuen Gym entfernt lebt, nach seinen Vorstellungen eingerichtet. Der Hauptraum mit dem Flachring, in dem auch Laufbänder und andere Fitnessgeräte stehen, besticht durch die hohe Fensterfront, durch die viel Tageslicht einfällt. Die Wände sind nur verputzt und an manchen Stellen von einem Freund, der Kunst studiert hat, mit Graffitis verziert worden. Im Nebenraum stehen weitere Kraftmaschinen. An der Spiegelwand kleben bunte Bilder von Prinzessinnen und Einhörnern. „Für Tyron, damit er sich wohlfühlt“, sagt Brähmer. Die Ironie war schon immer seine gute Freundin.

Jürgen Brähmer glaubt an eine gute Zukunft seines Sports, der aktuell in Deutschland eine tiefe Krise durchleidet. Eigentlich war vorgesehen, dass er nach seiner aktiven Karriere Sportdirektor bei Sauerland wird und mit Seeblick die besten Talente des Stalls trainiert. Nun jedoch arbeitet er mit Zeuge (26), der nach seiner Trennung von Sauerland kürzlich beim neu gegründeten Berliner Agon-Stall unterschrieb, und einigen olympischen Boxern vom Bundesstützpunkt Schwerin.

Prinzessin an der Spiegelwand – Brähmers Seitenhieb auf Tyron Zeuge.
Prinzessin an der Spiegelwand – Brähmers Seitenhieb auf Tyron Zeuge. © HA | Michael Rauhe

Zwar sei alles schwerer geworden, „früher blieben von 100 Talenten zehn hängen, heute sind es noch zehn Talente, davon eins in die Spitze zu bringen ist schon eine riesige Leistung“, sagt er. Trotzdem gebe es guten Nachwuchs. Mit einem offenen Sparring am 18. Januar hofft er, den nächsten Superstar aus seiner Region selber zu entdecken. Aber wenn es nichts mehr werden sollte mit dem Profiboxen hierzulande, dann könne er sein Gym jedes Wochenende für Managerboxen vermieten. Wohnungen oder Gewerbe- und Büroräume könnte er ebenfalls bauen. „Anfragen gibt es schon jetzt viele“, sagt er.

Es soll auch Gästezimmer geben

Gästezimmer, in denen auch Boxer wohnen können, entstehen gerade. Einen großen Bürobereich gibt es bereits, ebenso wie eine Wohnküche mit hochmodernem Kaffeeautomaten. Zum festen Team gehören Athletiktrainer Sebastian Förster und Alexander Klimowicz, der für die sozialen Medien den Fortschritt im Kosmos Brähmer in Videos festhält. Der Chef setzt auf Spezialisierung, er vertraut Experten auf Feldern, von denen er nicht viel versteht.

Seine aktive Karriere, die seit dem Sieg gegen den US-Amerikaner Rob Brant im Viertelfinale der Ali-Trophy im Oktober 2017 ruht, will Jürgen Brähmer noch nicht als abgeschlossen akzeptieren. Am 15. Dezember ist in der Sporthalle Hamburg beim Dinner-Boxen des Hamburger Profistalls EC Boxing ein Aufbaukampf über acht Runden geplant, 2019 will er gegen Europameister Robin Krasniqi vom Magdeburger SES-Team antreten, dessen Pflichtherausforderer er ist. „Und dann will ich noch einen großen Kampf machen, gern auch im Ausland“, sagt er. Die Vergangenheit lässt sich eben doch nicht so leicht abstreifen wie eine Sporthose.