Köln/Berlin. Bei einer Trainingskontrolle fielen verbotene Substanzen auf. Es ist nur der letzte von vielen Skandalen um den Schwergewichtler.

Jetzt taucht auch noch Doping auf der langen Skandalliste des Schwergewichts-Weltmeisters Manuel Charr auf – und das könnte für seine Boxkarriere tatsächlich den K.-o.-Schlag bedeuten. Die Titelverteidigung des WBA-Champions am 29. September in Köln gegen Pflichtherausforderer Fres Oquendo (Puerto Rico) ist geplatzt, weil Charr bei einer Trainingskontrolle in der A-Probe zwei verbotene Substanzen nachgewiesen wurden.

„Ich bin von der Nachricht total geschockt und weine nur noch“, sagte der 33-Jährige dem „Express“. Der Wahlkölner beteuerte auch bei seinem Haussender Sky, der den Titelkampf übertragen sollte und nun auf den Kosten sitzen bleibt, seine Unschuld: „Ich bin fassungslos. Ich schwöre, dass ich nichts eingenommen habe. Natürlich habe ich in der Vorbereitung Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, aber nie etwas Verbotenes.“

Nach übereinstimmenden Medienberichten soll es sich bei den nachgewiesenen Substanzen um Epitrenbolon und Drostanolon handeln. Vorgenommen hatte die Kontrolle die Voluntary Anti Doping Association (VADA). „Das sind beides Anabolika. Das ist absolutes Hardcore-Doping. Bei Boxern steht dabei die Steigerung der Muskelkraft im Vordergrund“, sagte Doping-Experte Fritz Sörgel der „Bild“-Zeitung.

Nach dem WM-Sieg hatte Charr gelogen

„Leider kann ich keine Erklärung dafür liefern“, sagte Charr. Und dann versuchte er es doch: „Ich gehe jeden Tag in verschiedenen Restaurants essen. Vielleicht ist da etwas passiert, wovon ich nichts wusste.“ Charr kündigte an, die B-Probe öffnen zu lassen. Sein Management sprach in einer ersten Stellungnahme aber nur von der „Möglichkeit“, dies zu tun: „Promoter und Management sind schockiert und können sich nicht erklären, wie es zur positiven A-Probe kommen konnte.“

Charr hatte schon bei seinem Titelgewinn im November vor einem Jahr gegen den Russen Alexander Ustinow für Aufregung gesorgt, als er sich als erster deutscher Schwergewichtsweltmeister seit Max Schmeling feiern ließ und versicherte, im Besitz eines deutschen Passes zu sein. Dies stellte sich jedoch als Lüge heraus. Der Antrag des Syrers liegt auch wegen seiner nicht ganz gesetzestreuen Vorgeschichte auf Eis. „Was zählt, ist, dass ich mich vom Herzen her als Deutscher fühle“, sagt er.

Die deutschen Boxfans schlossen Charr dennoch ins Herz, weil der „Koloss von Köln“ eine schier unglaubliche Lebensgeschichte zu bieten hat. Er wuchs in Beirut (Libanon) in sehr einfachen Verhältnissen mit sieben Geschwistern auf. Als er zwei Jahre alt war, wurde sein Vater im Bürgerkrieg getötet. 1989 floh die Familie in eine Asylbewerber-Siedlung im Essener Stadtteil Katernberg.

Comeback mit künstlichen Hüftgelenken

Nach einer Schlägerei 2006, bei der ein Mann mit einem Messer schwer verletzt wurde, wurde Charr wegen des Verdachts des versuchten Totschlags angeklagt. Doch das Gericht sprach ihn aus Mangel an Beweisen frei. Seinen Platz im Sauerland-Boxstall verlor er dennoch. Trotzdem durfte der Schwergewichtler im Jahr 2012 auf die große Boxbühne, als er im WM-Kampf gegen Witali Klitschko in Moskau verlor – als letzter Gegner in der Karriere des Ukrainers.

Im September 2015 wurde Charr in einer Imbissbude in Essen angeschossen. Dann bekam er zwei neue Hüftgelenke eingesetzt, mit denen gelang ihm ein fast unglaubliches Comeback im Boxring. Doch jetzt droht ihm die Aberkennung des Weltmeistertitels und eine Sperre von bis zu einem Jahr. Und damit vielleicht das Ende seiner Karriere.