Steinberg. Coach Henrik Rödl spricht vor dem Supercup in Hamburg mit dem Abendblatt über die deutschen Basketballtalente.

In einem Hotel mitten im Wald, rund 20 Kilometer vom niedersächsischen Vechta entfernt, betritt ein überdurchschnittlich großer Mann den Speisesaal. Die Körpersprache von Henrik Rödl (49; 2,01 Meter) signalisiert: Der Mann hat ein Ziel. Es geht um das Erreichen der Basketball-Weltmeisterschaft 2019 in China. Zuvor bereitet der Bundestrainer sein Team beim Supercup an diesem Wochenende in Hamburg auf die nächsten Qualifikationsspiele am 13. September in Estland und 16. September in Leipzig gegen Israel vor. Die Nationalmannschaft geht mit sechs Siegen aus sechs Spielen in die entscheidende Qualifikationsrunde. Ein Gespräch über Sieger-DNA, das Miteinander von Talenten und Stars und WM-Chancen.

Herr Rödl, warum bereiten Sie sich in Vechta vor und nicht am Spielort Hamburg?

Henrik Rödl: Die Bedingungen in Vechta sind einfach optimal und sehr modern. Hier können wir ungestört trainieren und uns auf die anstehenden Spiele vorbereiten. In Hamburg hätten wir ein solches Umfeld nicht vorfinden können. Da nehmen wir auch die halbe Stunde Fahrt vom Hotel zur Trainingshalle gerne in Kauf.

Ihr Kader ist derzeit sehr gut besetzt. Wie zuversichtlich sind Sie?

Rödl: Wir haben so viele Talente wie lange nicht mehr, und wir sind in der Breite so gut wie noch nie aufgestellt. Wenn die jungen Spieler sich weiterentwickeln, ihr Potenzial ausschöpfen und als Team noch stärker zusammenwachsen, muss man sich keine Sorgen um die Zukunft des deutschen Basketballs machen. Einen Grund zum Feiern gibt es allerdings erst, wenn wir uns für die Weltmeisterschaft qualifiziert haben.

Wie wichtig ist der Supercup?

Rödl: Es ist toll, gegen Weltklassespieler wie zum Beispiel Cedi Osman von den Cleveland Cavaliers aufseiten der Türkei zu testen. Wir versuchen hier möglichst viel Selbstvertrauen zu sammeln.

Sie selbst waren mit der Nationalmannschaft sehr erfolgreich, konnten 1993 EM-Gold und 2002 WM-Bronze gewinnen. Was können Sie aus dieser Zeit als Sieger-DNA an Ihre Spieler weitergeben?

Rödl: Alle Erfahrungen die ich als Spieler gemacht habe, beeinflussen jetzt mein Coaching und meinen Glauben an das, was meiner Meinung nach Erfolg bringt. In beiden Mannschaften herrschte damals eine ganz besondere Atmosphäre, die ich nun natürlich auch auf mein Team übertragen möchte.

Was heißt das für die WM 2019 in China, so denn die Qualifikation gelingt?

Rödl: Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Natürlich müssen wir Schritt für Schritt gehen. Wie weit es geht, hängt auch vom Momentum und dem Zusammenhalt des Teams ab. Ich bin guter Dinge. Wir sind auf einem guten Weg.

Wie ist der Vorbereitungszustand Ihres Teams? Die alte Saison ist ja lange vorbei.

Rödl: Es ist das erste Mal, dass wir eine längere Vorbereitungsphase haben, in der wir gut arbeiten können. Wir wollen den VTG Supercup als Generalprobe nutzen, um dann mit voller Leistungsstärke in die Qualifikationsspiele gegen Estland und Israel gehen zu können. Und die wollen wir natürlich gewinnen.

Einige Bundesligaclubs haben Kritik daran geübt, dass die Spiele in die Vorbereitungszeit auf die neue Saison fallen. Wie gehen Sie damit um?

Rödl: Eigentlich ist es nichts Neues, dass die Nationalmannschaft im Spätsommer einige Spiele bestreitet. Das war in den vergangenen Jahren auch schon so. Wie man jetzt dazu steht, muss jeder selbst wissen.

Welche Rolle spielen die norddeutschen Nationalspieler in Ihrem System?

Rödl: Isaiah Hartenstein von den Houston Rockets ist nicht mit dabei, da er in diesem Jahr in seine erste Saison in der nordamerikanischen Profiliga NBA gehen wird. Er hat aber vergangenes Jahr eine sehr gute Europameisterschaft gespielt und wird in den kommenden Jahren sicher eine große Rolle spielen. Daniel Theis von den Boston Celtics ist natürlich auch ein wichtiger Faktor. Er laboriert aber immer noch an einer Verletzung und ist im Aufbautraining. Auf dem Parkett stehen wird aber auf jeden Fall Ismet Akpinar ...

... der Hamburger, der inzwischen für Ratiopharm Ulm spielt ...

Rödl: Genau. Für ihn ist es bestimmt etwas ganz Besonderes, vor Freunden und Familie im heimischen Wohnzimmer anzutreten.

Mit Dennis Schröder haben Sie einen NBA-Star im Team. Wie wichtig ist er?

Rödl: Dennis ist unser Vorzeigespieler. Die Qualität, die die anderen Spieler um ihn herum einbringen, macht ihn noch besser. Er ist auf jeden Fall der erklärte Anführer der Truppe.

Aus Hamburger Sicht ist auch interessant, wie weit Towers-Eigengewächs Louis Olinde noch von der Nationalmannschaft entfernt ist. Hat er eine Perspektive?

Rödl: Louis ist ein sehr talentierter junger Mann, den ich noch aus meiner Zeit als Jugendtrainer kenne. Er hat europäische Klasse und ist jemand, der in Zukunft sicher gute Chancen hat, in den Nationalkader aufzurücken.

Verfolgen Sie die Entwicklung der Hamburg Towers in der 2. Bundesliga?

Rödl: Die Verpflichtung von Mike Taylor als Cheftrainer ist ein klares Signal, dass man wieder angreifen möchte. Ich schätze ihn sehr, habe Vertrauen in seine Coachingfähigkeiten. Die Chancen auf den Aufstieg in die Bundesliga sind hoch. Das gesamte Projekt finde ich bemerkenswert. Was Marvin Willoughby als Sportchef und Geschäftsführer der Towers aufgebaut hat, ist extrem positiv und zu unterstützen. Auch abseits des Basketballfeldes.