Hamburg. Michael Stich zieht nach zehn Jahren als Turnierdirektor emotional Bilanz. Boris Becker könnte ihm nachfolgen.

Sollte jemand bezweifelt haben, dass Michael Stichs Herz am Rothenbaum hängt: Mit seiner Abschiedsrede zerstreute der scheidende Turnierdirektor am Sonntagnachmittag jeglichen Zweifel. Mehrfach erstickten Tränen seine Stimme, als er sich nach dem Einzelfinale der German Open bei seinem Team, aber vor allem bei den Fans für deren Treue bedankte. „Ich wünsche mir so sehr, dass dieses Turnier weiterlebt, auch wenn wir es nicht mehr veranstalten dürfen“, sagte er, bevor er zu den Klängen von Andreas Bouranis „Ein Hoch auf uns“ um 17.56 Uhr zum vielleicht letzten Mal den Centre-Court verließ.

Stich und sein Team waren 2009 angetreten, um das Turnier, das seinen Mastersstatus verloren hatte, in Hamburg zu halten. Zwei Dinge seien ihm besonders wichtig, sagte der 49-Jährige. „Zuvorderst die Resonanz der Fans, deren Begeisterung riesig ist. Für sie haben wir die ganze Arbeit gemacht“, sagte er.

In diesem Jahr kamen trotz der extremen Hitze, die zu täglich rund zehn Hilfeleistungen (Höchstwert 28 am Freitag) führte, 64.200 Besucher auf die Anlage (Vorjahr 62.300). Aber auch die Verbundenheit zu den Geschäftspartnern hob Stich hervor. „Wir haben in den zehn Jahren so viele Partnerschaften aufgebaut, dass wir mit diesem Team dem Tennis verbunden bleiben wollen“, sagte er.

Rothenbaum-Anlage muss saniert werden

Detaillierte Pläne, in welcher Form das passieren könnte, gibt es aber noch keine. Christoph Holstein zeigte sich durchaus kooperationsbereit. „Wir wollen im Gespräch bleiben, das würde uns allen gut tun“, sagte der Sportstaatsrat, der Stich im Namen der Stadt in herzlichen Worten dankte. „Sie haben das Turnier zu dem gemacht, was es jetzt ist, und haben außerdem als Botschafter für Hamburg und das Tennis in aller Welt sehr viel geleistet“, sagte er unter lautem Applaus.

Auch wenn man es ihm nicht ansieht, Bassilaschwili freute sich über seinen Sieg gegen den zweimaligen Rothenbaum-Champion Mayer
Auch wenn man es ihm nicht ansieht, Bassilaschwili freute sich über seinen Sieg gegen den zweimaligen Rothenbaum-Champion Mayer © REUTERS | FABIAN BIMMER

Zur Zukunft des Turniers wollte sich Stich nicht äußern. Wünsche oder Ratschläge an seinen Nachfolger, den Österreicher Peter-Michael Reichel (65), habe er keine. Die Notwendigkeit der Sanierung des Centre-Courts wurde am Sonnabend deutlich, als das Halbfinale zwischen dem Chilenen Nicolas Jarry und dem Georgier Nikolos Bassilaschwili wegen des Gewitterregens für 2:20 Stunden unterbrochen werden musste, da das mobile Dach wegen eines defekten Steuerelements nicht geschlossen werden konnte.

„Das Dach wurde regelmäßig gewartet und täglich getestet, am Freitag war es kaputt und konnte nicht zeitnah repariert werden. Dafür kann niemand etwas. Aber das zeigt, dass ein Dach in Hamburg unerlässlich ist“, sagte Stich.

Wie geht es weiter am Rothenbaum?

Seit Jahren ist das Problem des maroden Dachs bekannt, der vertragsgemäß für die Instandhaltung zuständige Deutsche Tennis-Bund (DTB) war zunächst zu klamm, dieser nachzukommen. Zuletzt gab es, nachdem der DTB Stich im September 2017 ausgebootet und Reichel das Recht zur Ausrichtung zugesprochen hatte, nur noch Funkstille zwischen beiden Parteien.

Am Sonntag ließ sich DTB-Präsident Ulrich Klaus immerhin zu einer schriftlichen Danksagung ein. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Turnier positiv entwickelt, dafür danke ich im Namen des DTB Michael Stich und seinem Team“, sagte er. In Zukunft wolle man als Verband mehr Einfluss nehmen – was einer der Hauptgründe für Stichs Demission war. Der zweite war Reichels Ankündigung, ein Damenturnier nach Hamburg zu holen. Diese Überlegungen gibt es weiterhin.

Welche Pläne er hat, darüber will der vor allem auf der Damentour WTA bestens vernetzte Reichel im Herbst die Öffentlichkeit informieren. Fakt ist, dass der Rothenbaum im ATP-Kalender 2019 vom 20. bis 28. Juli als Sandplatzveranstaltung eingetragen ist. Eine angedachte temporäre Änderung des Belags hin zum Hartplatz droht am Veto der US-Turnierveranstalter zu scheitern, die das Vorrecht auf Hartplatzturniere nach Wimbledon haben.

Steht Becker in den Stratlöchern?

Zudem ist unsicher, ob die kostspielige Umrüstung mit dem Ziel, Alexander Zverev (21) zu einer Rückkehr in seine Heimatstadt zu bewegen, tatsächlich zu einer Aufwertung des Teilnehmerfelds führen würde. „Ich glaube, dass eine Änderung sowohl des Termins als auch des Belags extrem unwahrscheinlich ist und nichts bringen würde. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass das Turnier in seiner aktuellen Form ist“, sagte Stich, der sich in diesem Jahr über das beste Teilnehmerfeld seiner Ära, angeführt vom österreichischen Weltranglistenachten Dominic Thiem (24), freuen konnte.

Boris Becker könnte auf Michael Stich als Turnierdirektor folgen
Boris Becker könnte auf Michael Stich als Turnierdirektor folgen © dpa | Ina Fassbender

Ausverkauft war der Centre-Court dennoch nur am Sonntag vor Turnierstart, als sich Stich und US-Altmeister John McEnroe (59) im Legendenmatch duellierten. Ob es etwas in dieser Form auch von 2019 an geben wird, ist noch ungeklärt. Allerdings könnte Stichs Job als Turnierdirektor von einem ebenso prominenten Gesicht des deutschen Tennis übernommen werden: Boris Becker. Der 50-Jährige, aktuell als Head of Men’s Tennis im DTB beschäftigt, gilt als heißer Nachfolgekandidat. „Ich würde wetten, dass Becker Turnierdirektor wird“, sagte ein hochrangiges DTB-Mitglied dem Abendblatt.