Hamburg. Der frühere Box-Promoter wurde jetzt in den USA für sein Lebenswerk geehrt. Gespräch über sein Erfolgsgeheimnis – und den HSV.

Vor zehn Jahren erhielt Klaus-Peter Kohl den Ehrenpreis der Hamburger Sportgala. Anfang Juni wurde er nun in Canastota (US-Bundesstaat New York) in die International Hall of Fame des Boxsports aufgenommen. Gewürdigt wurden so die Verdienste des 74 Jahre alten Kaufmanns, das Profiboxen von Hamburg aus in die Weltspitze geführt zu haben.

Mit seinem 1984 gegründeten Universum-Stall organisierte der Großgastronom weltweit beachtete Kampfabende, seine Stars waren Regina Halmich, Dariusz Michalczewski und die Klitschko-Brüder Vitali und Wladimir. Seit dem Verkauf des Unternehmens 2011 hat sich der Vater einer Tochter und zweifache Großvater aus dem Sport zurückgezogen und auch keine Interviews mehr gegeben. Für das Abendblatt machte er die einzige Ausnahme.

Herr Kohl, Sie werden im kommenden Jahr 75. Was wünschen Sie sich außer Gesundheit?

Klaus-Peter Kohl: Dass ich 105 Jahre alt werde. Ich habe kürzlich darüber nachgedacht, was ich vom Leben noch erwarte. Und dann habe ich mir einen Plan für die nächsten 30 Jahre gemacht. Ohne Plan erreicht man nichts.

Und was steht in dem Plan?

Kohl: Nur, dass ich 105 werden will. Das muss reichen.

An ein Leben als Rentner denken Sie offenbar nicht. Gerade haben Sie mit Ihrem Schwiegersohn die geschäftliche Alleinleitung der Hofbräuhäuser in Hamburg und Berlin übernommen. Warum tun Sie sich das noch an?

Kohl: Weil ich mir einen Lebensabend als Rentner nie vorstellen konnte. Ich brauche Beschäftigung. Vor vielen Jahren, als es modern war, sich früh zur Ruhe zu setzen, bin ich mal für ein Vierteljahr ausgestiegen, wollte im Süden das Leben genießen. Aber das war nichts für mich. Geschäftlich bin ich weiterhin offen für alles. Aber ich teile mir meine Zeit ganz anders ein, setze die Prioritäten mehr bei der Familie, bin für mehrere Wochen im Jahr im Urlaub und dann auch nicht erreichbar. Ich sage immer: Ich arbeite nicht, ich beschäftige mich.

Sie haben Sympathien für den HSV, kennen sich mit guten Geschäften aus, sind Urhamburger. Warum kaufen Sie nicht Herrn Kühne seine Anteile ab und führen den HSV zum Erfolg?

Kohl: Tatsächlich war ich bei einigen Spielen in den vergangenen Jahren; der Abstieg, der sich lange angedeutet hat, hat auch mich bewegt. Es gab auch mehrfach Kontakt zum Verein. Aber ich habe in anderen Sportarten nicht das Hintergrundwissen wie im Boxen. Und ich maße mir niemals an, Dinge zu tun, die ich nicht richtig kann.

Liegt es nicht auch daran, dass beim HSV zu viele mitreden? Das kann einem, der es gewohnt ist, das Steuer in der Hand zu halten, nicht gefallen.

Kohl: Ich kann durchaus in einem Team arbeiten, wenn es klare Absprachen und Abgrenzungen gibt. Nein, es liegt vor allem daran, dass ich auch an mich denken muss. Ich hatte einige gesundheitliche Probleme zu überstehen. Jetzt ist die Zeit, in der ich tun und lassen kann, was ich möchte. Und ich möchte nur noch mein Leben genießen.

Aus gesundheitlichen Gründen mussten Sie auch einen wichtigen Termin in den USA absagen ...

Kohl:... entsprechend traurig war ich. Ich hatte ehrlich gesagt nicht mehr damit gerechnet, in die Hall of Fame aufgenommen zu werden. Vitali Klitschko, der ebenfalls in diesem Jahr aufgenommen wurde, rief mich an, wir hatten die Nachricht zeitgleich erfahren. Es ist eine große Ehre, Teil eines solch elitären Kreises zu sein, zumal ich ja nie als Profi geboxt habe.

Sie haben sich 2011, nach dem Verkauf von Universum, aus dem Sport zurückgezogen. Verfolgen Sie das Boxen noch? Schauen Sie am Sonnabend die Titelverteidigung des deutschen Weltmeisters Tyron Zeuge an?

Kohl: Ich schaue kaum noch. Ich werde zwar immer noch häufig angerufen, aber für mich ist es vorbei. Wenn man ein Geschäft richtig machen will, geht es nur ganz oder gar nicht. Und um es ganz zu machen, fehlen mir Lust und Kraft. Die vielen Reisen, um auf der ganzen Welt mit Promotern und Verbänden über große Kämpfe zu verhandeln, schlauchen. Das muss ich nicht mehr haben.

Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge?

Kohl: Zunächst einmal hat es mich viel Geld gekostet, wie jedes Hobby. Und Boxen war anfangs mein Hobby. Mit dem ersten Kampfabend 1984 habe ich ein sechsstelliges Minus gemacht. Aber ich wusste, was möglich war in Deutschland, und mein Ehrgeiz war groß, es zu beweisen. Einmal habe ich in der Neujahrsnacht für Vitali Klitschko einen Kampfvertrag ausgehandelt. Außer Heiligabend, der für Geschäftliches tabu war, gab es nie eine Pause. Aber wenn man dann gewinnt, entschädigt das für vieles.

Was hat Sie das Boxen gelehrt?

Kohl: Erfolg ist machbar, wenn man es richtig anpackt und auch das nötige Glück hat. Aber es war weder das Wichtigste noch das Erfolgreichste, was ich in meinem Berufsleben gemacht habe.

Sie gelten als Erfolgsmensch, haben auch mit Projekten in der Spielautomatenbranche und in der Gastronomie viel Geld verdient. Woher kommt dieses Streben?

Kohl: Schon als Kind beim Spielen war ich immer der Anführer. Ich kann Kontakte herstellen und habe zum Glück eine ganz gute Nase für Geschäfte. Von 100 Leuten, die das Gleiche machen, werden drei sehr erfolgreich. Dazu gehört natürlich auch Glück, und die Bereitschaft, ins Risiko zu gehen. Ich habe einige Sachen gemacht, wo ich mich später gefragt habe, wie mir das passieren konnte.

Was war Ihr größtes Scheitern?

Kohl: Scheitern ist der falsche Begriff. Fehler gehören dazu, sie sind Erfahrungen, aus denen man lernt, besser zu werden. Entscheidend ist, dass man nie anfängt zu fliegen. Bodenhaftung und Sinn für die Realität sind wichtig.

Das ist nie leicht, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Sie wollten das nie, im Boxen mussten Sie es. Ist es das, was Ihnen am schwersten fiel?

Kohl: Tatsächlich habe ich immer lieber im Hintergrund gearbeitet. Auch im Boxen habe ich nie Dinge verkündet, bis nicht die Tinte unterm Vertrag getrocknet war. Die Öffentlichkeit liegt mir nicht, ich brauche sie auch nicht. Es gab nie eine private Story über mich in den Medien, obwohl es reichlich Anfragen gab. Aber es stimmt, für das Boxen war eine gewisse Öffentlichkeit notwendig, um etwas zu bewegen, auch wenn ich mich damit immer schwergetan habe.

Sind Sie froh, dass Sie nicht in Zeiten der sozialen Medien im Boxen groß wurden, in denen jeder Freiwild für Angriffe ist?

Kohl: Nein, denn ich glaube, dass man mit den sozialen Medien gut leben kann, wenn man richtig damit umgeht. Ich bin nicht bei Facebook, ich twittere nicht. Ich habe 3000 Kontakte im Telefon, muss aber nicht alles von jedem wissen. Wer das richtig dosiert und seine eigene Wichtigkeit anständig einschätzt, muss sich vor sozialen Medien nicht fürchten. Wer Dinge herausfordert, wird dafür bestraft.

Ihre Erfolgsbesessenheit hat Sie zu einem Menschen gemacht, der oft als hart und unerbittlich wahrgenommen wurde. Hat Sie das getroffen?

Kohl: Nein, denn ich habe gelernt, nie zurückzuschauen. Manche mag es irritieren, dass ich für Fehler nie um Entschuldigung bitte. Aber wenn etwas Vergangenheit ist, dann ist es abgeschlossen, weil ich es nicht mehr ändern kann. Ich kann nur daraus lernen und versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Ich sehe das nicht als Härte an, sondern als Geradlinigkeit. Ich habe immer meine Meinung gesagt und zu jeder Entscheidung gestanden, auch wenn sie falsch war. Wichtig ist, dass ich überall, wo ich war, wieder hinkommen kann, ohne dass jemand sauer ist. Deshalb schreibe ich auch kein Buch, obwohl es einige Anfragen gab und es ein Knaller werden würde. Ich möchte öffentlich keine schmutzige Wäsche waschen.

Haben Sie Freunde aus der Zeit im Boxen, die immer noch da sind?

Kohl: Echte Freunde habe ich nur zwei. Aber es sind aus dem Boxen durchaus Freundschaften bestehen geblieben, die ich heute noch pflege. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als aus anderen Geschäftszweigen. Ich merke sehr schnell, wer es ernst meint und wer nicht, da bin ich feinfühlig.

Ex-Spitzensportlerin Regina
Halmich mit Box-Promoter
Klaus-Peter Kohl
Ex-Spitzensportlerin Regina Halmich mit Box-Promoter Klaus-Peter Kohl © picture alliance

Ihre Gesundheit hat mehrfach gelitten. 1997 lagen Sie nach einem schweren Verkehrsunfall neun Tage im Koma, hatten das Becken vierfach und weitere 22 Knochen gebrochen. Haben Sie danach bewusst versucht, Ihr ‚zweites Leben‘ noch intensiver zu gestalten?

Kohl: Nein, auch den Unfall habe ich schnell abgehakt. Ich bin sofort nach der Genesung wieder an derselben Stelle vorbeigefahren, damit sich das nicht zu einem Psychotrauma entwickeln konnte. Zwei Jahre später habe ich denselben Unfall noch einmal erlebt, aber ich saß in dem Auto hinter dem, das den Unfall hatte. Daran sieht man, wie eng Glück und Pech beieinanderliegen. Ich beschäftige mich nicht mit Belastungen, rede auch nicht über Krankheiten. Wer gewinnen will, muss Negatives abhaken können.

Viele Boxer haben Ihnen vorgehalten, dass Sie sich den größten Gewinn immer selbst eingesteckt haben.

Kohl: Ich weiß. Und im Nachhinein sehen die meisten, wie toll die Zeit bei Universum war und dass sie nie wieder so viel Geld verdient haben wie mit meiner Hilfe. Ja, ich habe gut verdient. Aber ich habe auch viel investiert, und am Ende ging es den Sportlern und dem Sport gut.

Deutlich besser jedenfalls als heute, das ist Fakt. Tut es Ihnen weh zu sehen, dass das Boxen in Deutschland wieder auf dem Weg in die Schmuddelecke ist, aus der Ihr Dauerrivale Wilfried Sauerland und Sie es einst herausgeholt haben?

Kohl: Mir tut es weh, dass das Boxen nicht mehr so präsent ist und es nicht mehr viele große Kämpfe in Deutschland gibt. Ich bin zu lange raus aus dem Geschäft, um genau analysieren zu können, woran das liegt. Und ich bin auch keiner, der in das große Jammern einstimmt. Boxen ist weiterhin ein globaler Sport, einer von ganz wenigen. Und das Boxen ist in Deutschland auch nicht tot. Es ist vielleicht etwas eingeschlafen, aber man kann es wieder wecken.

Wie kann das gelingen?

Kohl: Es muss jemand kommen, der viel Herzblut und noch mehr Geld hat. Mit Mut und Risikobereitschaft lässt sich das Boxen immer wieder nach oben führen.

Warum tun Sie es nicht mehr?

Kohl: Sehen Sie, ich hätte 2011 weitermachen können, aber das Angebot der Fernsehsender war mir nicht gut genug. Ich wollte nicht aus der Champions League in die Zweite Liga absteigen. Mein Plan war, mit einem neuen TV-Vertrag einen richtigen Umbruch zu machen. Aber Qualität kostet Geld, und wenn das nicht da ist, geht es nicht. Also habe ich Schluss gemacht. Im Nachhinein hätte ich das schon 2009, anlässlich des 25. Jubiläums, tun sollen. Aber da hatte ich noch das Gefühl, in der Pflicht zu stehen.