Hamburg. Der ehemalige Daviscup-Teamchef traut auch weiteren deutschen Spielern beim kommenden Grand-Slam-Turnier eine Überraschung zu.

Die 14 Tage von Wimbledon sind auch für Patrik Kühnen das Tennis-Highlight des Jahres. „Darauf freue ich mich riesig, es gibt kein intensiveres Turnier“, sagt der 52-Jährige, der von 2003 bis 2012 Teamchef der deutschen Daviscupherren war und das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres (Start Montag) aus London als Experte für den Pay-TV-Sender Sky verfolgt, der exklusiv berichtet. Im Abendblatt analysiert Kühnen die Chancen der Deutschen und sagt, wer die Favoriten sind.

Deutsche Herren.Die Hoffnungen, die zweite Woche zu erreichen, ruhen auf Alexander Zverev (21), der an vier gesetzt ist. Der Hamburger hat einen enormen Reifeprozess hinter sich, spielerisch als auch menschlich. Zudem war er in der Sandplatzsaison stärker als erwartet. Zverev hat sich in der Weltspitze etabliert und wird von den anderen Spielern entsprechend wahrgenommen. Abzuwarten bleibt, inwieweit er seine Oberschenkelblessur von den French Open überstanden hat. Wenn er fit genug ist, um erneut mehrere Fünfsatzmatches zu absolvieren, zählt er zum Favoritenkreis. Dahinter sehe ich vor allem Maximilian Marterer (23/Nürnberg), der in den vergangenen Monaten einen großen Sprung gemacht hat, und Peter Gojowczyk (28/München), der auf Rasen, wo der Ball flach abspringt, sehr stark spielt. Und auch mit Mischa Zverev (30/Hamburg), einer der letzten Serve-and-Volley-Spieler auf der Tour, muss man auf Rasen rechnen. Beim Vorbereitungsturnier in Eastbourne gewann er im Halbfinale gegen den Kasachen Michail Kukuschkin 7:6 (11:9), 6:4.

Deutsche Damen. Auch wenn Angelique Kerber (30/Kiel) ihre beiden Grand-Slam-Titel auf Hartplatz gewonnen hat und sie am Freitag in Eastbourne im Halbfinale gegen die Dänin Caroline Wozniacki 6:2, 6:7 (4:7), 4:6 verlor, halte ich Rasen für ihren besten Belag. Nach der schwierigen Saison 2017 scheint sie körperlich und mental in sehr guter Form zu sein und wird, nachdem sie 2016 in Wimbledon im Finale stand, um den Titel mitspielen können. Beim Rest der deutschen Damen kommt es ein wenig aufs Losglück an. Julia Görges (29/Bad Oldesloe), nur zwei Positionen hinter Kerber an 13 gesetzt, und Tatjana Maria (30/Bad Saulgau), die kürzlich das Vorbereitungsturnier auf Mallorca gewann, halte ich für stark genug, die zweite Woche zu erreichen. Auch der wiedererstarkten Andrea Petkovic (30/Darmstadt) und der Hamburgerin Carina Witthöft (23), die auf Rasen immer gut spielt, traue ich einige Runden zu.

Internationale Favoriten. Bei den Herren sind das für mich Titelverteidiger Roger Federer (36/Schweiz), Dauerbrenner Rafael Nadal (32/Spanien) und der Kroate Marin Cilic (29). Der Vorjahresfinalist spielt sehr stabil. Außerdem gefällt mir Juan Martin Del Potro (29/Argentinien), der mit seiner raffinierten Spielanlage auf Rasen sehr interessant ist. Bei Novak Djokovic (31/Serbien) bleibt abzuwarten, ob er seine ansteigende Form über zwei Wochen konservieren kann. Der jungen Garde – Nick Kyrgios (23/Australien), Denis Shapovalov (19/Kanada), Karen Chatschanow (22/Russland), Stefanos Tsitsipas (19/Griechenland) – traue ich Überraschungen zu, aber noch nicht den Titel.
Bei den Damen kommen die ersten 15 der Welt als Siegerinnen infrage. Hervorzuheben sind Titelverteidigerin Garbine Muguruza (24/Spanien), die Weltranglistenerste Simona Halep (26/Rumänien), die Tschechinnen Karolina Pliskova (26) und Petra Kvitova (28) und aus den USA Serena (36) und Venus Williams (38), Sloane Stephens (25) und Madison Keys (23).