Hamburg. Zehn europäische Spitzenteams haben sich im Ultimate Frisbee im Stadtpark gemessen. Aber kaum jemanden interessiert es.

Mehr als 20 Meter fliegt das Frisbee durch die Luft. Malte Blanck hat es anvisiert. Er stößt sich vom Boden ab, hechtet nach der Scheibe und prallt mit der Hüfte auf dem Kunstrasenplatz auf. Seine Ellenbogen sind aufgeschürft. Doch der 26 Jahre alte Kapitän des Hamburger Teams „Hardfisch“ hält das Frisbee zwischen den Fingerspitzen fest. Kurz vor der Endzone hat Blanck den Angriff des Gegners erfolgreich gestoppt. Seine Mannschaftskollegen applaudieren ihm für die spektakuläre Flugeinlage.

Beim „Hamburg Rumble“ im Stadtpark haben sich am Sonnabend und Sonntag zehn europäische Spitzenteams im Ultimate Frisbee gemessen. Mit dem Freizeitvergnügen, das die meisten Menschen aus dem Park oder vom Strand kennen, hat die Randsportart herzlich wenig zu tun. Auf engem Raum passt sich das angreifende Team die 175-Gramm-Scheibe zu. Der Gegner deckt, blockt, fängt das Frisbee auf dem 100 Meter langen Spielfeld ab. Allein beim Anwurf wird es fast 60 Meter über den Platz geschleudert. Ziel des Spiels ist es, die Scheibe in der Endzone des Gegners zu fangen. Dafür gibt es einen Punkt. Wer zuerst 15 Punkte erzielt, gewinnt. Der Sport erinnert stark an American Football – nur ohne Körpereinsatz. Und was noch viel faszinierender ist: Ultimate Frisbee wird ohne Schiedsrichter gespielt.

Schiedsrichter braucht hier niemand

„Es gibt selten Diskussionen“, erzählt Benjamin Schwanke, Vorstandsvorsitzender des größten Hamburger Vereins „Fischbees“. „Es geht in erster Linie darum, Spaß zu haben und den Spirit zu leben.“ Dem „Spirit of the Game“ fühlen sich alle Spieler (sieben pro Team) verpflichtet. Der Fair-Play-Gedanke steht im Vordergrund und macht den Frisbee-Sport so besonders. Selbst Weltmeisterschaften werden ohne Schiedsrichter ausgetragen.

Als Malte Blanck seine Laufrichtung ändert, bleibt er mit dem Fuß im Boden hängen. Er sinkt auf den Rasen, hält sich das Knie vor Schmerz. Sowohl das gegnerische als auch das eigene Team kümmern sich sofort um ihn. „Neun Monate Pause habe ich gerade hinter mir“, klagt der Masterstudent des Bauingenieurwesens. Sein Knie ist angeschwollen. Erst vor einem Monat kehrte er nach einem Muskelfaserriss und einem Sehnenausriss im Daumen zurück ins Training.

2015 ist der gebürtige Hamburger mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister in Dubai geworden. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt er. Als er 15 Jahre alt war, entstand in der Schule der erste Kontakt zum Ultimate Frisbee. Die meisten Athleten lernen das Spiel erst beim Hochschulsport kennen.

Bereits in den 1960er-Jahren wurde Ultimate Frisbee von US-amerikanischen Studenten erfunden. Mittlerweile wird es in mehr als 40 Ländern von rund fünf Millionen Spielern betrieben. Der Amerika-Import genießt in Deutschland einen Szene-Status. Immerhin: Rund 4500 aktive Spieler sind in mehr als 110 Vereinen organisiert.

Nach dem Spiel herrscht Harmonie

Dass sich am Nischendasein vorerst nichts ändern wird, zeigte das geringe Zuschauerinteresse am „Hamburg Rumble“. Bis auf Familienmitglieder und Freunde verirrten sich nur vereinzelt Spaziergänger auf die Anlage des Football-Teams Hamburg Pioneers am Jahnring. „Vor fünf Jahren musste ich jedem erklären, was Ultimate Frisbee ist. Millerweile ist es bekannter“, sagt Nationalspieler Blanck. Seine Mannschaft ist am Ende Siebter geworden. Gewonnen hat das Turnier „Fluying Ultimate Junta“ aus Tschechien. Eine reine Randnotiz.

Nach jedem Spiel wird ein Kreis, der sogenannte „Spirit Circle“, mit dem Gegner gebildet. Die Spieler legen die Arme auf die Schultern, bedanken sich und sprechen über Entscheidungen während des Wettkampfs. Dann klatschen sie sich ab. „Auf dem Feld geht es zwar hart her“, sagt „Fischbees“-Vorsitzender Schwanke. „Aber danach herrscht Harmonie. Die Atmosphäre ist etwas Besonderes.“