Zürich/Frankfurt. IFAB entscheidet Sonnabend über Aufnahme des Videobeweises in die Fußballregeln. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die letzte Hoffnung der Videobeweis-Gegner verzieht sich gerade. Das eisige Wetter-Hoch Hartmut ließ das International Football Association Board zuletzt ein wenig zittern, ob es die vier britischen IFAB-Mitglieder pünktlich von der Insel zur entscheidenden Abstimmung am Sonnabend (ab 9.00 Uhr) nach Zürich schaffen - mit den steigenden Temperaturen zum Wochenende scheint der Revolution der Fußballregeln aber nichts mehr im Wege zu stehen.

"Die bisherigen Ergebnisse stimmen uns positiv für die Entscheidung", sagte IFAB-Geschäftsführer Lukas Brud am Donnerstag dem SID: "Diese obliegt aber allein der Generalversammlung. Es wird keine politische Entscheidung geben, sondern ausschließlich eine, die auf Fakten und Statistiken beruht." Sachliche Argumente gegen den "VAR" (Video Assistant Referee) gibt es aber kaum noch.

Abendblatt.de beantwortet die wichtigsten Fragen zur IFAB-Entscheidung:

Was passiert bei der Abstimmung?

Das International Football Association Board (IFAB) entscheidet am Sonnabend (ab 9.00 Uhr) über die Aufnahme des "VAR" (Video Assistant Referee) in die Fußballregeln. Dafür müssen mindestens sechs der acht IFAB-Mitglieder pro Videobeweis votieren. Jeweils eine Stimme haben die vier britischen Verbände (England, Wales, Schottland, Nordirland), vier der Weltverband Fifa. Möglich scheint auch noch ein Mittelweg - die Fortsetzung der Testphase, die unter anderem in der Bundesliga seit Saisonbeginn im "online"-Modus läuft.

Welche Auswirkungen hat die Entscheidung?

Verpflichtend ist die IFAB-Entscheidung nicht, der Videobeweis müsste nicht automatisch überall eingeführt werden. Über den Einsatz in den verschiedenen Wettbewerben entscheiden die jeweiligen Veranstalter. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat bereits angekündigt, die Technik bei einem positiven Votum weiterhin in der Bundesliga und vielleicht bald auch in der 2. Liga zu verwenden. "Wenn das IFAB den Videobeweis erlaubt, werden wir ihn in der kommenden Saison in der Bundesliga und vielleicht auch in der 2. Bundesliga einsetzen", sagte DFL-Chef Christian Seifert unlängst.

Der Einsatz des Videobeweises bei der WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) ist so gut wie sicher. Das Fifa-Council tagt am 15./16. März in Kolumbiens Hauptstadt Bogota, um den WM-Einsatz abzusegnen. In der Champions League hingegen scheinen die Schiedsrichter auf die Unterstützung warten zu müssen – Uefa-Präsident Aleksander Ceferin äußerste sich deutlich zurückhaltender als sein Fifa-Amtskollege Gianni Infantino.

"Wir werden das in der nächsten Saison auf keinen Fall machen", sagte Ceferin – sehr zum Unmut von Bayern Münchens Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. "Ich freue mich, dass die Fifa da etwas innovativer ist als die Uefa", sagte der 62-Jährige: "In der Vergangenheit war es ja oft andersherum. Ich bin überzeugt, dass das bei der Weltmeisterschaft ein wichtiges Zeichen und ein wichtiges Mittel ist. Dadurch werden die Schiedsrichter positiv unterstützt und die Entscheidungen laufen fairer und seriöser ab. Es macht das Spiel besser."

Wer ist für den Videobeweis?

Prominentester, weil einflussreichster Fürsprecher ist Fifa-Präsident Infantino. Vier IFAB-Stimmen für die Technik sind allein deshalb sicher. Auch Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert unterstützen das Hilfsmittel für die Schiedsrichter.

"Wir waren in der Lage, in dieser Saison 75 klare Fehlentscheidungen zu korrigieren", sagte Seifert Mitte Februar der britischen Times: "Wenn wir in der Lage sind, 75 klare Fehlentscheidungen zu vermeiden, die vielleicht den Unterschied machen im Abstiegskampf, in Spielen um die Champions League oder bei Trainerentlassungen, dann sollten wir den Videobeweis auch benutzen."

Zudem sprechen die Ergebnisse einer Studie der KU Leuven (Belgien) für den Videobeweis. Diese hatte den erhofften "maximalen Nutzen bei minimaler Störung" ergeben. In den 804 untersuchten Wettbewerbsspielen lag die Entscheidungsgenauigkeit bei 98,9 Prozent.

Wer ist dagegen?

Am lautesten protestieren die Fans, aber auch ehemalige Schiedsrichter. In der Bundesliga wetterten einige Macher in den vergangenen Monaten im Überschwang der Emotionen. Rudi Völler wähnte Referee Wolfgang Stark im Keller in Köln, wo die Videoassistenten bei Bundesliga-Spielen sitzen, „eingeschlafen“. HSV-Boss Heribert Bruchhagen polterte jüngst nach dem Gegentor in Bremen: „Was sind das für Leute, die da in Köln sitzen?“, entschuldigte sich aber einen Tag später für die Wortwahl.

Zwar hat sich die Lage in Deutschland nach den hitzigen Diskussionen in der Hinrunde beruhigt. Dafür geht die Debatte in England erst richtig los. Beim 6:1 von Tottenham Hotspur gegen den AFC Rochdale am Mittwoch im FA Cup führte die Technik zu fast absurden Szenen, die Fans tobten. Am Ende ist die Pro-und-Contra-Diskussion aber vor allem eine Glaubensfrage, wie viel Technik der Fußball verträgt.

Kann der Videobeweis schon bei der WM funktionieren?

In der Theorie natürlich ja - ein durch einen krassen Schiedsrichter-Fehler entschiedenes Finale will im Jahr 2018 niemand mehr sehen. Aber Zweifel sind angebracht. In der Bundesliga brauchten die Video-Assistenten lange, um den richtigen Umgang mit der Technik zu lernen. Immer wieder kam es zu Fehlern, die Unparteiischen mussten nachjustieren. Ob die WM-Schiedsrichter aus aller Welt in kürzester Zeit perfekt im Umgang mit der Technik geschult werden können, ist höchst fraglich.

Was soll in Zukunft noch verändert werden?

Perfekt ist die Technik noch lange nicht. Stichwort Abseitslinie, Stichwort Transparenz. Daran wollen alle Beteiligten arbeiten. Dazu könnten Einblendungen auf den Videowürfeln und -wänden in den Stadien gehören, die für mehr Klarheit bei den Zuschauern sorgen.

Was entscheidet das IFAB noch?

Auf der Agenda steht auch noch Regel drei, die sich mit der Möglichkeit eines vierten Spielerwechsels in der Verlängerung befasst. Gut möglich, dass die bereits getestete Neuerung auch bei der WM zum Einsatz kommt. Gesprochen wird auch über die Formulierung bei der Sanktionierung nach der Verhinderung einer klaren Torchance.