Oberstdorf. In Oberstdorf beginnt an diesem Sonnabend die Vierschanzentournee – und erstmals seit Jahren sind zwei DSV-Springer Topfavoriten.

Die 25.000 Zuschauer beim Auftaktspringen der 66. Vierschanzentournee können sich an diesem Sonnabend (16.30 Uhr/ARD/Eurosport) aussuchen, welchen potenziellen deutschen Siegsprin­ger sie mit dem lang gezogenen „Ziiiiiiiiiiie­h“­ die Schattenbergschanze heruntertragen wollen. Den Weltcup-Führenden Richard Freitag? Den Zweitplatzierten Andreas Wellinger? Oder den Geheimfavoriten Markus Eisenbichler? „Wir stellen auf dem Papier den Topfavoriten, den Mitfavoriten und den Außenseiter“, sagt Bundestrainer Werner Schuster.

Das gilt auch nach der Qualifikation am Freitagnachmittag, zu der in diesem Jahr erstmals auch die Bestplatzierten im Weltcup antreten mussten. Richard Freitag nährte dabei noch einmal die Hoffnungen auf den ersten deutschen Vierschanzentournee-Sieg seit 16 Jahren mit einem deutlichen Erfolg. Er sprang bei schwierigen Bedingungen 130,5 Meter und legte damit sechs Punkte zwischen sich und dem zweitplatzierten Japaner Junshiro Kobayashi. Auch Lokalmatador Karl Geiger als Vierter sowie Stephan Leyhe als Achter und Markus Eisenbichler auf Rang zehn zeigten vor 14.400 Zuschauern eine starke Leistung. Der Weltcup-Zweite Andreas Wellinger landete auf Rang 14.

An den Favoritenrollen hat sich also wenig geändert – viele Springer sind es diesmal ohnehin nicht, denen der Tournee-Sieg zugetraut wird.

Der Topfavorit: Richard Freitag
Der Mann mit dem Schnörres unter der Skibrille macht es wie die Eishockeyspieler während der Play-offs. Solange die Serie hält, lässt „Ritsch“ den Schnauzbart, mit dem er vor knapp zwei Monaten anlässlich der Movember-Bewegung der Vorsorge für Männerkrankheiten Aufmerksamkeit schenken wollte, wachsen. „Mal sehen, wie lange ich das vor dem Spiegel noch aushalte“, sagt der Wahl-Oberstdorfer, der im Sommer seine Heimat im Erzgebirge für bessere Trainingsbedingungen aufgegeben hat. Der Plan ging auf, der 26-Jährige hat drei der bisher sieben Springen gewonnen, war zweimal Zweiter, führt mit 550 Punkten den Weltcup an. „Ich bin in einer guten Form. Aber die Tournee hat schon immer Überraschungen bereitgehalten“, sagt er.

Der Mitfavorit: Andreas Wellinger
Erst sieben Österreicher, dann ein Slowene und ein Pole – diesmal sehen sogar die rot-weiß-roten Experten aus dem Nachbarland nach den vier Springen einen Deutschen vorn. „Wenn das jetzt schon die Österreicher sagen …“, sagt Wellinger und lacht. Der 22 Jahre alte Oberbayer ist seit der letzten Tournee der eigentliche deutsche Siegerflieger. „Ich mag alle vier Schanzen“, erklärt Wellinger, „aber Bischofshofen ist mein Favorit. Der Schanzenrekord dort letztes Jahr war ein sehr schönes Erlebnis.“ In diesem Winter ist ihm der Teamkollege zwar meist eine Skilänge voraus, aber Wellinger wird lieber hinter Freitag Zweiter als hinter einem Springer aus einem anderen Land. Gegenüber der Qualifikation aber muss er sich jetzt steigern.

Der Pechvogel: Daniel-André Tande
Wenn man Skispringern schon mal zu einem Schnitzel rät, weil sie so klapprig ausschauen, dann würde man dem Norweger Gänsebraten mit Eisbein als Beilage empfehlen. Auf der Schanze ist der 23 Jahre alte Schlaks derzeit ärgster Widersacher der DSV-Vorspringer. Tande wäre schon im vergangenen Jahr der Sieger gewesen, hätte in Bischofshofen beim letzten Sprung nicht auf einmal ein Ski nur noch am Sicherungsseil gebaumelt. Er überstand die Schrecksekunde unfallfrei, weinte danach, sagt aber heute: „Wenn ich damals gewonnen hätte, wäre ich heute nicht der Mensch, der ich bin.“ In der Qualifikation reichte es für ihn nur zu Rang 20.

Der Titelverteidiger: Kamil Stoch
Zuletzt gewann zwar die Leichtathletin Anita Wlodarczyk, aber davor kabbelte sich Stoch regelmäßig mit Fußball-Superstar Robert Lewandowski um den Titel als Polens Sportler des Jahres – das sagt alles über die Popularität des 30-Jährigen. Er ist Polens zweiter Tournee-Sieger nach Adam Malysz, die Vergleiche mit der Ikone scheut Stoch jedoch: „Ich will nicht besser sein als er, ich will einfach nur Kamil Stoch sein und in diesem Sport alles erreichen“, sagt der Doppel-Olympiasieger von Sotschi. In diesem Winter läuft es beim Perfektionisten noch nicht gänzlich rund: „Ich denke gar nicht daran, den Titel zu verteidigen. Man kann nicht davon ausgehen, dass es so läuft wie im Vorjahr.“ Platz 28 in der Quali belegten diese Einschätzung.

Der Erzrivale: Stefan Kraft
Springer aus Österreich und Deutschland gönnen sich kein bisschen Aufwind. Vor der Tournee räumt der Sieger von 2015 aber ein: „In diesem Flow, in dem Richard sich im Moment befindet, ist er ganz schwer zu schlagen.“ Auch wenn Kraft nach eigenem Bekunden „noch keinen richtig perfekten Wettkampf“ in diesem Winter hatte, ist der 24 Jahre alte Springer aus dem Pongau im Salzburger Land wieder auf der Höhe: „Ich fühle mich ready für die Tournee.“ Rang drei in der Qualifikation waren ein Beweis dafür.

Außenseiter: Markus Eisenbichler
Der Geheimfavorit, das könnten auch der Norweger Johann Andre Forfang oder der Slowene Peter Prevc sein. Aber bei Markus Eisenbichler, Zehnter der Qualifikation, wartet nicht nur Bundestrainer Schuster auf den Durchbruch. In der vergangenen Saison Gesamtachter im Weltcup, ist der 26 Jahre alte Traunsteiner bisher so etwas wie der Qualifikationsmeister. Bei der Tournee soll es auch im Wettkampf laufen: „Am liebsten würde ich natürlich so schnell wie möglich auf dem Podest stehen.“