Oberstdorf. Nach dem besten Weltcupstart seit 17 Jahren wollen die deutschen Skispringer in die Spur von Sven Hannawald und Jens Weißflog finden.

Im Winter-Wunderland Oberstdorf strahlte Richard Freitag wie ein Schneekönig, mit kindlicher Vorfreude blickte Deutschlands bester Skispringer seiner ersten Vierschanzentournee als Topfavorit entgegen. „Was für ein schönes Winterwetter hier. Der Start könnte nicht besser sein“, sagte der 26-Jährige beim Blick auf die Schneemassen und grinste breit unter seinem mittlerweile opulenten Schnurrbart: „Jetzt kann es endlich losgehen.“

Ein halber Meter Neuschnee hat die Marktgemeinde zur Freude des Weltcup-Spitzenreiters pünktlich zur Qualifikation am Freitag (16.30 Uhr/ARD und Eurosport) in ein weißes Prachtidyll verwandelt. Ideale Voraussetzungen für einen grandiosen Auftakt am Schattenberg – und die vermeldet auch Freitag selbst: „Ich bin in einer starken, stabilen Form und sehe dem Ganzen mit einem Lächeln entgegen. Wir haben alles für eine gute Tournee getan. Jetzt lasse ich mich überraschen, was die Tage bringen“, sagte der dreifache Saisonsieger.

Nie waren die Chancen auf den ersten deutschen Gesamtsieg seit Sven Hannawald 2001/02 so gut wie bei der 66. Auflage des Wintersport-Klassikers – zumal auch der Weltcup-Zweite Andreas Wellinger und Markus Eisenbichler seit Wochen in Form sind. „Wir stellen auf dem Papier den Topfavoriten. Sollte der nicht stechen, haben wir noch einen. Und sollte der nicht stechen, gibt es noch einen Joker“, sagte Bundestrainer Werner Schuster: „Es wird ein heißer Kampf.“

Freitag kommt zu Fuß zur PK

Freitag präsentierte sich kurz vor dem Auftakt betont locker und entspannt. Zur Pressekonferenz im Zentrum von Oberstdorf war der Sachse in seiner neuen Heimat zu Fuß gekommen. Doch Freitag weiß auch, dass am Schattenberg nicht gerade seine Lieblingsschanze steht. „Ich kann da sehr gut, aber auch richtigen Dreck zusammenspringen. Das hat das Training gezeigt“, sagte er. Wohl wahr: Freitags bislang bestes Ergebnis am Schattenberg ist ein neunter Platz.

Auch Team-Olympiasieger Wellinger (22) war bei aller Klasse nie besser als Gesamtneunter bei der Tournee, sagt daher: „Mittlerweile weiß ich, was man da alles erleben kann. Das reicht vom Schanzenrekord in der Qualifikation bis Ausscheiden im ersten Durchgang.“ Die große Kampfansage sparte auch er sich.

Eisenbichler (25), der bei der insgesamt enttäuschenden Vorjahrestournee als Siebter bester Deutscher war, gefällt sich wieder in der Jokerrolle. „Meine Lieblingsschanzen kommen gleich mit Oberstdorf und Garmisch. Im Weltcup bin ich auf hohem Niveau gesprungen, an der fehlenden Konstanz habe ich gearbeitet“, sagt der bayrische Urtyp: „Meine Ausgangsposition ist wirklich gut.“

Hannawald tippt auf Freitag

Die Erwartungen sind nach vier deutschen Saisonsiegen in sieben Einzelspringen – dreimal Freitag, einmal Wellinger – riesig, eigentlich zählt nur der Tourneesieg. „Damit das Gerede aufhört“, sagte der viermalige Gesamtsieger Jens Weißflog der „Heilbronner Stimme“: „Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren fast alles gewonnen, aber wenn die Tournee nicht dabei ist, sagen viele: Das war wieder nichts.“

Die Siegchance ist groß, die Konkurrenz allerdings auch. Doppelweltmeister Stefan Kraft (Österreich), Sieger 2014/15, und Doppel-Olympiasieger Kamil Stoch (Polen) als Titelverteidiger sprangen zuletzt ebenfalls stark, der Norweger Daniel Andre Tande brennt nach der unglücklich vergebenen Vorjahres-Siegchance auf Revanche. „Wer am Ende gewinnen wird, steht in den Sternen – und den Punkten, die auf dem Papier stehen“, sagte Freitag.

Immerhin: Der bislang letzte deutsche Sieger tippt auf Sieger Freitag. „Wenn Richard seine Leistung abruft“, sagte Sven Hannawald, „dann müssen sich alle sehr langmachen.“