Frankfurt/Main. Der DFB-Präsident freut sich über die Entwicklung im Verband, sieht im Vorfeld der WM aber das Thema Doping in Russland kritisch.

Selbst über Weihnachten bleibt das Handy von Reinhard Grindel an. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) feiert im kleinen Kreis in Rotenburg an der Wümme und Hamburg, die Zeit mit seinem kleinen Sohn (8) kam in diesem Jahr oft zu kurz. „Ich merke schon, dass ihm das fehlt und dass er traurig ist, wenn ich so viel unterwegs bin“, sagte der 56-Jährige. Doch ganz und alles abschalten - unmöglich.

Grindel ist immer erreichbar

„Als DFB-Präsident kann man nicht einfach mal 14 Tage aussteigen“, sagte Grindel: „Ich bin immer erreichbar und informiere mich über alles, was für meinen Aufgabenbereich relevant ist und mich darüber hinaus interessiert. Die Probleme müssen ja immer dann gelöst werden, wenn sie entstehen.“

Das Jahr 2017 war für den gesamten Weltmeister-Verband eine Gratwanderung. Sportlich (“Es war ein gutes Jahr“) feierte der DFB großartige Erfolge beim Confed Cup und der U21-Europameisterschaft, die WM-Qualifikation gelang mit historischen zehn Siegen aus zehn Spielen. „Das war beeindruckend“, sagte Grindel. Abseits davon offenbarten sich aber etliche Baustellen - selbst über Helene Fischer musste diskutiert werden.

Hinter dem DFB-Präsidenten liegen harte Monate

Der (verpfiffene) Auftritt der Schlagersängerin beim DFB-Pokalfinale war der Auftakt für Monate voller Diskussionen über und im DFB. Die Hass-Parolen in den Stadien, das erst einmal auf Eis gelegte „China-Projekt“ in der Regionalliga Südwest, der Schiedsrichter-Streit und Videobeweis - Grindel hatte alle Hände voll zu tun.

„Mich besorgt die generelle Tendenz, dass einzelne Randthemen in immer aufgeregter geführten, öffentlichen Debatten oftmals einen Stellenwert bekommen, der völlig überzogen ist“, sagte er: „In einer Zeit der schnelllebigen, digitalen Medien führt das dazu, dass Erregungswellen über das Land schwappen, die viel höher sind als die tatsächliche sportpolitische Bedeutung mancher Themen. Wir müssen uns mehr auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist.“

Akademie ein Meilenstein für den DFB

Ein gutes Beispiel dafür sei der DFB-Bundestag Anfang Dezember gewesen mit einstimmigen Beschlüssen zum Bau des neuen DFB und der Akademie sowie zum Grundlagenvertrag. Auch der Dialog mit den Fangruppen gehöre dazu, „der die Stimmung in den Stadien sichtlich beruhigt hat“, sagte Grindel: „Wir schimpfen nicht mehr übereinander, sondern sind miteinander ins Gespräch gekommen.“

Weiterhin belastet wird der Verband von der Affäre um die WM 2006, in der 2017 schon eine Steuernachzahlung in Höhe von knapp 20 Millionen fällig geworden war. „Mein Wunsch ist, dass wir möglichst schnell Rechtssicherheit haben“, sagte Grindel, der sich 2018 endlich mit Skandal-Schlüsselfigur Mohamed Bin Hammam treffen will: „Es ist belastend, wenn tröpfchenweise neue Erkenntnisse die Öffentlichkeit erreichen, weil oft nicht differenziert wird zwischen den Vorgängen aus der Vergangenheit und unserer heutigen Arbeit.“

Im russische Dopingskandal, der wegen der Rolle von WM-Organisationschef Witali Mutko seinen Schatten auf die Endrunde 2018 (14. Juni bis 15. Juli) wirft, fordert Grindel Unterstützung vom Weltverband Fifa. „Ich habe mich zum Doping vor Monaten mehrfach glasklar geäußert und mir dafür von Gianni Infantino (Fifa, d. Red.) öffentlich Belustigungen anhören müssen“, sagte er: „Ich stehe zu meinen Aussagen, muss aber nicht immer wieder derjenige sein, der schneidige Forderungen aufstellt, während alle anderen schweigen.“

Unabhängig von den sportpolitischen Problemen mit der WM ist der DFB-Präsident, der sich für den Einsatz des Videobeweises in Russland starkmachen wird, aber „offen gestanden jetzt schon im WM-Fieber“. Das Ziel: „Wir wollen wieder Weltmeister werden.“

Für die Planung der erfolgreichen Titelverteidigung bleibt das Handy immer an, auch an Weihnachten.