St. Christina in Gröden. Beim Super-G von Gröden holt der Oberbayer seinen ersten Weltcupsieg und beendet eine fast 27 Jahre währende Durststrecke.

Nach der furiosen Fahrt in die deutschen Ski-Geschichtsbücher fehlten Josef „Pepi“ Ferstl beinahe die Worte. „Es ist wirklich unfassbar“, sagte der Skirennfahrer nach seinem historischen Sieg beim Super-G von Gröden. 27 Jahre nach dem bis dato letzten deutschen Weltcup-Erfolg in der Disziplin raste Ferstl erstmals auf das Podest – und dann gleich ganz nach oben.

Josef Ferstl freut sich über seinen ersten Weltcupsieg
Josef Ferstl freut sich über seinen ersten Weltcupsieg © imago/Eibner Europa | EIBNER/EXPA/SPIESS

Dabei kämpfte der Oberbayer nicht nur mit der komplizierten Saslong-Piste, sondern auch mit seinem Knie. „Ich habe unter Schmerzmitteln fahren müssen, sonst wäre es nicht gegangen“, sagte er. Die Spätfolge seines Kreuzbandrisses von vor zwei Jahren behindert ihn seit Wochen.

Dass er unter diesen Umständen am Freitag zum größten Erfolg seiner Laufbahn fuhr und die Träume aller Skifans für Olympia im Februar befeuerte, war für den Sohn des dreifachen Weltcup-Siegers Josef „Sepp“ Ferstl senior unbeschreiblich. „Weltcupsieg – ich weiß gar nicht, wie man das schreibt“, stammelte er im Scherz nach seinem Coup.

Bei Wasmeiers Sieg war Ferstl zwei

Der 28-Jährige konnte in Südtirol nicht nur über sein erstes Podium jubeln. Er beendete eine lange Zeit des Wartens für den DSV, hat doch seit Markus Wasmeier im März 1991 kein Deutscher mehr einen Super-G im Weltcup gewonnen. Damals war Ferstl gut zwei Jahre alt.

„Für uns ist das ein extrem gutes Ergebnis, für den deutschen Abfahrtsrennsport ein historisches Ergebnis“, sagte Alpinchef Wolfgang Maier. „In Bayern sagt man: Da kann man a Maß drauf kaufen. Oder einen Weihnachtslebkuchen essen.“

Ferstl setzte sich vor Max Franz aus Österreich (+0,02 Sekunden) und dessen Landsmann Matthias Mayer (+0,10) durch. Für den DSV war es der erste Sieg in einem Speedrennen seit Max Rauffers Abfahrts-Coup vor 13 Jahren ebenfalls in Gröden. „Es ist kein Podium, man war heute der Beste von der ganzen Welt“, sagte der Sportler vom SC Hammer.

Auch Sander überzeugt

Die Blumenzeremonie im Ziel genoss der zweifache Vater Ferstl ganz still, bei der Hymne lagen sich die Trainer in den Armen. Vor seiner Premiere auf dem Treppchen wusste er nicht so recht, was passiert. „Ich frage schon immer bei den Kollegen nach, die erfahrener sind, was man jetzt machen soll“, sagte er. Franz, der vor einem Jahr seinen ersten Sieg in Gröden holte, sagte: „Das ist richtig cool. Das wird er erst morgen oder übermorgen voll umreißen.“

Andreas Sander landete in Gröden auf dem sechsten Rang. Thomas Dreßen erwischte nach seinem dritten Platz zuletzt bei der Abfahrt in Beaver Creek keinen optimalen Tag und landete auf Rang 20. Bereits am Sonnabend (12.15 Uhr) gibt es in der Abfahrt die nächste Chance.

„Für uns ist das schon ein Traum, weil uns das keiner zugetraut hatte“, sagte Sportdirektor Maier zum Überraschungserfolg von Ferstl. Erst vor zwei Wochen raste Dreßen in Beaver Creek zu Rang drei in der Abfahrt – dem ersten Podestplatz in dieser Disziplin seit Rauffers Sieg in Gröden. Im Olympia-Winter sind die deutschen Abfahrer so gut wie seit Jahren nicht mehr, und die erhoffte Medaille in den Speedrennen in Südkorea erscheint realistischer denn je.

Ferstl profitiert von Bedingungen

Dabei hatte Ferstl noch mit heftigen Knieschmerzen zu kämpfen. Als er sich in Kanada vor drei Wochen den Skischuh auszog, verletzte er dabei das Narbengewebe, das nach seinem Kreuzbandriss im Dezember 2015 entstanden war. In Beaver Creek war er sogar kurz davor, gar nicht zu fahren wegen der Schmerzen.

Auf der berühmten Saslong-Piste in den Dolomiten legte er dann eine clevere Fahrt hin und profitierte von seiner frühen Startnummer zwei. Schon wenige Starter später setzte Schneefall ein und verlangsamte die Fahrt auf der Strecke. Zudem zog teilweise Nebel auf, der die Sicht für die anderen Athleten beeinträchtigte. „Ich habe Glück gehabt“, sagte Ferstl.

Nach 38 Fahrern und mehreren Pausen wurde das Rennen vorzeitig beendet. „Sie haben das Rennen abgebrochen, aber als er gefahren ist, war es für alle Konkurrenten gleich. Das ist kein Rennen, wo man sagt, er hat durch Zufall gewonnen“, betonte Maier.