Leipzig/Hamburg. Am Freitag beginnt die 23. Handball-Weltmeisterschaft der Frauen in Leipzig – das Final4 steigt in Hamburg.

Ladies first! Emily Bölk ziert das neue Cover des Fachmagazins „Handball Inside“. Ikonenhaft mit fokussiertem Blick, dynamischem Dutt und einem Fingerzeig in Richtung Leser. Dazu die Zeile: „Das neue Gesicht des Frauenhandballs.“ Für die 19-Jährige ist das „Wow! Was für eine Ehre – als erste Frau bin ich auf dem Cover der ,Handball Inside‘“. Die Buxtehuderin, die als Jahrhunderttalent gilt, war zudem am Sonntag zu Gast im „Sportclub“ des NDR. „Ich war zwar schon mal im ,Sportclub‘, aber diesmal wurde ich nach vorne an den Tisch geholt, und es gab einen zehnminütigen Beitrag über mich. Das war für mich nicht alltäglich.“

Die am Freitag beginnende Handball-WM im eigenen Land ist nicht alltäglich für die Sportart, die sonst ein Schattendasein fristet. Sämtliche Tickets für das Final4 in der Barclaycard Arena am 15. und 17. Dezember sind seit Wochen ausverkauft. Besonders viele Karten seien aus Norwegen abgefragt worden, dem Land des Titelverteidigers, heißt es beim Hamburger Organisationskomitee. Bundestrainer Michael Biegler (56), als ehemaliger HSV-Männercoach in der Multifunktionsarena im Volkspark mit dem doppelten Heimvorteil, hatte ganz bewusst den Tag des Handballs am 19. März in der Barclaycard Arena austragen lassen. „Er wollte, dass wir schon diese Bilder im Kopf haben“, sagt Emily Bölk. Biegler überreichte allen Spielerinnen damals einen Schlüsselanhänger mit dem Hallen-Logo als Glücksbringer.

Spieltermine

„Wenn wir das Halbfinale nicht erreichen, wären wir enttäuscht, weil wir seit eineinhalb Jahren alles auf dieses Projekt ausgerichtet haben“, sagt Linksaußen Lone Fischer. Sie bildet mit der Rückraumlinken Bölk und der Rückraumrechten Friederike Gubernatis ein Buxtehuder Trio im aktuellen 22er-Kader. Fischer und Bölk gelten als gesetzt. Rechtsaußen Maike Schirmer kam über die 28er-Auswahl nicht hinaus. Bis zur technischen Besprechung am Freitagmorgen muss sich Biegler auf maximal 16 Spielerinnen festlegen, mit denen er ins Eröffnungsspiel gegen Kamerun in der Arena Leipzig (19 Uhr/Sport1) geht. 20 oder womöglich alle 22 sollen aber weiter zum WM-Tross gehören. „Wir wollen die Frauen eng beisammen haben, um auf Verletzungen oder taktische Veränderungen reagieren zu können“, sagt Wolfgang Sommerfeld, der Sportdirektor des Deutschen Handballbundes (DHB).

Bundestrainer gibt sich betont entspannt

Über den ersten Vorrundengegner Kamerun sagt die Rekordnationalspielerin und WM-Botschafterin Grit Jurack (306 Länderspiele/1581 Tore): „Das ist für alle die große Unbekannte. Kamerun ist erst zum zweiten Mal bei einer WM dabei. Ich befürchte, dass sie einiges an Lehrgeld bezahlen.“ Für die Leipzigerin ist in ihrer Heimatstadt Deutschlands letzter Gruppengegner Niederlande „mein großer Goldfavorit. Nach den beiden verlorenen Finals – WM und EM – haben sie mit Norwegen eine Rechnung offen“, sagt die 40-Jährige. Zum erwarteten Endspiel um den Sieg in der Gruppe D am 8. Dezember zwischen der DHB-Auswahl und den Niederlanden schickt Pokalsieger Buxtehuder SV einen Fanbus, denn auch beim Vizeweltmeister und Vizeeuropameister spielen BSV-Akteurinnen: Michelle Goos (27) und Lynn Knippenborg (25). Linksaußen Goos meint launig: „Deutschland gegen Holland ist immer geil , egal in welcher Sportart.“

Grit Jurack selbst war bei der bisher letzten Heim-WM vor 20 Jahren dabei, als Deutschland Dritter wurde. Und auch beim bis dato letzten Edelmetall bei einem Großereignis – dem erneuten WM-Bronze in Frankreich. Beim einzigen WM-Gewinn der Bundesrepublik 1993 gehörte Emily Bölks Mutter Andrea (49) zum Team. Lang, lang ist das her.

Verbandsziel ist das Final4 in Hamburg

Schon bei Michael Bieglers Amtsübernahme im April 2016 – da war das deutsche Team bei der WM gerade auf Platz 13 abgestürzt – sprach DHB-Vize Bob Hanning von der „letzten Chance für den Frauenhandball. Wenn das nicht funktioniert, dann kann man die Tür abschließen.“ Das ist nun 20 Monate her. Und Biegler, der noch nie ein Frauenteam betreut hatte und nach dem Turnier in die Männerbundesliga nach Leipzig zurückkehrt, hat die Mannschaft tatsächlich zu einem Medaillenkandidaten geformt.

„Mit unheimlich viel Akribie“, sagt Anna Loerper (33), eine der zwei Kapitäninnen, die mit einem Muskelfaserriss in der Wade noch angeschlagen ist. „Beagle hat uns in allen Bereichen weit nach vorne gebracht. Für uns war es eine riesige Bereicherung, mit ihm zusammengearbeitet zu haben und mit ihm die WM bestreiten zu dürfen“, sagt die Co-Kapitänin und Torfrau Clara Woltering (34). Der Rheinländer Biegler blickt der WM in seinem typischen Biegler-Duktus entgegen: „Ich bin sehr entspannt. Wenn man einen Fokus braucht, macht Nervosität als Sparringspartner keinen Sinn.“

Das erklärte Verbandsziel ist das Final4 in Hamburg. „Und wenn man dort ist“, sagt Anna Loerper, „möchte man bestimmt nicht Vierter werden.“