Hamburg. Topclubs im In- und Ausland wollten Emily Bölk verpflichten. Sie verlängerte – die Heim-WM war ein Grund.

Eine Stunde individuelles Wurftraining hat Emily Bölk schon hinter sich, als sie mittags beim verabredeten Treffen mit dem Abendblatt im Alsterpavillon ankommt. 50 Minuten Bahnfahrt hat die Buxtehuderin dafür auf sich genommen. Am späten Nachmittag steht noch eine weitere Einheit mit der gesamten Mannschaft an. Ganz schön stressig. Und trotzdem ist Emily Bölk komplett entspannt. Die 18-Jährige lehnt sich zurück, bestellt einen Latte macchiato und einen frisch gepressten Orangensaft.

Am vergangenen Mittwoch hat Emily Bölk ihren Vertrag beim Bundesligisten Buxtehuder SV um ein weiteres Jahr verlängert. Obwohl es kaum einen ambitionierten Verein im In- und Ausland gab, der nicht versucht hätte, Deutschlands größtes Handballtalent abzuwerben, fiel ihre Wahl auf ihren Heimatverein. „Ich weiß, was ich an Buxtehude habe. Ich komme super mit unserem Trainer Dirk Leun klar.

Spannende Erfahrung

Außerdem haben wir in diesem Jahr die Heim-WM vor uns. Es ist schwierig, vor so einem wichtigen Event den Verein zu wechseln. Man weiß nie, ob man sich direkt wohlfühlt und seine Leistung abrufen kann“, erklärt Bölk ihre Entscheidung. Buxtehude sei für sie wie eine Familie, der Wohlfühlfaktor habe eine große Rolle gespielt.

Trotzdem sei es durchaus eine spannende Erfahrung für sie gewesen, mit anderen Clubs Gespräche zu führen. „Es waren schon super Angebote dabei, von einigen war ich sehr überrascht. Es war interessant, sich die Konzepte anderer Vereine anzuhören“, sagt Bölk. „Aber mein Herz hängt an Buxtehude. Für dieses Jahr ist es noch das Richtige.“

Auf Anhieb den DHB-Pokal gewonnen

Im Alter von vier Jahren hat die Tochter der 1993er-Weltmeisterin Andrea Bölk und des früheren Fredenbecker Bundesligaspielers Matthias Bölk das erste Mal bei den BSV-Minis mittrainiert. 2014 debütierte das Rückraum-Ass im Bundesligateam und gewann auf Anhieb den DHB-Pokal.

In Buxtehude ist Bölk zur Nationalspielerin gereift, im Juni letzten Jahres feierte sie ihre Premiere im A-Kader, gehörte bei der EM im Dezember bereits zu den Leistungsträgerinnen im Team von Bundestrainer Michael Biegler. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Niedersachsen ihr „German Wunderkind“ nicht mehr halten können.

Zurückhaltung an oberster Stelle

„Es ist kein Geheimnis, dass Buxtehude mich gerne noch länger an sich gebunden hätte. Aber das heißt ja nicht, dass ich den Verein zwangsläufig nach diesem Jahr verlasse. Es besteht immer noch die Möglichkeit zu verlängern“, sagt Bölk. Ein ausschlaggebender Faktor wäre, ob das Nachwuchstalent mit Buxtehude in der nächsten Saison auf der internationalen Bühne spielen kann. Derzeit steht der BSV auf Tabellenplatz vier. Das würde zur Qualifikation zum globalen Geschäft reichen.

Die Heim-Weltmeisterschaft im Dezember könnte zum Schaulaufen für Bölk werden, um noch mehr Topclubs auf sich aufmerksam zu machen. „Vereine aus der ganzen Welt schauen zu, das ist eine große Chance“, weiß Bölk. „Erst einmal hoffe ich, dass ich überhaupt dabei bin. Wenn ich eine schlechte Rückrunde spielen sollte, darf ich mich nicht wundern, wenn ich nicht nominiert werde.“ Zurückhaltung steht bei der jüngsten Spielerin der Nationalmannschaft an oberster Stelle.

Heim-WM ist ihr Traum

Gleich danach kommt die Zielstrebigkeit. Natürlich ist die Heim-WM ihr Traum. Vor allem, weil die Finalrunde in der Hamburger Barclaycard Arena ausgetragen wird, quasi vor den Toren Buxtehudes. „Das Halbfinale in Hamburg ist kein utopisches Ziel. Es ist alles offen“, glaubt die 1,82 Meter große Rückraumspielerin.

Hinter ihren langen braunen Haaren verstecken sich zwei Kratzer auf der Wange. Begleiterscheinungen, die zum Tagesgeschäft einer Bundesligaspielerin dazugehören. Seitdem Bölk im vergangenen Jahr ihr Abitur gemacht hat, ist sie Vollprofi. „Hätte ich den Handball nicht gehabt, hätte ich nach der Schule eine Weltreise angetreten“, sagt sie. Ein kleiner Anschmecker war das Auslandsjahr 2012 in Dänemark, wo sie an der Sports Academy Viborg – natürlich – Handball spielte.

Zweites Standbein aufbauen

Vom Mai an will Bölk ein Fernstudium beginnen, BWL und Wirtschaftspsychologie soll es sein. „Es ist schön, mit seiner Leidenschaft Geld zu verdienen. Aber ich kann nicht ewig Handball spielen, ich will mir auf jeden Fall ein zweites Standbein aufbauen“, sagt die Buxtehuderin. Zumal nur wenige Spielerinnen bei wenigen Topclubs gutes Geld verdienen.

Nach der zweiten Trainingseinheit geht Emily Bölk mit der Mannschaft noch ins Kino. „Shades of Grey“ gucken. Ganz entspannt. Einfach zurücklehnen. Mit ganz viel Wohlfühlfaktor.