Hamburg. Der Hamburger Trampolinturner Daniel Schmidt ist für die Weltmeisterschaft nominiert. Förderung wurde ihm gestrichen.

„Irgendwann“, sagt Daniel Schmidt und schaut dabei entschlossen, „irgendwann muss man sich entscheiden. Sport oder Beruf. Beides zugleich geht nicht mehr. Leider.“

Es ist eine dieser Geschichten von einem erfolgreichen Leistungssportler, der jedoch in einer Rand-Rand-Sportart aktiv ist. Als wäre Trampolinturnen nicht schon exotisch genug – nein, der 26-Jährige springt auch noch auf dem Doppel-Minitramp. Darauf ist er der Beste in Deutschland, klar der Beste. Vom 9. bis zum 12. November startet er als einziger Deutscher bei der Weltmeisterschaft in Sofia. Auf eigene Kosten. „Rund 3000 Euro“, sagt Daniel Schmidt, „gefördert werde ich nicht.“

Sein Gerät ist nicht olympisch

Denn sein Gerät ist nicht olympisch. Und damit praktisch nicht existent. Nicht für die Öffentlichkeit, nicht fürs Fernsehen, nicht für Sponsoren. Kaum für den Deutschen Turner-Bund, der sich gerade an dem WM-Titel von Pauline Schäfer berauscht. Und vor allem nicht für die Förderung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Sporthilfe. Kein Olympia – keine Kohle. So einfach ist es manchmal.

Aber da ist immer noch dieser Traum, gepaart mit einem Schuss Eigenwilligkeit und reichlich Entschlossenheit. Der Traum heißt Tokio. Olympia 2020. Die Spiele in London und Rio de Janeiro hat er auf dem großen Trampolin knapp verpasst. Diesem Gerät, das olympisch ist, auf dem der Turner – auf, ab, auf, ab – springt und landet, zehnmal, und dazwischen allerhand Salti, Schrauben und andere Körperverwringungen zeigt. Auch auf dem „richtigen“ Trampolin zählt der Hamburger zur nationalen Spitze, die Qualifikation für die WM in Sofia schaffte er aber nicht. Trainingsrückstand, der Job, die Belastungen. Das alles spielte mit rein, meint er. Schmidt ist Polizist bei der Bereitschaftspolizei. Fulltime. Und es war ein heißer Sommer in Hamburg. „Das hat mich Kraft und Trainingsrhythmus gekostet.“

Notausgang nach Sofia

Das Doppel-Minitramp – Anlauf, zwei Sprünge, Abgang – ist für ihn der Notausgang nach Sofia: „Ich kann mich zeigen, präsent bleiben.“ 2010 hat er auf dem Gerät immerhin die Europameisterschaft gewonnen. Vielleicht geht ja wieder was. Das würde helfen bei der Suche nach Sponsoren, nach Engagements, nach Unterstützern. Schmidt ist emsig. Gerade hat er eine E-Mail verschickt, in der er um finanzielle Hilfe für Sofia bittet. Werbeflächen hat er anzubieten, Showvorführungen, Banner. Er hat 2016 und 2017 an der RTL-Show „Ninja Warriors“ teilgenommen, er wirbt für das Jump House in Hamburg, macht dort auch Demoveranstaltungen. Hofft, dass sich das noch zu einer festen Partnerschaft steigern lässt. Und will nun Geld über die Crowd­funding-Plattform „fairplaid“ sammeln, die vor allem Sportler unterstützt.

Schmidt und sein Trainer-Vater Olaf, selbst Vizeweltmeister 1986, bilden den prägenden Trampolinfamilienbetrieb beim Bramfelder SV in Hamburg. 100 Mitglieder springen dort, 25 im Wettkampf. Auf Olaf Schmidts Rat wurde die Sporthalle auf eine trampolinsprunggerechte Höhe aufgestockt. Schon der Großvater hatte sich diesem Sport verschrieben. Drei Generationen große Sprünge.

Gallier des Trampolinsports

Ein wenig wirken die Schmidts wie die Gallier des Trampolinsports. Wir hier, ihr da. Trotz und Stolz, wir zeigen es euch. Gut zu sprechen sind sie nicht auf den Spitzensportverband Deutscher Turner-Bund (DTB). Mit der Leistungssportreform nach den Spielen 2016 hat sich die Situation noch verschärft. Konzentration der Topathleten auf Bundesstützpunkte lautet nun ein Credo des DOSB und des Bundesinnenministeriums. Dies sorgt bei Athleten aus unterschiedlichsten Sportarten für Verdruss.

Schmidt gehört noch dem B-Kader an, zum Jahresende 2017 endet auch das. Weil er nicht an einem Bundesstützpunkt trainiert, kann er nicht in den neuen Kader Top Team Future aufgenommen werden. Das teilte ihm DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam mit. „Als ich in einem Gespräch meine Berufstätigkeit ansprach, wurde ich komisch angeschaut.“ Vollkommende Hingabe an den Sport wird verlangt, also auch der Umzug in Leistungszen­tren in Bad Kreuznach oder Stuttgart.

Hamburg ist der Lebensmittelpunkt

Aber Hamburg ist der Lebensmittelpunkt, hier hat er seinen Job bei der Polizei, die hilft mit Freistellungen. Hier kann er die Dienstpläne an das Training angleichen und umgekehrt. Hier hat er die aus seiner Sicht optimalen Bedingungen mit dem vertrauten Umfeld. „Ich habe den Eindruck, der DTB hat nie darüber nachgedacht, was seine Sportler gerne wollen“, sagt er.

Aber der Verband sitzt am längeren Hebel. Kein Umzug, kein Kader, kein Geld. Und ohne Kader auch keine Unterstützung durch das Team Hamburg mehr, kein Zugang zu den Physio- und Behandlungsmöglichkeiten am Olympiastützpunkt. Schmidt musste seinen Job von 70 Prozent auf Vollzeit aufstocken – irgendwann muss man sich entscheiden: Sport oder Beruf. Sein Traum von Olympia aber, der lebt immer weiter. Und Daniel Schmidt wird nicht aufhören, dafür zu kämpfen.