Hamburg. Weil er nicht aus Hamburg weg will, wird Daniel Schmidt nicht mehr gefördert. Er ist Beamter bei der Bereitschaftspolizei.

Ende Oktober hat Daniel Schmidt einmal die Annehmlichkeiten seines Sports genossen. Der Verein APAGL aus Loulé in Portugal hatte wieder zum internationalen Trampolinwettbewerb an die Algarve geladen, und bei 26 Grad Außentemperatur konnten der Nationalturner vom Bramfelder SV und seine Freundin Antonia Quindel ihre Flugkünste nicht nur auf dem Gerät demonstrieren, sondern auch beim beherzten Sprung in den Pool. Sportlich lief es ebenfalls gut für Schmidt: Platz acht im stark besetzten Einzelfinale auf seinem Spezialgerät Doppelminitrampolin. Im Mannschaftswettbewerb schaffte es Schmidt als Dritter sogar aufs Podest – die Spanier hatten den Hamburger spontan in ihr Team aufgenommen, weil sie Verstärkung brauchten.

Im eigenen Land ist die Wertschätzung für den beständigsten deutschen Trampolinturner der vergangenen Jahre offenbar nicht mehr so ausgeprägt. Zur zentralen Sichtungsmaßnahme des Deutschen Turnerbundes Anfang Dezember in Frankfurt erhielt Schmidt (25) zunächst keine Einladung. Das bestätigte DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam (60) dem Abendblatt schriftlich. Grund: Da Schmidt nicht an einem der Bundesstützpunkte trainiere, könne er auch nicht in den Kader des neu eingeführten Top Team Future aufgenommen werden.

Schmidt arbeitet in Hamburg bei der Polizei

Schmidt, in Vollzeit Beamter bei der Bereitschaftspolizei in Alsterdorf, versteht nicht, warum er nach Bad Kreuznach oder Stuttgart ziehen soll. „Ich habe einen festen Beruf, bin verbeamtet auf Lebenszeit. Das lasse ich doch nicht alles fallen und liegen, um eventuell bei Olympia 2020 in Tokio dabei zu sein.“ Anna Dogonadze sei ein warnendes Beispiel: Die Kreuznacherin gewann 2004 Olympiagold – und müsse jetzt Erinnerungsstücke verkaufen, um zu Geld zu kommen.

Sein Arbeitgeber lasse ihm alle Freiheiten, die er brauche, um weiterhin täglich trainieren und wichtige Wettkämpfe bestreiten zu können, sagt Schmidt. Zudem habe er in Hamburg an der Seite seines Vaters und Trainers Olaf (54) genau das Umfeld, das er brauche, um erfolgreich zu sein.

In den vergangenen Jahren gewann er mehrere Medaillen

Und erfolgreich ist er ja. Seit 2009 hat sich Daniel Schmidt für jede Europa- oder Weltmeisterschaft qualifiziert, das hat kein anderer heimischer Turner geschafft. Bei deutschen Meisterschaften gewann er in den vergangenen drei Jahren auf dem olympischen Großgerät stets eine Medaille, einmal Bronze, zweimal Silber. An den Spielen im August in Rio sprang er zwar vorbei, wenn auch als WM-28. knapper als sämtliche Mitbewerber.

„Daniel Schmidt gehört zweifellos zu den Besten in Deutschland“, bestätigt Bundestrainer Michael Kuhn und plädiert dafür, „dass die Leistung zählen sollte und nicht der Standort“. Er habe versucht, seinen Einfluss geltend zu machen. Doch der ist nicht mehr sehr groß: Willam setzte Kuhn (51) bereits im April in Kenntnis, dass sein Ende des Jahres auslaufender Vertrag nicht verlängert wird. Die Stelle ist international ausgeschrieben. Auch Nachwuchsbundestrainer Jörg Hohenstein (50) wurde vor die Tür gesetzt.

Künftig muss er seinen Sport selbst finanzieren

Tatsächlich flogen die deutschen Trampolinturner zuletzt international eher tief, nach Rio schaffte es einzig Leonie Adam aus Stuttgart. Schmidt ist allerdings überzeugt, dass ihn ein Wechsel nicht weiterbrächte: „Ich habe ein halbes Jahr lang wie ein Vollprofi zweimal täglich trainiert, ohne dass ich mich verbessert hätte. Und ich brauche die Arbeit auch für den Kopf.“

Künftig wird er sie auch brauchen, um seinen Sport zu finanzieren. Aufgrund seiner Leistungen bleibt er nach Auskunft von Willam zwar im B-Kader des DTB und kann damit weiterhin die Leistungen des Olympiastützpunkts in Anspruch nehmen. Doch in den Genuss der Grundförderung, 600 Euro monatlich, kommen künftig nur die jeweils vier Männer und Frauen aus dem Top Team Future. Nach welchen Kriterien die ausgewählt werden, ist Schmidt nicht ersichtlich. Dabei müsste er es wissen: Als Aktivensprecher sitzt er neuerdings im Lenkungsstab, der für die Festlegung von Kader- und Qualifikationskriterien zuständig ist.

Weil er keine Informationen erhielt, hat sich Schmidt kraft seines Ehrenamtes schriftlich an alle Trainer und Aktiven gewandt – und konnte feststellen, dass sich vielerorts Unmut regt. Etwa 20 bis 30 gestandene Turnerinnen und Turner wurden nicht zur Sichtung eingeladen. Dafür aber andere, die laut Schmidt „im Top Team Future nichts zu suchen haben“.

Beim OSZE-Treffen wird er im Einsatz sein

Immerhin: Am Mittwoch, einen Tag nach dem Schriftwechsel mit dem Abendblatt, lud der DTB Schmidt doch noch nach Frankfurt ein – auch um dort ein „Zukunftsgespräch“ zu führen. Ob der Hamburger den Termin wahrnehmen kann, ist fraglich, da er voraussichtlich dienstlich beim OSZE-Treffen im Einsatz ist.

Noch will Schmidt den Streit nicht eskalieren lassen, auch wenn sie ihm geraten haben, sich an die Ombudsfrau oder den Präsidenten des DTB zu wenden. Er sagt: „Ich warte erst einmal die Maßnahme und die Nominierung des neuen Bundestrainers ab, um zu wissen, woran ich bin.“

Seinen Sport will sich Schmidt jedenfalls nicht nehmen lassen. Er hat ja das Glück, im Elternhaus wohnen zu können und finanziell abgesichert zu sein. Große Sprünge kann er zwar nicht machen, aber bisweilen sogar etwas mit dem Turnen verdienen, etwa bei Auftritten im kommerziellen Jump House oder in der RTL-Fernsehshow „Ninja Warrior“. Damit sollten sich die Wettkampfreisen nach Portugal weiterhin finanzieren lassen.