Frankfurt. So schlecht wie in der vergangenen Woche haben die deutschen Clubs lange nicht abgeschnitten. Magath glaubt den Grund zu kennen.

Als die deutschen Fußballclubs das letzte Mal eine derart desolate Europapokal-Woche abgeliefert haben, stand noch die Berliner Mauer. Im Bundestag wurde statt über Jamaika über die rot-gelbe Koalition gestritten – und die ARD strahlte die ersten „Dallas“-Folgen aus. Sechs (!) Niederlagen an einem Spieltag der Champions League und Europa League gab es zuletzt (in den damaligen Wettbewerben) 1981. Heute wie damals ist die Bundesliga meilenweit vom eigenen Anspruch entfernt.

Rekordmeister Bayern München, Borussia Dortmund, RB Leipzig, Hertha BSC, der 1. FC Köln und 1899 Hoffenheim stellten für das wiedervereinigte Deutschland einen traurigen Rekord auf: Nie zuvor hat ein Land so viele Europapokal-Pleiten innerhalb von drei Tagen einstecken müssen. Vor 36 Jahren hatten noch die DDR-Clubs „mitgeholfen“.

„Das ist enttäuschend, normalerweise sind die deutschen Mannschaften immer ganz oben in Europa“, sagte BVB-Trainer Peter Bosz: „Aber woran das liegt, das ist für mich sehr schwer zu sagen. Ich bin erst seit drei Monaten hier.“

Stöger glaubt an Besserung

In der Königsklasse hatten die Bayern bei Paris Saint-Germain verloren (0:3), was Trainer Carlo Ancelotti sogar den Job kostete. Der BVB hatte gegen Real Madrid (1:3) ähnlich wenig Chancen, Vizemeister Leipzig unterlag in der Türkei bei Besiktas Istanbul 0:2. Und dann kamen die drei Europa-League-Verlierer.

Der 1. FC Köln verpatzte das erste europäische Heimspiel seit 25 Jahren gegen Roter Stern Belgrad mit einem 0:1 (0:1), mit dem gleichen Ergebnis verabschiedete sich Hertha aus der schwedischen Provinz bei Östersunds FK.

Kommentar: Jetzt muss es Tuchel richten

„Man kann dafür den FC verantwortlich machen – oder auch sagen, dass bei den anderen Vereinen die Chance größer sein sollte, Punkte zu holen“, sagte Kölns Trainer Peter Stöger: „Das nagt an der deutschen Fußballseele, aber es wird wieder besser werden. Dass die Bundesliga eine der stärksten Ligen der Welt ist, wird sich nicht ändern.“

„Gekrönt“ wurde das Ganze am Donnerstagabend vom Hoffenheimer 1:2 beim bulgarischen Serienmeister Ludogorez Rasgrad. Das Team des „Trainers des Jahres“ Julian Nagelsmann stellte damit einen deutschen Negativrekord auf: Vier Niederlagen aus vier Europapokalspielen hat noch kein Club „geschafft“. Die Kraichgauer waren in ihrer Premierensaison auf internationalem Parkett in der Champions-League-Qualifikation an Jürgen Klopps FC Liverpool gescheitert.

Insgesamt haben die Bundesliga-Vereine 17 der letzten 22 Europapokalspiele verloren. Die goldenen Zeiten, in denen beispielsweise die Bayern und der BVB im „German Endspiel“ von London um den Henkelpott der Königsklasse spielten (2013), scheinen ewig her.

Magath vermisst Individualität

HSV-Legende Felix Magath sieht auch in der zu hohen Beachtung der taktischen Schulung einen Grund für das schwache Abschneiden. „Ich vermisse Spannung, Emotion, überraschende Einzelaktionen. Ein junger Spieler muss auffallen wollen, muss mehr machen wollen als andere“, sagte Magath dem Magazin „Cicero“. Weil „mehr Taktik und weniger Individualität“ ausgebildet werde, sei der deutsche Fußball „zunehmend ähnlicher.“

Der ehemalige Meistertrainer von Bayern München und dem VfL Wolfsburg prophezeit deshalb „mittelfristig Probleme, mit unseren Vereinen internationale Erfolge zu erringen“.

Deutschland rutscht auf Platz vier ab

Unmittelbare Auswirkungen wird die „schwarze“ Woche aber nicht haben. Zwar wurde Deutschland in der Fünfjahreswertung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) von Italien überholt – dank der Europapokal-Reform sind für den Vierten in dieser Wertung aber auch in der kommenden Saison vier Startplätze in der Gruppenphase der Champions League sicher. Der Vorsprung auf den Fünften Frankreich beträgt noch 14,750, der Rückstand auf Italien 0,918 Punkte.

„Es wird wichtig sein, dass Borussia Dortmund und Bayern München auch in diesem Jahr die Punkte holen, denn die Clubs, die in der Europa League spielen, haben in den letzten Jahren oft wenig Beitrag geleistet“, sagte Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, wohlgemerkt vor der Paris-Blamage: „Das muss besser werden.“