Hamburg. Handball-Pokalsiegerinnen testen am Sonntag im Supercup gegen Bietigheim die Spielstätte der Hamburg Towers.

Im Trainingslager des Buxtehuder SV in Japan im Juli hatte die 1,82 Meter lange Emily Bölk lustige Größen-Vergleich-Fotos mit den Asiatinnen geschossen; sie hatte sie sogar hochgehoben. Am Dienstag nun war alles anders. „Ich bin ein Zwerg“, stellte sie fest, als sie für ein PR-Shooting zu Enosch Wolf hochschaute, dem 2,15 Meter riesigen Basketball-Center der Hamburg Towers. Der wiederum stellte sich mit seinen Pranken, in denen der Handball verschwand, nicht ungeschickt an. „Ich war in der Jugend eineinhalb Jahre Kreisläufer“, berichtete der 26-Jährige. Auch Deutschlands Handball-Jungstar Bölk (19) versenkte beim Sportartentausch den ersten Korbleger. „Ein reiner Glücktreffer“, behauptete sie. „Wir wärmen uns manchmal mit Basketball auf.“

Es ging launig zu auf der Saisonvorschau-Pressekonferenz der Buxtehuder Bundesliga-Handballerinnen, die auf ungewohntem Parkett in der Wilhelmsburger Edel-optics.de-Arena angesetzt war. Der Grund: Der DHB-Pokalsieger empfängt dort am Sonntag (16 Uhr) den deutschen Meister SG BBM Bietigheim zum Supercup. Es wird das zweite Frauenhandballspiel, das im Inselpark stattfindet. Die Premiere war das Länderspiel der „Ladys“ von Bundestrainer Michael Biegler im vergangenen Oktober gegen Spanien (32:18). Bölk war wie BSV-Linksaußen Lone Fischer mit dabei, es war ihr zweites Länderspiel, und sie erinnert sich an „ein Highlight mit Superstimmung fast vor der Haustür“. Damals kamen 2147 Fans – ein großer Erfolg.

Bietigheim hat Etat von zwei Millionen Euro

Es gibt nur eine Halle, die Bölk „von der Atmosphäre noch gigantischer“ findet: die Barclaycard-Arena, in der sie als Kind schon ihrem HSV-Idol Domagoj Duvnjak zujubelte und als Teenie zum Popkonzert von Pink abtanzte. Es ist das Sehnsuchtsziel der Nationalteams in diesem Jahr, dort wird das Final4 der Heim-WM (1. bis 17. Dezember) ausgetragen. „Ich glaube, dass die Leistung der Nationalmannschaft bei der Heim-WM für den ganzen Frauenhandball in Deutschland entscheidend sein wird. Wenn wir im Optimalfall bis Hamburg kommen, können wir bestimmt einige Sponsoren beim Schopf packen – auch für ,Buxte’“, sagt Bölk.

Die Sponsorensuche ist auch beim Buxtehuder SV das ewige leidige Thema. Die malerische Märchenstadt, wo Has’ und Igel, die BSV-Vereinsmaskottchen, einst um die Wette gerannt sein sollen, ist zwar eine frauenhandballverrückte Stadt, aber eben nur eine 40.000-Einwohner-Stadt. „Unsere Partnerstruktur ist sehr lokal, eng regional, aber irgendwann sind alle Juweliere in der Buxtehuder Innenstadt abgeklappert“, sagt BSV-Marketingchef Thorsten Sundermann. „Deswegen machen wir jetzt diesen Testballon im Hamburger Süden.“

BSV seit 27 Jahren in der Bundesliga

Der Supercup-Gegner und Ligakrösus Bietigheim hat einen Etat von rund zwei Millionen Euro und peilt nach einem Bericht des Fachmagazins „Handball Inside“ künftig die Drei-Millionen-Marke an, um um den Champions-League-Titel mitzuspielen; der BSV muss in dieser Saison mit 950.000 Euro auskommen. Zu Spitzenzeiten, in den Champions-League-Jahren, waren es mal 1,2 Millionen Euro, selbst nach den Pokalsiegen 2015 und 2017 musste der Etat verringert werden. „Es ist frustrierend. Die Bietigheimer können das Fünffache an Gehältern zahlen. So kann es nicht weitergehen. Die heile Welt in Buxtehude ist leider nicht in Ordnung“, sagt Trainer Dirk Leun ratlos.

Der BSV, seit 27 Jahren ununterbrochen in der Bundesliga, ist – auch dank Manager Peter Prior (seit 1999 auf dem Posten) – ein Musterbeispiel für seriöses Wirtschaften in der deutschen Sportlandschaft. Anders als etwa der vor dieser Saison insolvent gegangene HC Leipzig. In den zehn Jahren unter Dirk Leun wurde der Verein drei mal Vizemeister (2011, 2012 und 2015). „Und wir sind ein Leuchtturm in der Jugendarbeit – Jugendliche aus ganz Deutschland wollen zu uns“, sagt Bölk, seit den Minis beim BSV. 2016 und 2017 wurde die A-Jugend deutscher Meister. Allein, was bringt es?!

Vertrag von Bölk läuft am Saisonende aus

Leun gedankenspielte, ob man umziehen müsse; als Beispiel nannte er die HSG Wetzlar, die aus der HG Dutenhofen/Münchholzhausen hervorging und inzwischen in der topmodernen Rittal Arena spielt. In der Halle des Schulzentrums Nord in Buxtehude ist „der VIP-Raum ein Klassenzimmer“ (Leun). „Andererseits hat Handball in Buxtehude Tradition und ist eine Marke“, sagt Marketingchef Sundermann.

Es ist wohl auch nur noch eine Frage der Zeit, bis Emily Bölk nicht mehr zu halten ist. Ihr Vertag läuft am Saisonende aus. Die Tochter der 1993er Weltmeisterin Andrea Bölk, die als Jahrhunderttalent gilt, sagt diplomatisch: „Ich hoffe, dass es mit ,Buxte’, auch wenn ich vielleicht in vier Jahren nicht mehr da bin, trotzdem weiter bergauf geht.“

Ungewohnte Spielmacherposition

Aber noch ist sie da, und jetzt freuen sich erstmal alle auf den Supercup und die neue Ligasaison, die am 9. September mit einem Heimspiel gegen den HC Rödertal – den Nachrücker für Leipzig – beginnt. Das Saisonziel: mindestens Platz vier verteidigen. „Aus der Kükenrolle bin ich jetzt langsam raus“, sagt Emily Bölk, die im Mai ein Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspsychologie begonnen hat. „Mir gefällt es, zusammen mit anderen Spielerinnen die Mannschaft zu führen.“

Das kann sie gleich zu Saisonbeginn unter Beweis stellen. Nach den Verletzungen von Lynn Knippenborg (Patellasehne) und Lisa Prior (Fingerbruch) muss sie das Team auf der ungewohnten Spielmacherposition anführen.