Hamburg. Olympiasieger Julius Brink über die Misere bei den deutschen Beachvolleyball-Herren und die zunehmende mediale Präsenz der Sportart.

Julius Brink (35) ist das TV-Gesicht des deutschen Beachvolleyballs. Auf welchen Kanälen auch immer über die Sportart berichtet wird, im Fernsehen oder in Livestreams, sind seine Expertisen zu hören. Brink wurde 2012 in London mit Jonas Reckermann (38) Olympiasieger und 2009 Weltmeister. Am Rothenbaum kommentiert der Kölner für ProSieben Maxx am Sonntag (14.45 Uhr) das Männerfinale. Danach folgt als Aufzeichnung das Endspiel der Frauen vom Sonnabend.

Herr Brink, der deutsche Beachvolleyball wartet auf die Nachfolger von Brink/Reckermann.

Julius Brink: Ich auch. Wir haben aber mit dem Hamburger Julius Thole, mit Clemens Wickler und Nils Ehlers derzeit herausragende Talente, die jedoch noch einige Zeit brauchen werden, um in der Weltspitze anzukommen.

Davon sind die deutschen Männer derzeit weit entfernt.

Brink: Wir waren möglicherweise ein bisschen verwöhnt und durchschreiten momentan eine Talsohle, wie sie im Spitzensport auch aufgrund demografischer Entwicklungen vorkommt. Dazu mögen sich Fehlplanungen und Fehleinschätzungen gesellt haben. Die Generation vorher, das waren ja nicht nur Jonas und ich, auch zwei, drei andere Paare, die über Jahre auf absolutem Topniveau spielten, hat aus unterschiedlichen Gründen ihre Karrieren früher beendet als erwartet. Darauf war der Verband (DVV) offenbar nicht vorbereitet.

Und hat jetzt auf die Misserfolge mit der Zentralisierung der Nationalteams am neuen Bundesstützpunkt in Hamburg reagiert. Nicht allen Spielern gefällt das.

Brink: Wie soll der Verband denn reagieren, wenn sich der Erfolg nicht einstellt, wenn es 2016 mit den Hamburgern Böckermann/Flüggen erstmals nur ein Männerteam, und das nur haarscharf, zu Olympia schafft. Wenn vorher anderswo alles so perfekt war, warum sind die Erfolge ausgeblieben? In Hamburg herrschen hervorragende Trainingsbedingungen. Der aktuelle Gewinn der Europameisterschaft von Nadja Glenzke und Julia Großner zeigt doch, dass die Trainer hier hervorragend arbeiten.

Großner und vier Männer wurden vom DVV nach acht Monaten aussortiert. Das ist keine vertrauensbildende Maßnahme.

Brink: Da vertraue ich den Trainern. Sie haben die Expertise, sie stehen in der Verantwortung, wenn die Resultate nicht stimmen. Im Spitzensport müssen manchmal Entscheidungen getroffen werden, die für den Einzelnen brutal sind.

Bei den Frauen herrscht dagegen fast ein Überangebot an Spitzenteams. Was können die Männer von ihnen lernen?

Brink: Selbst in Brasilien spielen Männer und Frauen nicht ständig auf höchstem Niveau. Es gibt immer und überall natürliche Schwankungen, die erleben wir gerade in Deutschland. Mit Ludwig/Walkenhorst haben wir zwei Überfliegerinnen, mit Laboureur/Sude dazu die Weltranglistenzweiten. Das ist eine Luxussituation. Das sind vier großartige Talente, die ein professionelles Trainer- und Betreuerteam um sich versammelt und über Jahre hart gearbeitet haben.

Ist die Konkurrenzsituation bei den Männern härter als bei den Frauen?

Brink: Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Ludwig/Walkenhorst haben 2016 als erstes europäisches Beachvolleyballteam eine olympische Medaille geholt.

Welche Auswirkungen haben die jüngsten Erfolge auf die mediale Präsenz?

Brink: Noch nie ist in Deutschland so viel Beachvolleyball im Fernsehen, in Live­streams oder auf sozialen Kanälen gezeigt worden wie in diesem Jahr, sei es bei ARD und ZDF oder jetzt im Privatfernsehen bei ProSiebenMaxx. Wir übertragen am Sonntag das Männerfinale live, obwohl vermutlich kein deutsches Team dabei sein wird. Und wer kein Fernsehen schaut, der muss auf seinem Handy nur drei, vier Tasten drücken, dann kann er das Major-Finale vom Rothenbaum live verfolgen. Beachvolleyball ist im Vergleich zu anderen Sommersportarten medial hervorragend aufgestellt. Und alles ist umsonst. Wo können Sie sonst Weltklassesport bei freiem Eintritt in einer elektrisierenden Atmosphäre erleben?

Das Thema scheint Sie zu bewegen.

Brink: Ich wehre mich nur gegen die Pessimisten, die alles schlechtreden. Was Beachvolleyball aus seinen Möglichkeiten gemacht hat, halte ich für vorbildlich.

Ludwig/Walkenhorst (HSV) mit Schmerzen im Viertelfinale

Laura Ludwig/Kira Walkenhorst haben vor 7000 Besuchern auch ihr zweites Gruppenspiel gewonnen, 2:0 (21:18, 21:12) gegen Brooke Sweat/Summer Ross/(USA), qualifizierten sich fürs Viertelfinale. Um 14 Uhr treffen sie heute auf Heidrich/Vergé-Dépre (Schweiz) oder die Vizeweltmeisterin Fendrick/April Ross (USA). Walkenhorst plagt aber eine schmerzhafte Wirbelblockade, die vor, während und nach dem Spiel intensiv behandelt wurde. Erreichen sie das Halbfinale, spielen sie um 20 Uhr .