Wien. Im Finale der WM in Wien gegen die US-Amerikanerinnen Ross und Fendrick setzten sich die Hamburgerinnen in drei Sätzen durch.

Die Vorbereitung auf das große Finale lief alles andere als optimal. Am Freitagabend wollte Laura Ludwig noch mit einer Freundin kochen, doch um 20.02 Uhr ließ das Personal im Wiener Supermarkt die Beachvolleyball-Olympiasiegerin nicht mehr hinein. „Da habe ich kurz einen Wutanfall bekommen“, sagt Ludwig. Vielleicht sollte die gebürtige Berlinerin es heute noch einmal probieren, denn ab sofort sind sie und Kira Walkenhorst eine Attraktion der österreichischem Hauptstadt: Am Sonnabend gewannen die Hamburgerinnen die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft in Wien und halten nun als Deutsche Meisterinnen, Europameisterinnen, Olympiasiegerinnen und Weltmeisterinnen vier Titel zugleich.

„Weltmeister, das klingt so toll, kann ich das noch einmal hören?“, fragte Walkenhorst. Im längsten Frauenspiel des Turniers setzten sich Ludwig/Walkenhorst 2:1 gegen die US-Amerikanerinnen April Ross und Lauren Fendrick durch (19:21, 21:13, 15:9). Damit sind sie das erste deutsche Damenteam, das Gold bei einer Weltmeisterschaft holt. Nach dem WM-Titel von Julius Brink und Jonas Reckermann 2009 im norwegischen Stavanger ist es die zweite WM-Goldmedaille im Beachvolleyball für Deutschland. „Es war eine harte Saison und wir hatten einige Probleme, aber wir sind wirklich von Spiel zu Spiel immer besser geworden“, sagte Walkenhorst.

Gegen Nadja Glenzke und Julia Großner passierten noch viele Fehler

Die 1,84 Meter große Blockerin blickte ungläubig in den Raum und betonte mit weit aufgerissenen Augen, dass sie gar nicht realisieren könne, was geschehen ist. Wer die ersten Partien der beiden Athletinnen bei dieser WM gesehen hat, dem fiel es tatsächlich schwer zu glauben, dass sie am Ende die sein sollten, die ganz oben auf dem Podest stehen.

Gegen das Hamburger Duo Nadja Glenzke und Julia Großner passierten noch viele Fehler, gegen die US-Amerikanerinnen Kelly Claes und Sarah Hughes fehlte im Achtelfinale die Präzision – doch zu diesem Zeitpunkt brauchten Ludwig/Walkehorst ihre Höchstform noch nicht, erklärte Trainer Jürgen Wagner: „In der Regel schafft es keiner, zehn Tage auf Topniveau zu spielen“, sagte er. Mit Krafteinheiten stellte er sein Team so ein, dass der Höhepunkt der Leistungsfähigkeit erst später im Wettbewerb erreicht wurde. „Es ging darum, dass wir zum Ende des Turniers, wenn es wirklich wichtig wird gegen die stärkeren Teams, voll da sind“, erklärte Walkenhorst.

Probleme mit den Aufschlägen der Amerikanerinnen

Genau so war es auch. Im Halbfinale besiegten Ludwig/Walkenhorst die Titelfavoritinnen Larissa Franca/Talita Antunes klar in zwei Sätzen (21:18, 21:16). Die Brasilianerinnen holten sich am Sonnabend die Bronzemedaille. Das Finale war dann der Krimi, auf den das Team in den vergangenen zehn Tagen hingearbeitet hatte. Nachdem zwei Fallschirmspringer den Matchball in die Arena geflogen hatten, lief für die Olympiasiegerinnen aber noch nicht viel zusammen: „Im ersten Satz haben wir uns noch in die Hosen gemacht“, sagte Ludwig. Die HSV-Spielerinnen hatten erhebliche Probleme mit den Aufschlägen der Amerikanerinnen und infolgedessen mit dem eigenen Spielaufbau. „Sie haben nicht frei gespielt, konnten das aber drehen, auch weil die Amerikanerinnen den Druck nicht über drei Sätze halten konnten“, sagte Wagner. „Letztlich hat unsere größere Qualität in allen Elementen den Ausschlag gegeben.“ Ludwig formulierte es anders: „Wir haben uns gesagt: Scheiß drauf, jetzt. Wir sind im Finale, jetzt legen wir mal richtig los.“ Im zweiten Satz lief dann alles zusammen.

Kurz vor Beginn des entscheidenden Durchgangs, verkündete der Stadionsprecher, dass das Gelände geschlossen würde. 35.000 Besucher befanden sich in dem eigens für die WM errichteten Beach Village auf der Donauinsel. 10.000 davon feuerten die Spielerinnen von der Tribüne aus an, der Großteil stand hinter den deutschen Athletinnen. „Das war unglaublich, das Publikum war heute unser dritter Mann auf dem Feld“, sagte Ludwig. Als bei der Siegerehrung die Nationalhymne erklang, hatte sie wie schon beim Halbfinaleinzug mit den Tränen zu kämpfen. „Da gingen mir die letzten Monate noch einmal durch den Kopf“, sagte sie.

"Das ist so unfassbar"

Im Dezember wurde Ludwig an der Schulter operiert und musste viel Geduld aufbringen, um wieder auf das spielerisches Niveau zu kommen, das sie inzwischen von sich gewohnt ist. Dann zog sich Walkenhorst im Juni einen Infekt zu, der sich in Form einer Entzündung auf ihre Schlagschulter auswirkte. In dieser Saison hatte das Duo erst fünf Turniere zusammen gespielt. Drei Wochen vor WM-Beginn sagten sie ein Major-Turnier der Weltserie ab. Ob Walkenhorst rechtzeitig zur WM fit sein würde, stand zu dem Zeitpunkt noch in Frage.

„Jetzt sind die Weltmeisterinnen, das ist so unfassbar, am liebsten würde ich die ganze Zeit laut schreien, gleichzeitig bin ich so unglaublich kaputt“, sagte Ludwig. „Diese zehn Tage werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen.“ Die perfekte Vorbereitung ist eben nicht alles.