Hamburg. Aus Wut zertrümmerte der 33-Jährige anschließend sogar seinen Schläger. Inzwischen konnte er teilweise Entwarnung geben.

25 Jahre hatten Hamburgs Tennisfans auf diesen Tag warten müssen, und dann war nach 57 Minuten alles vorbei. Weil ihn die beim Viertelfinalsieg gegen den Argentinier Nicolas Kicker erlittene Verletzung am rechten Oberschenkel zu stark behinderte und zudem in die Adduktoren und ins linke Bein ausstrahlte, musste der Augsburger Philipp Kohlschreiber (33) am Sonnabendnachmittag das erste deutsche Halbfinalduell am Rothenbaum seit Michael Stichs 6:1-Sieg über Boris Becker 1992 gegen den Bayreuther Florian Mayer (33) beim Stand von 6:4 und 2:3 aus seiner Sicht aufgeben.

Teile der mehr als 7000 Zuschauer auf dem fast ausverkauften Centre-Court quittierten Kohlschreibers überraschenden Abgang mit Pfiffen, wurden von Mayer jedoch rasch zum Verstummen gebracht. „Ich kenne den Philipp gut, das hat er sicher nicht mit Absicht gemacht. Ich habe selbst schon erlebt, dass eine Muskelfaser reißt, da kann man nichts tun. Er hat keine Pfiffe verdient“, sagte der Weltranglisten-101., dessen Freude über den ersten Finaleinzug in Hamburg ein wenig getrübt war, über das Stadionmikrofon. „Natürlich tut es mir leid für ihn, aber so ist der Sport. Ich hoffe, dass es nicht so schlimm ist und er die US-Open spielen kann.“

Kohlschreiber zertrümmert Schläger

Kohlschreiber selbst konnte kurz darauf teilweise Entwarnung geben. „Es ist auf den ersten Bildern kein Riss zu erkennen. Aber mir ist in den letzten Ballwechseln mehrfach der Schmerz in die Adduktoren geschossen, da wusste ich, dass ich eine schwere Verletzung riskieren würde, wenn ich weiterspiele“, sagte er. Für die Pfiffe der Zuschauer zeigte er teilweise Verständnis. „Die Leute zahlen viel Geld und wollen ein enges Match sehen. Mir tut es leid, dass ich die Fans enttäuschen musste, aber die Pfiffe haben mir auch nicht geholfen“, sagte er.

In einem phasenweise begeisternden Match hatte Kohlschreiber im ersten Satz einen 2:4-Rückstand umgebogen, weil sich bei Mayer gefühlvollste Stoppbälle mit leichten Vorhandfehlern abwechselten. Nach einer 2:0-Führung im zweiten Durchgang verlor der Weltranglisten-58., der wie Mayer zum zweiten Mal am Rothenbaum im Halbfinale stand, drei Spiele in Folge, gab seinem Kontrahenten dann völlig unvermittelt die Hand zum Zeichen der Aufgabe und zertrümmerte anschließend vor Wut seinen Schläger. „Ich hätte auch weinen können, war aber so wütend, dass ich den Schläger zertrümmert habe. Das war sicherlich keine vorbildliche Aktion, aber manchmal müssen die Emotionen raus“, sagte er.

Finalisten tragen denselben Nachnamen

Dafür, dass am Sonntag nach dem Endspiel (Start 15 Uhr) die Überschrift „Mayer gewinnt am Rothenbaum“ nicht ausreichen wird, hatte im ersten Halbfinale Leonardo Mayer gesorgt. Der 30 Jahre alte Argentinier besiegte seinen Landsmann Federico Delbonis (26/Nr. 81 der Welt) nach 83 Spielminuten mit 6:3, 7:5 und zog damit zum zweiten Mal nach seinem Triumph von 2014 gegen den Spanier David Ferrer ins Hamburg-Endspiel ein. „Es ist immer schwierig, gegen einen Landsmann zu spielen, aber ich habe besser aufgeschlagen, das hat den Unterschied gemacht“, sagte der an Position 138 der Welt notierte Südamerikaner, der keine deutschen Vorfahren hat.

Kurios ist nicht nur, dass die beiden Finalisten denselben Nachnamen tragen und beide nicht unter den besten 100 der Welt platziert sind. Leonardo Mayer könnte zudem der erste „Lucky Loser“ werden, der am Rothenbaum den Titel holt. Insgesamt gab es in der Geschichte bislang acht „glückliche Verlierer“, die ein Turnier gewinnen konnten, zuletzt in der vergangenen Woche der Russe Andrej Rublew im kroatischen Umag.

In der Qualifikation war Leonardo Mayer dem deutschen Toptalent Rudi Molleker unterlegen und nur durch die Verletzung von Titelverteidiger Martin Klizan (Slowakei) noch ins Hauptfeld gerutscht. „Das ist Wahnsinn, aber so ist der Sport“, sagte sein Finalgegner, der als erster Deutscher seit Tommy Haas 2012 die Chance hat, erster deutscher Sieger seit Michael Stich 1993 zu werden. Der Argentinier freute sich derweil auf die Atmosphäre im Stadion: „Wenn die Fans Mayer rufen, können wir uns beide angesprochen fühlen. Das ist doch schön“, sagte er.