Hamburg. Spaniens Topstar lehnt eine Wildcard für das Tennisturnier ab, sein Landsmann ist der bekannteste Name im Feld.

Mit einem Staubwedel arbeitet sich die junge Dame durch die Zuschauerreihen der Westtribüne. Jeden einzelnen Stuhl kehrt sie sauber. Weiter rechts stecken Techniker Leitungen zusammen, die große Plane für die Oberränge hängt bereits. Alles wuselt, werkelt und wirkt im Centre-Court am Rothenbaum, Turnierdirektor Michael Stich gibt noch schnell ein, zwei Fernsehinterviews. Die letzten Vorbereitungen für die German Open laufen auf Hochtouren, von Sonnabend an wird hier wieder Tennis gespielt, Qualifikation, Eintritt frei. „Das Feld steht“, sagt Stich, „es gibt keine Überraschungen.“

Das ist keine Überraschung, aber eine kleine Enttäuschung. Für Stich möglicherweise auch, das lässt er sich aber nicht anmerken. Viel zu professionell macht der 48-Jährige seinen Job. Also hat er sich geschüttelt und macht weiter. Die Hoffnungen, in letzter Minute noch einen Topstar für das immer wieder in der Diskussion stehende Traditionsturnier zu verpflichten, haben sich zerschlagen. „Wir haben Gespräche mit Stan Wawrinka und Rafael Nadal geführt“, sagt Stich, „aber Wawrinka ist noch verletzt. Und Nadal macht nach Aussagen seines Managements Urlaub – wie auch immer das aussieht.“

Sportplatz: Schluss mit dem ewigen Lamentieren

Zweimal immerhin war Stich und Geschäftspartner Detlef Hammer mit Hilfe von Sponsoren und Unterstützern schon der Coup gelungen, das Turnier durch zwei Topstar-Überraschungsgäste aufzuwerten: 2015 gab sich Nadal die Ehre und gewann den Titel, 2013 schlug sich Roger Federer an der Hallerstraße ins Halbfinale. Es braucht jedoch gewisse Faktoren, damit sich die Großen in den Wochen zwischen Wimbledon und der US-Hartplatzsaison ein Turnier auf Sand geben.

Wichtig: ein knackiges Antrittsgeld, da muss man von etwa 500.000 Euro ausgehen. Und eine Rankingkrise, die die große Chance auf 500 Weltranglistenpunkte für einen Sieg bei dem Turnier der dritthöchsten Kategorie nach den Grand-Slam- und den Mastersturnieren erstrebenswert erscheinen lässt. Als Federer vor vier Jahren nach Hamburg kam, war er gerade in der zweiten Runde von Wimbledon gescheitert und wollte Punkte gewinnen, um seine Teilnahme am Mastersfinale der besten acht sicherzustellen. Nadal war vor zwei Jahren als Zehnter der Weltrangliste schon in Runde zwei der All England Championships ausgeschieden.

Top 20 fast alles Hartplatzspezialisten

Dieses Mal kam das Aus für den French-Open-Champion an der Church Road erst vor elf Tagen im Achtelfinale nach einem Fünfsatzmatch. Der Spanier belegt Platz zwei im ATP-Ranking, er hätte mit einem Sieg in Hamburg die Chance gehabt, auf Platz eins zurückzukehren. Und offenbar war er auch in Versuchung – am Dienstag veröffentlichte er ein aktuelles Foto von sich beim Training auf Sandplatz. Hoffnung in Hamburg keimte auf. „Wir haben bei ihm angefragt“, berichtete Stich, „dann kam nach zwei Tagen die Ansage, dass er nicht kommt.“ Weitergehende Verhandlungen gab es angeblich nicht.

So bleibt das Feld bei der mit 1,6 Millionen Euro Preisgeld dotierten Veranstaltung ohne ganz große Namen. Namhaftester ausländischer Profi im Feld ist der ehemalige Weltranglistendritte David Ferrer (35/Nr. 46), der in Hamburg 2014 das Finale gegen Leonardo Mayer (Argentinien) verlor. „Die Top 20 sind inzwischen fast alles Hartplatzspezialisten“, sagt Stich und erwähnt damit indirekt wieder das Kardinalproblem aller europäischen Sandplatzturniere im Sommer. „Ich habe die ATP darauf angesprochen, sie muss sich etwas überlegen.“

Tommy Haas auf Abschiedstournee

Der Deutsche Tennis-Bund (DTB), der die Lizenz für die German Open hält, hatte im Abendblatt in Person seines Vizepräsidenten Dirk Hordorff schon darüber nachgedacht, das Turnier auf Hartplatz auszutragen. 2018 haben Stich und Hammer laut Vertrag letztmals das Ausrichterrecht, sie wollen gerne weitermachen. Ob sie dürfen? Weiß man nicht. Der Verband will sich möglicherweise erst im September entscheiden. „Ich hoffe, dass wir jetzt bald ein Signal bekommen“, sagt Stich, „im Herbst wird es schwierig, Verhandlungen mit Partnern und Sponsoren über langfristige Engagements zu führen, da dann die Budgets für 2018 schon verteilt sind.“

Erst einmal gilt all seine Konzentration aber Tommy Haas (39). Der gebürtige Hamburger auf Abschiedstournee ist schon in der Stadt, trainierte am Donnerstag am Rothenbaum und tritt am Sonntag (18 Uhr/Sky Sport News HD unverschlüsselt) zum Legendenmatch gegen Stich an. „Meine Aufgabe ist nur, ihn warm zu spielen“, sagt der Wimbledonsieger von 1991. Haas schlägt mit einer Wildcard auch von Montag an im Hauptfeld auf.

Wildcards an Marterer und Altmaier

Wenn die Auslosung am Sonnabend (15 Uhr) in der Kaisergalerie (Große Bleichen) glücklich läuft, ist vielleicht etwas drin für den Rothenbaum-Finalisten von 2012. Die beiden anderen Wildcards vergab Stich in Abstimmung mit dem DTB an Maximilian Marterer (22/Nürnberg) und Daniel Altmaier (18/Kempen). Jan-Lennard Struff (27/Warstein), Philipp Kohlschreiber (33/Augsburg) und Florian Mayer (33/Bayreuth) stehen automatisch im Hauptfeld.

Auf dem Centre-Court sind die Linien bereits geputzt, der Schriftzug vom neuen Partner „Hamburg.com“ ist auf den Sand gepinselt. Und die Reinigungskraft mit dem Staubbesen beginnt die nächste Sitzreihe zu kehren – es kann losgehen am Rothenbaum.