Veröffentlichung der Fifa-Ermittlungen setzt auch den DFB unter Druck. WM-Ausrichter Russland und Katar sehen sich als reingewaschen.

Kommen jetzt weitere Steine ins Rollen? Auf Druck erster Auszüge in der "Bild"-Zeitung aus dem sogenannten Garcia-Bericht ist der Fußball-Weltverband Fifa mit der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse des ehemaligen Chef-Ermittlers Michael Garcia nachgezogen. Darin wurden unter anderem die umstrittenen WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2020) untersucht.

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Bach warnt vor allgemeinen Verurteilungen

IOC-Präsident Thomas Bach hat die Veröffentlichung des Garcia-Reports begrüßt. "Das ist absolut richtig, dass dieser Bericht veröffentlicht worden ist. Jetzt kann sich jeder ein Bild machen. Ich hoffe, dass die Fragen, die offengeblieben sind, geklärt werden. Der Bericht ist ja einige Jahre alt", sagte Bach in Berlin.

Bach appellierte aber auch an die Öffentlichkeit, nicht zu allgemeinen Verurteilungen gegenüber den großen Sportverbänden zu kommen, "sondern, dass jeder einordnet, wo, in welchem Zusammenhang und zu welchen Zeitpunkt was passiert ist", betonte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Man müsse auch zur Kenntnis nehmen, so Bach, dass die Fifa "dieses Mal Schritte unternommen hat".

Die jüngsten Veröffentlichungen zum Doping im russischen Fußball, wonach es dort im Fußball in Sachen Doping ein eigenes Vertuschungssystem gegeben habe, kamen für Bach nicht überraschend.

"Das ist ein Zeichen der Arbeit, die die internationalen Verbände, und nicht nur die Fifa, jetzt zu leisten haben. Das ist die Aufarbeitung des McLaren-Berichts, für den die internationalen Verbände zuständig sind, während das IOC für die Vorkommnisse in Sotschi bei den Olympischen Winterspielen 2014 verantwortlich ist", sagte Bach.

Der kanadische Sonderermittler Richard McLaren hat festgestellt, dass in Russland in der Zeit von 2011 bis 2015 rund 1000 Athleten vom russischen Dopingsystem profitiert hatten. Zuletzt hatte McLaren mit seiner Behauptung für Wirbel gesorgt, wonach 155 verdächtige Doping-Proben von russischen Fußballspielern zur Untersuchung bei der Fifa lagern.

Grindel fordert neue Fifa-Regelungen

DFB-Präsident Reinhard Grindel (55) fordert nach der Veröffentlichung des Garcia-Reports neue Verhaltensrichtlinien bei der Fifa. "Erstens brauchen wir noch eindeutigere Regelungen in den Verhaltensrichtlinien, damit die Bewerber für eine WM und vor allem alle Fifa-Mitglieder, die in Zukunft über die WM-Vergabe entscheiden, verbindlich wissen, was im Rahmen des Bewerbungsverfahrens erlaubt ist und was nicht", sagte der DFB-Chef in einer Stellungnahme.

Grindel ist Mitglied im Fifa-Council und will eine weitere Konsequenz beim nächsten Treffen in Kalkutta ansprechen: "Zweitens muss das Votum der Technischen Kommission, die die WM-Bewerbungen evaluiert, eine viel größere Bedeutung bei der Vergabeentscheidung bekommen." Es müsse in Zukunft gewährleistet sein, "dass nur ein aufgrund objektiver, nachvollziehbarer Kriterien geeignetes Land die WM austrägt", so der gebürtige Hamburger.

Grindel entsetzt über Beckenbauer-Freund

Entsetzt ist Grindel über die Einflussnahme des Franz-Beckenbauer-Intimus und Strippenziehers Fedor Radmann: "Es ist schon sehr bedrückend, was vor allem über die Rolle des früheren WM-OK-Mitglieds Fedor Radmann im Garcia-Report zu lesen ist." Dieser war einst WM-OK-Mitglied. Grindel: "Ich will nicht verschweigen, dass wir Deutsche wenig Grund haben, mit erhobenem Zeigefinger durch die Fußballwelt zu marschieren."

Die Zusammensetzung der Technischen Kommission müsse durch das Council "nach klaren Regeln vorgenommen und darf nicht in Hinterzimmern in Zürich entschieden werden", forderte der DFB-Boss. Er würde es auch begrüßen, wenn die neue Ethik-Kommission dem Council unverzüglich mitteilt, "welche Verfahren als Konsequenz aus dem Report noch anhängig sind oder ob neue in Gang gesetzt werden sollen".

Internationale Pressestimmen

Tognoni sieht Deutschland als mitschuldig

Der langjährige Fifa-Mediendirektor Guido Tognoni sieht keinen Grund, nach Entschuldigungen für die Rolle von WM-OK-Chef Franz Beckenbauer im Zusammenhang mit dem Skandal um die Vergabe der WM 2006 an Deutschland zu suchen.

"Franz ist für mich das letzte Opfer einer 40-jährigen Herrschaft von Joao Havelange und Sepp Blatter. Alle Wegbegleiter – mögen sie Schurken oder ehrenwert gewesen sein – blieben auf der Strecke, auch Michel Platini übrigens. Aber Franz ist ja ein mündiger Bürger und wusste, was er unter dem Einfluss seines Adjutanten Fedor Radmann tat", sagte der Schweizer, der 13 Jahre in Diensten der Fifa stand, im SID-Interview.

Klar ist für Tognoni, dass Deutschland den Zuschlag für die WM 2006 nicht nur mit lauteren Mitteln bekommen hat: "Deutschland verstrickt sich in der Behauptung, die WM 2006 mit sauberen Mitteln erhalten zu haben. Hätte nicht auch Deutschland nach den Fifa-Regeln gespielt, hätte Südafrika die WM bekommen..."

Der am Dienstag von der Fifa veröffentlichte Bericht des einstigen Chefermittlers der Ethik-Kommission, Michael Garcia, habe laut Tognoni keine nennenswerten Erkenntnisse gebracht. "Der Bericht enthält nur Dinge, die in den vergangenen Jahren schon mehr oder weniger bekannt waren", äußerte Tognoni, der im SID-Interview feststellte: "Der Sumpf bleibt, selbst wenn die Fifa jetzt versucht, ihren Fluss an ihm vorbeizuleiten. Die Prozesse laufen ja noch, und die Narben bleiben."

Russland und Katar sehen sich bestätigt

Nach der Veröffentlichung des Garcia-Berichts fühlen sich die lange kritisierten WM-Gastgeber in Russland und Katar bestätigt. Mit einer demonstrativen Unschuldsbeteuerung und einem Seitenhieb auf westliche Medien reagierten Russlands WM-Organisatoren auf die Ergebnisse in dem überraschend publik gemachten Bericht. „Wir haben nichts getan, was gegen den Ethikcode oder die allgemeinen Normen und Grundsätze der Bewerbungsregeln verstoßen hat“, sagte der Vize-Ministerpräsident und nationale Fußballverbandschef Witali Mutko laut lokalem Organisationskomitee auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Auch Katar sieht seine Kredibilität wieder hergestellt. „Wir glauben, dass das Ausmaß unserer Kooperation bei der Untersuchung und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen eine Rechtfertigung der Integrität unserer Bewerbung sind“, zitiert die englische BBC das Organisationskomitee in Katar. In dem Untersuchungsbericht von Fifa-Chefermittler Michael Garcia aus dem Jahr 2014 wurden zwar diverse Geldflüsse in Millionenhöhe aus Katar oder über Mittelsmänner an Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees notiert, diese konnten aber demnach nicht den WM-Machern zugeordnet werden.

Keine gravierenden Verstöße ordnete Garcia den Russen im umstrittenen Vergabeprozess zu. Notiert wurden von Garcia Geschenke und Annehmlichkeiten wie Kreml- und Ballettbesuche für Fifa-Wahlmänner und deren Familien. Diese seien aber nicht per se durch den Fifa-Verhaltenskodex verboten gewesen. Allerdings: Die Computer des russischen Bewerbungskomitees waren zum Zeitpunkt der Untersuchung zerstört. Welche Unterlagen fehlen, konnten die Fifa-Ermittler nicht mehr rekonstruieren.

WM-Geschäftsführer Alexej Sorokin betonte, man sei froh über die Veröffentlichung. Zudem warf er internationalen Medien eine tendenziöse Berichterstattung vor: „Man sollte die Schlussfolgerungen des Berichts zur russischen Bewerbung lesen, um zu sehen, dass alle Anschuldigungen durch westliche Medien unbegründet sind.“