Essen. Der Report des US-Anwalts wurde jahrelang unter Verschluss gehalten. Nun bietet die Fifa ihn zum Download an. Was das bedeutet.

Den Garcia-Report, aus dem "Bild" gestern zitierte, beschreibt die Deutsche Presse-Agentur (DPA) in ihrer Überschrift so: „Viele Details, keine Beweise: Abgründe des Fußballs im Garcia-Report“.

Tatsächlich war der Weltverband Fifa unter Zugzwang: Der Untersuchungsbericht, den der New Yorker Top-Anwalt Michael J. Garcia zur WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 verfasst hatte, wurde jahrelang streng unter Verschluss gehalten – bis heute. Angeblich habe Fifa-Präsident Gianni Infantino die Abrechnung mit dem Fifa-System unter seinem Vorgänger Joseph Blatter schon mehrfach veröffentlichen wollen.

Fifa bietet den Garcia-Report nun zum Download an

Auf ihrer Website Fifa.com bietet der Verband jetzt den Garcia-Report zum Download an. Der breiten Öffentlichkeit wird vor Augen geführt, was die Millionen von Fans – nicht nur in Deutschland – seit Jahren ahnen. Die Vergabe der Weltmeisterschaften erfolgte womöglich mithilfe von Verstrickungen, Schmiergeldern, Abhängigkeiten und Vertuschungen.

„Kein unabhängiges Governance Komitee, Ermittler oder Schiedsgericht kann die Kultur einer Organisation ändern“, lautete die vernichtende Fifa-Kritik.

Enthüllungen wie aus Thrillern im Kino

Die Enthüllungen spülen Details ans Tageslicht, wie man sie aus Thrillern im Kino kennt. Privatflieger, Nobelhotels und Golfklubs. Scheinkonten, Vetternwirtschaft und Manipulationen. Millionenzahlung auf das Konto einer unmündigen Tochter.

„Im Sinne der Transparenz begrüßt die Fifa die Neuigkeit, dass dieser Bericht nun endlich veröffentlicht wurde“, hieß es einer Pressemitteilung.

Der Fifa-Experte und Buchautor Jens Weinreich aus Berlin beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wer ist dieser Michael J. Garcia? Ist er wirklich so ein harter Ermittler?

Der Amerikaner Garcia gehört zum juristischen Adel an der US-Ostküste, diente auch der NSA sowie Interpol, seine Frau arbeitet für das FBI. An der Konsequenz seiner Fifa-Arbeit muss gezweifelt werden. Wichtige Dokumente wollte er nicht einsehen. Zwangsbefugnisse hatte er als interner Ermittler nicht. Wenn Personen nicht mit ihm sprechen wollten, blieb das im Grunde folgenlos. Nach Russland durfte er nicht einreisen. In Sachen WM 2018 sollte nicht von Ermittlungen gesprochen werden. Auffallend: Zwei Fifa-Whistleblowerinnen wurden geoutet und verunglimpft, potenzielle Kriminelle aber nicht namentlich genannt.

Gegen wen hat Garcia ermittelt?

Gegen Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees und andere Offizielle, auch gegen Franz Beckenbauer.

Warum erscheint der Report jetzt?

Unter dem ehemaligen Fifa-Präsidenten Blatter, der wegen Korruptionsverdachts suspendiert ist und gegen den die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt, hat sich das Exekutivkomitee gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen, um Verfehlungen zu vertuschen.

Welche Rolle spielt Fifa-Präsident Gianni Infantino?

Infantino wurde im Februar 2016 Fifa-Präsident und steht nicht im Fokus des Garcia-Berichts. Auch deshalb hatte er ein Interesse an der Veröffentlichung.

Steckt Saudi-Arabien dahinter?

Wenn derlei Dokumente an Medien durchgesteckt werden, stehen meistens politische Interessen dahinter. Mindestens ein Spindoktor einer dubiosen saudischen PR-Einrichtung hat schlagzeilenträchtige News angekündigt. Diese Person veröffentlichte zugleich ein inhaltlich dünnes Papier, das Parallelen zwischen der gigantischen Sportförderung Katars und der angeblichen Unterstützung des Terrorismus zieht. Indizien – mehr nicht.

Können Russland und Katar die WM verlieren?

Russland und Katar bleiben WM-Gastgeber. Zu Russland liegt im Report nur wenig vor. Zu Katar etwas mehr. Details sind Strafverfolgern in der Schweiz und den USA seit langem bekannt. In Sachen Katar allerdings könnte sich durch die schwere Krise am Golf eine neue Dynamik entwickeln – weshalb auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser Bericht von interessierten Kreisen in Saudi-Arabien lanciert wurde.

Könnte die Veröffentlichung zu weiteren Festnahmen führen?

Nein. Wohl aber dürfte sich eine neue Dynamik bei journalistischen Recherchen entwickeln, die Strafermittlungen befruchten könnten.