Hamburg. Das Team des FC St. Pauli richtet zum Saisonabschluss an diesem Wochenende die deutschen Siebener-Meisterschaften aus.

Der Moment der Begrüßung bringt Erkenntnis. Wenn die Rugbyfrauen des FC St. Pauli an diesem Wochenende (Vorrunde Sa, 13.30 Uhr und So, 9 Uhr; Platzierungsspiele So, 12 Uhr) als Ausrichter der deutschen Siebener-Meisterschaften so viel Entschlossenheit in ihr Spiel legen wie ihre Kapitänin in den Händedruck, dann werden sie ihr Ziel erreichen. Das indes ist bescheiden und lautet, besser abzuschneiden als im vergangenen Jahr. Da war man Zwölfter von zwölf Teams, schlechter kann es also kaum werden. Und so haben sich die Braun-Weißen noch etwas anderes vorgenommen. „Wir wollen so gut spielen wie möglich, um nach dem Turnier sagen zu können, dass wir alles gegeben haben, was drin war“, sagt Anna Breitenfeld.

Seit zehn Jahren Rugby

Die Spielführerin, studierte Sporttherapeutin in Elternzeit, spielt seit zehn Jahren Rugby und ist ein gutes Anschauungsobjekt dafür, was die seit vergangenem Jahr wieder olympische Variante des Sports vom im Liga- und internationalem Turnierbetrieb üblichen Rugby Union mit 15 Spielern pro Team unterscheidet. Die 32-Jährige ist eine der schnellsten und athletischsten Spielerinnen in der Mannschaft, und genau diese Fähigkeiten sind gefragt. Da die Platzgröße beim Siebener identisch mit der im 15er ist, haben die einzelnen Spieler viel mehr Raum für Laufspiel. Zudem sorgt die auf zweimal sieben statt zweimal 40 Minuten verkürzte Spielzeit für ein komprimierteres Spielgeschehen. „Man läuft viel mehr und ist mehr im Ballbesitz. Mir kommt das entgegen“, sagt Anna Breitenfeld.

"Ich bin zu dick"

Neben ihr steht Sabine Schubert und lässt den Blick an sich hinabgleiten, wo das braun-weiße Jersey über dem Bauch etwas spannt. Die 36-Jährige lacht und sagt: „Deshalb bin ich für Siebener nicht geeignet, ich bin zu dick und nicht schnell genug!“ Es ist diese uneitle, offene Ansprache, die den wohl härtesten Teamsport der Welt gleichzeitig zum ehrlichsten macht. Und Schuberts Aussage verdeutlicht zudem, warum Rugby als besonders integrativ gilt: Weil im 15er jeder seine Position findet. Immerhin war die Finanzierungsspezialistin, die für eine französische Bank arbeitet, acht Jahre Nationalspielerin. Am Wochenende leitet sie die Organisation – und hilft als Teammanagerin.

"Die Kader vereinen"

Um Teamwork und das Gemeinschaftserlebnis – darum geht es den Frauen in Hamburgs größtem Rugbyclub (rund 660 Mitglieder). Nachwuchssorgen gibt es nicht, das Olympia-Comeback in Rio hat für deutlich erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt. Siebener- und 15er-Kader trainieren bei St. Pauli stets gemeinsam, auch weil die zwölf für das Siebenerteam gemeldeten Spielerinnen allesamt in der gerade abgelaufenen 15er-Bundesligasaison im Einsatz waren und diese auf Rang vier abschlossen. „Auch die großen Verbände tendieren immer mehr dahin, die Kader zu vereinen“, sagt Heidi Hoffmann (29). Die Politikwissenschaftlerin, die an der Leuphana-Uni in Lüneburg doziert, ist Kapitänin von St. Paulis 15er-Mannschaft und zugleich Vorstand der Frauensparte im deutschen Verband.

Gästeteams übernachten in Zelten oder privat

Die Ausrichtung der DM-Endrunde, für die man sich in fünf regionalen Gruppen bei sechs Turnieren qualifizieren musste, begleitet sie ebenfalls in der gut 20 Personen starken Organisationsleitung. Natürlich ist ein solches Turnier, zu dem Germania List Hannover, RK 03 Berlin, RC Leipzig, StuSta München, München RFC, RC Mainz, Eintracht Frankfurt, Heidelberger RK, Stuttgarter RC, Titelverteidiger ASV Köln und der frisch gekürte 15er-Meister SC Neuenheim anreisen, ein Kraftakt für die Rugbysparte, die über keinerlei Großsponsoren verfügt. So müssen fünf der Gästeteams, die sich Hotelkosten nicht leisten können, in Zelten am Spielort Saarlandstraße oder privat untergebracht werden.

„Aber es ist eine Ehre für unseren Verein, dass wir erstmals seit 2010 wieder ein so großes Turnier ausrichten dürfen. Wir wollen einen perfekten Saisonabschluss daraus machen“, sagt Sabine Schubert. Perfekt wäre er, wenn alle gesund und zufrieden nach Hause fahren würden – und St. Pauli mindestens Platz elf erreicht.