Erfurt. Arthur Abraham hat die drohende Box-Rente verschoben und sich gegen Krasniqi durchgesetzt. Groteske Wertung des Punktrichters.

Als er in die mit 6000 Zuschauern ausverkaufte Halle einmarschierte zu den Klängen von Europes „Final Countdown“, da waren sie auf einmal sehr präsent, diese Gedanken. Dass es der letzte Kampf sein könnte von Arthur Abraham, einem der wenigen Stars, die dem deutschen Boxen noch geblieben sind. Doch als der 37-Jährige eineinhalb Stunden später in der Messe Erfurt vor die Presse trat, da tat er dies als Kämpfer, dessen letzte Mission noch nicht erfüllt ist, sondern noch geschlagen werden muss.

Dank eines einstimmigen Punktsieges (118:110, 117:111, 115:114), der angesichts der grotesken Wertung des italienischen Punktrichters Matteo Montella knapper ausfiel, als er gewesen war, hatte sich der gebürtige Armenier gegen Robin Krasniqi vom ausrichtenden Magdeburger SES-Stall durchgesetzt und das Recht erkämpft, im nächsten Kampf gegen den amtierenden WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht anzutreten. Da der Mexikaner Gilberto Ramirez (25), der Abraham den Titel im April 2016 in Las Vegas entrissen hatte, sich in der Nacht zu Sonntag im kalifornischen Carson ebenso einstimmig (dreimal 120:106) gegen den Ukrainer Max Bursak durchsetzte, bekommt Abraham tatsächlich die Revanche, nach der er seit der bitteren Schmach, bei der er keine einzige Runde gewann, trachtet. „Das Rematch mit Ramirez ist mein Ziel, ich will diese peinliche Niederlage vergessen machen“, sagte er.

Der Kampf zwischen Abraham und Krasniqi in der Messe in Erfurt
Der Kampf zwischen Abraham und Krasniqi in der Messe in Erfurt © dpa | Martin Schutt

Es wäre vermessen und überheblich, den Sieg gegen Krasniqi als Muster ohne Wert zu bezeichnen. Doch dass sich der langjährige Champion gegen den Mexikaner wird steigern müssen, wenn er sein Ziel erreichen und zum vierten Mal einen WM-Titel erobern will, daran kann es keinen Zweifel geben. „Da muss er schon noch eine Schippe drauflegen“, sagte Cheftrainer Ulli Wegner in der ihm eigenen lapidaren Art. Abraham selbst gab zu, dass gegen den tapferen, aber zu biederen Krasniqi „70 Prozent meines Könnens gereicht haben, um deutlich zu gewinnen“.

Abraham übernahm im Kampf die Kontrolle

Vier Runden lang hatte der gebürtige Kosovare den Kampf offen gestalten können, dann übernahm der im Vergleich zu vorangegangenen Auftritten agiler und aggressiver agierende Abraham die Kontrolle und scheuchte seinen sieben Jahre jüngeren Rivalen Runde um Runde durch den Ring. Harte rechte Geraden schlugen so häufig an Krasniqis Kopf ein, dass man sich zu fragen begann, ob ein Kampfabbruch nicht die bessere Alternative gewesen wäre. Der Unterlegene, der der Pressekonferenz offiziell wegen Problemen beim Wasserlassen für die Dopingkontrolle fernblieb, räumte seine große Enttäuschung ein.

Trainer Magomed Schaburow bestätigte, „dass unsere Taktik, in der zweiten Kampfhälfte zuzuschlagen, nicht aufgegangen ist. Aber Robin wird nicht aufgeben.“ Das hatte er im Ring nachgewiesen. Dennoch blieb angesichts der dritten klaren Niederlage im dritten Duell mit einem Weltklassemann – zuvor hatte er nach Punkten gegen WBA-Halbschwergewichtschampion Nathan Cleverly (Wales) und vorzeitig gegen Sauerland-Altmeister Jürgen Brähmer verloren – die Frage nach einer sinn-vollen Perspektive unbeantwortet.

Schlägerei trübte die Stimmung im Saal

Getrübt wurde der sportlich gutklassige Abend, der auch angesichts der K.-o.-Siege von Schwergewichtler Tom Schwarz (22) und dem Halbschweren Adam Deines (26) Signale der Hoffnung für das deutsche Profiboxen sendete, einerseits von einer Saalschlägerei 15 Minuten nach Ende der Veranstaltung, in die neben 20 südeuropäischen Heißspornen der beim Hamburger EC-Stall unter Vertrag stehende Halbschwergewichtler Karo Murat verwickelt waren, der eine Platzwunde am Mund davontrug.

Andererseits war es Ulli Wegner, der trotz der ansprechenden Leistung seines Schützlings nicht uneingeschränkt in Feierlaune war. Dem Trainerfuchs, der an diesem Mittwoch seinen 75. Geburtstag feiert, war übel aufgestoßen, dass die Führungscrew des Sauerland-Stalls, die schon das Veranstaltungsrecht SES-Chef Ulf Steinforth überlassen hatte, ihr Erscheinen abgesagt und den zweiten Geschäftsführer Chris Meyer vorgeschickt hatte. „Das lasse ich mir nicht bieten“, wütete Wegner. Tatsächlich waren die Mitinhaber Kalle und Nisse Sauerland entschuldigt; Kalle wegen einer schweren Grippe, sein Bruder wegen einer Parallelveranstaltung in Skandinavien.

Vorm Fernseher hatte Kalle Sauerland bei einer Körpertemperatur von mehr als 40 Grad aber mitgefiebert – und er zeigte sich entsprechend zufrieden. „Arthur hat bewiesen, dass er körperlich deutlich zu stark für Robin war. Mit diesem Kampf hat er sich auf die Weltkarte zurückgeboxt“, sagte er. Geschäftsführer Meyer bestätigte, dass man nun mit dem Management von Weltmeister Ramirez in Verhandlungen eintreten werde. Der finale Countdown für Arthur Abraham, er ist also erst einmal aufgeschoben.