Hamburg. Vorm Saisonauftakt in der German Football League schwankt der Club zwischen Optimismus und Realismus.

„This is not Wonderland, and you are not Alice“, steht auf dem T-Shirt geschrieben, das über Milos Lisanins mächtigem Oberkörper spannt. Wer dem Defensive-Line-Neuzugang der Hamburg Huskies beim Training zuschaut und die gute Laune spürt, die der serbische Nationalspieler, mit 188 Zentimetern Körperlänge und 120 Kilogramm Kampfgewicht eine echte Kante, dabei versprüht, der kann seinen Humor hinter dem Spruch erahnen. Dennoch steckt in der Botschaft auch ein Stück der Wahrheit, mit der sich Verantwortliche und Fans des 1994 gegründeten Clubs in der Saison 2017 der German Football League (GFL) konfrontiert sehen werden, die an diesem Sonnabend (17 Uhr) mit einem Heimspiel gegen die Berlin Adler startet.

Im dritten Jahr nach dem Aufstieg in die höchste nationale Spielklasse dürfte die GFL für die Schlittenhunde beileibe kein Wunderland darstellen, durch das sie nach Belieben spazieren. Im Gegenteil: In der Nordgruppe der Bundesliga sollte der Klassenerhalt das erste Ziel für das neu formierte Team sein. Allein elf Spieler aus dem Kader der vergangenen Spielzeit, darunter die Receiver-Toptalente Kwame Ofori und Diego Sanchez, wechselten zum Nordrivalen Kiel Baltic Hurricanes. Zudem müssen die Hamburger mit einem Zehntel des 1,5-Millionen-Euro-Etats auskommen, den der seit 2013 die Liga dominierende Titelverteidiger New Yorker Lions Braunschweig zur Verfügung hat.

Seam Embree seit vergangenem Jahr Headcoach

Sich von derlei Fakten abschrecken zu lassen, davon hält Sean Embree gar nichts. „Wir werden unsere Ziele von Spiel zu Spiel definieren, aber wir wollen in die Play-offs“, sagt der 45 Jahre alte US-Amerikaner, der das im vergangenen Jahr vom aus zeitlichen Gründen zurückgetretenen Sportdirektor Patrick Esume ausgeübte Amt des Headcoaches übernommen hat. In der am 3. März aufgenommenen Vorbereitung habe man vor allem an der Geschwindigkeit gearbeitet, die dem Team gefehlt habe. „Technisch sind wir noch weit davon entfernt, wo wir sein wollen. Aber charakterlich ist das hier das beste Team, das ich je gecoacht habe“, sagt Embree, der vom serbischen Topclub Vukovi Belgrad kam, mit dem er zwischen 2011 und 2013 dreimal Meister und im vergangenen Jahr Vizechampion wurde.

Aus Belgrad folgte nicht nur Abwehrhüne Lisanin (29) seinem Coach. Auch Quarterback John Uribe will mit seinem Können – für Vukovi warf er in 15 Spielen überragende 59 Touchdown­pässe – nun in der GFL glänzen. Der 26 Jahre alte US-Boy war erst im März verpflichtet worden, nachdem der ursprünglich vorgesehene Spiellenker Garrett Safron seine Zusage zurückgezogen hatte. Embree, in Personalunion auch Offensive Coordinator, hält das für einen Glücksfall: „Ich halte John für den besten Quarterback der Liga, er wird das Niveau deutlich anheben.“

Embree verspricht, das Team werde hart arbeiten

Nachdem Uribes neue Mitspieler anfänglich große Probleme hatten, sich auf dessen Passgenauigkeit- und härte einzustellen, habe das Team in den vergangenen Wochen sehr intensive Fortschritte gemacht. „Wir haben uns aneinander gewöhnt, die Jungs lassen jetzt kaum noch Bälle fallen“, sagt Uribe, der das positive Denken seines Trainers verinnerlicht hat. „Wir spielen, um Meister zu werden!“, sagt er. Embree immerhin verspricht, „dass die Fans ein anderes Team als 2016 sehen werden. Wir werden hart arbeiten und uns von Woche zu Woche verbessern!“

Das dürfte auch nötig sein, um die Bilanz des vergangenen Jahres, als man mit vier Siegen aus 14 Spielen Sechster wurde, zu übertreffen. Im einzigen Testspiel mühte man sich vor zwei Wochen zu einem 19:16-Sieg gegen Zweitligaaufsteiger Rostock Griffins. Martin Sieg, der Vorsitzende des Clubs, mahnt deshalb auch Realismus an. „Wir stehen vor einem kompletten Neuanfang. Uns fehlt die Kadertiefe, wir haben nur 53 Spieler, obwohl man 70 braucht, um gut durch eine Saison zu kommen“, sagt er. Hoffnung machen der eigene Nachwuchs, aus dem acht Spieler in den Kader hochgezogen wurden, und die Fans. 1100 kamen 2016 im Schnitt ins Stadion am Hammer Park (2500 Plätze). Im Sommer muss zwar das Trainingsgelände beim Marienthaler THC verlassen werden. Auf einem (noch gesuchten) neuen Areal sollen jedoch Strukturen geschaffen werden, die helfen, das Wunderland einen Schritt näherzubringen.