Baku. Der Nationalspieler über seinen Wechsel von Wolfsburg nach Paris und das morgige Länderspiel in Aserbaidschan.

Julian Draxler(23) ist derzeit ein begehrter Gesprächspartner. Seit seinem Wechsel im Januar vom VfL Wolfsburg, wo er nicht heimisch wurde, zum französischen Meister Paris Saint-Germain startet der Nationalspieler neu durch. In 13 Partien traf er sechsmal. Seine Form soll nun auch der Nationalelf zugutekommen. Vor dem WM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan am Sonntag (18 Uhr/RTL) äußert er sich im Interview. Zum Termin im Mannschaftshotel erscheint er in Jogginganzug und Badelatschen – und mit einem Lächeln.

Herr Draxler, ist das das Lächeln, das Sie verloren hatten?

Julian Draxler: Mein Lächeln habe ich nie verloren. Auch wenn es manchmal Phasen gibt, in denen es weniger Grund zum Lächeln gibt. Doch ich bin ein grundpositiver Mensch, der sehr gerne und viel lacht. Menschen, die mir nahestehen, die mich lange kennen, meine Familie, meine Freunde und auch hier die Leute bei der Nationalmannschaft, wissen, wie viel Spaß es mir macht, Fußball zu spielen, auch und gerade in der Nationalmannschaft.

Was ist in Paris mit Ihnen passiert? Sie wirken befreit.

Draxler: Das kann man so sagen. Ich bin in Paris mit offenen Armen empfangen worden, habe schnell zur Mannschaft gefunden und das Vertrauen zu mir selbst schnell wiedergefunden. Ich habe wieder Spaß am Fußball und genieße den Augenblick.

Weil Sie wissen, dass es auch schnell in die andere Richtung gehen kann?

Draxler: Ich bin seit 2011 Profi, in der Zeit habe ich schon viel erlebt. Das Fußball-Geschäft verläuft wie im Zeitraffer. Bei mir ging alles besonders schnell: Bundesliga mit 17, Nationalspieler, die erste Verletzung, schwerere Phasen. Es gibt Höhen und Tiefen, und die wechseln sich so schnell ab, dass es einem vorkommt, als würde die Zeit wie im Flug vergehen. Im Moment bin ich in einer guten Phase und überzeugt, dass es so weitergeht. Wir spielen gut, ich spiele gut, so kann es weitergehen.

In Wolfsburg ging es für Sie nicht weiter ...

Draxler: Das ist für mich jetzt alles kein Thema mehr, für mich zählt einzig und allein die aktuelle Situation und das, was vor mir liegt. In diesen Tagen genieße ich es sehr, wieder hier bei der deutschen Nationalmannschaft zu sein.

Bundestrainer Joachim Löw nimmt Sie in die Pflicht als einen jener Spielergeneration, die in Zukunft mit Leistung vorangehen müssen in der Nationalmannschaft. Zu viel Druck?

Draxler: Ich bin jetzt seit 2012 im Kreis der Nationalmannschaft dabei, 2016 war mein erstes richtiges Turnier mit mehreren Einsätzen. Ich kann nicht von heute auf morgen ein Führungsspieler bei der Nationalmannschaft sein, dazu braucht es sehr viele gute Leistungen und auch Reife. Aber klar ist, dass ich selbst den Anspruch haben muss, von meinen Fähigkeiten her gut in diese Mannschaft zu passen und im Spiel Entscheidungen herbeizuführen. Diesem Anspruch will ich gerecht werden. In jeder Trainingseinheit, in jedem Spiel.

Inwiefern ähneln sich das Spiel der Nationalmannschaft und das in Paris?

Draxler: Das war einer der Hauptgründe, warum ich unbedingt nach Paris wollte. Ich hatte das Gefühl, dass ich von meinen fußballerischen Fähigkeiten her gut in diese Mannschaft hineinpasse, weil sie – ähnlich wie die Nationalelf – technisch anspruchsvoll und unheimlich viel auf Ballbesitz spielt. Ein anderer wichtiger Grund, nach Paris zu gehen, waren Spieler wie Angel di Maria oder Edinson Cavani, von denen ich mir viel abschauen kann. Ich bin mit meinen 23 Jahren ja noch längst nicht am Ende der Entwicklung.

Die Meisterschaft ist noch drin, in der Champions League sind Sie nach einem 4:0 im Hinspiel, zu dem Sie einen Treffer beisteuerten, und einem 1:6 im Rückspiel gegen Barcelona ausgeschieden. Wie waren diese Abende?

Draxler: Das war Himmel und Hölle in kürzester Zeit. Im Hinspiel habe ich das vielleicht beste Spiel meiner Karriere gemacht. Und dann fahren wir mit viel Selbstvertrauen nach Barcelona und kriegen da sechs Stück, drei davon in den letzten Minuten. Ich fühlte mich wie im falschen Film. In der Nacht bekam ich kaum ein Auge zu, weil man sich immer fragt: Was ist hier eigentlich gerade passiert? Jeder, der weiß, wie gern ich in diesem Wettbewerb spiele, ahnt, wie bitter das war. Das wäre ein Riesending gewesen für den Verein, für die Mannschaft, die Stadt und für mich. Deswegen tut das auch immer noch weh.

Inwieweit spielten vor dem Wechsel Ihre Erlebnisse vom Länderspiel in Paris im November 2015 eine Rolle, das von einem Terrorakt überschattet wurde?

Draxler: Ich habe alle Facetten des Wechsels abgewogen, auch diese. Das gesamte Drumherum ist wichtig, um sich wohlzufühlen. Paris war mehrfach von Terror betroffen, aber ich bin seit drei Monaten da und habe nicht das Gefühl, dass jederzeit etwas passieren könnte. Leider Gottes gibt es nirgendwo auf der Welt hundertprozentige Sicherheit, das ist vielleicht auch der Preis unserer Freiheit. Daher sollte man sich von solchen Geschehnissen auch nicht in seiner Lebensweise einschüchtern lassen und nicht davor weglaufen. Kurzum: Ich fühle mich in Paris sehr, sehr wohl.

Weil es nicht so eng ist wie Wolfsburg?

Draxler: Paris ist einmalig. Die kann man mit kaum einer anderen Stadt vergleichen, egal welcher. Aber ich bin in Gelsenkirchen und Umgebung aufgewachsen, ich bin alles andere als ein Großstadtkind. Ich brauche keine Weltstadt, um mich wohlzufühlen und vernünftig Fußball zu spielen.