Dortmund. Nach Bekanntwerden seiner Stoffwechselerkrankung erscheint der sportliche Niedergang Mario Götzes in einem völlig neuem Licht.

Mario Götze kämpft nicht mehr um seinen angekratzten sportlichen Ruf, sondern um seine Gesundheit - und eine schnelle Genesung ist nicht zu erwarten. "Das wird keine kurzzeitige Angelegenheit", sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke dem SID am Dienstag. Der Weltmeister, er wird Zeit brauchen, um mit seiner Stoffwechselstörung fertig zu werden. Womöglich viel Zeit.

Götzes Erkrankung rückt alle - berechtigte - sportliche Kritik der vergangenen Monate in ein neues Licht. Weil da aber nicht ein x-beliebiger Mann leidet, sondern Mario Götze, der stets Umstrittene, der ewige WM-Held, ist es mit der Mitteilung des BVB vom Montag nicht getan. Es schlägt die Stunde der Ferndiagnosen und Spekulationen.

BVB verbittet sich Fernanalysen

In einer ersten Welle versuchten sich der Leiter des Adipositas-Zentrums NRW und ein Diplom-Sportwissenschaftler daran, die vom BVB nicht exakt benannte Krankheit einzuordnen. Mit naturgemäß wenig Erkenntnisgewinn, da das Spektrum der Möglichkeiten enorm breit ist. Die Borussia verbittet sich Fern-Analysen eindringlich: "Wir wünschen uns im Wissen um das besondere Interesse an Mario Götze, dass die Privatsphäre dieses jungen Menschen respektiert und geachtet wird", sagte Pressesprecher Sascha Fligge dem SID.

Es wird möglicherweise beim Wunsch bleiben, da eine Einordnung ohne exakte Diagnose sehr schwierig ist. Erklärt die Erkrankung die unbefriedigenden Leistungen teilweise? In Gänze? Hat Mario Götze gar Sensationelles geleistet angesichts der unbekannten Schwächung? Diese Fragen bleiben offen.

Mario Götzes Krankenakte

4. bis 22. März 2010

Muskelfaserriss (Ausfallzeit: 18 Tage/verpasste Spiele: 2 Borussia Dortmund U19)

19. Januar bis 5. April 2012

Schambeinentzündung (77/13 für BVB)

26. Juli bis 9. August 2012

Augenverletzung (14/-)

23. Mai bis 12. August 2013

Muskelbündelriss (Ausfallzeit: 81/8 BVB und Bayern München)

2. bis 26. September 2013

Kapselriss (24/6 Bayern)

8. Oktober bis 1. Dezember 2015

Muskelfaserriss im Adduktorenbereich (116/17 Bayern)

1. bis 15. Februar 2016

Trainingsrückstand (14/3 Bayern)

16. bis 26. Mai 2016

Rippenbruch (10/1 Bayern)

18. bis 29. August 2016

Muskelverhärtung (11/2 BVB)

5. bis 12. Dezember 2016

Knieprobleme (7/2 BVB)

6. bis 13. Februar 2017

Adduktorenbeschwerden (7/2 BVB)

13. bis 26. Februar 2017

muskuläre Beschwerden (13/3 BVB)

27. Februar 2017 bis auf Weiteres

Stoffwechselstörung

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Matthäus rudert in Kritik zurück

Zu beobachten ist, dass viele Kritiker verständlicherweise mit flauem Gefühl auf ihre Aussagen der vergangenen Wochen schauen. Lothar Matthäus zum Beispiel hatte Götze nahegelegt, doch gleich nach China zu wechseln, sollte es beim BVB nicht klappen. Nun ließ er verlauten: "Das Gute ist, dass man jetzt die Ursache kennt und sie behandeln kann. Vor diesem Hintergrund muss man seine Leistung natürlich anders bewerten als ohne dieses Wissen."

Doch kann man Matthäus diese Kritik zum Vorwurf machen? Er hat schließlich, wie alle im Geschäft, von der Krankheit nichts gewusst.

Zorc ist froh über Klarheit

Mario Götzes Leidensgeschichte jedenfalls nimmt vorerst kein Ende. Er schien schwer am Stein des "WM-Helden von 2014" zu tragen, er kam bei Bayern München nicht zurecht und klagte nach seiner turbulenten Rückkehr zum BVB ständig über Muskelverletzungen. Diese sollen Michael Zorc zufolge mit der Diagnose erklärt sein: "Wir sind froh, dass wir nun die Gründe für Marios Beschwerden kennen", sagte der Sportdirektor des BVB.

Für die Führungsriege der Dortmunder dürfte die Diagnose ebenfalls eine gewisse Erleichterung sein. Die Fragen nach den Leistungen des 25 Millionen Euro teuren Götze waren drängender und drängender geworden. Mehrfach sah sich Watzke gezwungen, seinem Spieler beizustehen. "Einige werden noch Abbitte leisten müssen", sagte er kürzlich - auch noch im Unwissen über die Krankheit.

Götze äußert sich nur knapp

In einer Mannschaft der leichtfüßigen Supertechniker wie Pierre-Emerick Aubameyang, Ousmane Dembélé oder Marco Reus hatte der einst mit Lionel Messi verglichene Götze oft schwerfällig und blass ausgesehen. Der 24-Jährige absolvierte nur elf von 22 Bundesligaspielen, vier davon über die komplette Spielzeit. Zuletzt spielte er vor Weihnachten ein Bundesliga-Spiel durch.

Von Götze selbst gibt es weiterhin nur den einen Satz: "Ich befinde mich gerade in Behandlung und setze alles daran, so schnell wie möglich wieder ins Training einsteigen und meiner Mannschaft dabei helfen zu können, unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen."