Dortmund/Leipzig. Das Duell am Sonnabend wird die erste Partie für RB nach den Fan-Attacken von Dortmund. Was hinter dem Feindbild steckt.

Die Premiere war kein Erfolg. In jeglicher Hinsicht. Rasenballsport Leipzig trat damals im Jahre 2009 bei der zweiten Mannschaft von Carl Zeiss Jena an. Fünfte Liga, ein Nebenplatz, 800 Zuschauer. Viele von denen standen zu nah dran am Geschehen, als dass sich noch hätte verhindern lassen, was passierte. Leipzigs Spieler wurden bespuckt, zum Teil tätlich angegriffen. Sie flüchteten nach dem Schlusspfiff ungeduscht in den Mannschaftsbus.

Zwischen dem ersten und dem jüngsten Eintrag in der Vereinshistorie liegen nun fast acht Jahre. In Dortmund, beim Bundesligaspiel des BVB gegen Leipzig, waren Fans übel attackiert, Vereinsverantwortliche beleidigt und Spieler beschimpft worden. „Das war eine Schande für den Fußball. Wer Steine und Flaschen auf Frauen und Kinder wirft, hat den Knall nicht gehört“, kommentierte NRW-Innenminister Ralf Jäger.

Fußball als Vehikel für die Marke RB

Das Trikot mit dem Bullen genügt offenbar, um Feindbild zu sein. Aber warum? Woher kommt der Hass so vieler Menschen? Der wohl wichtigste Grund trägt gern Hemd und Dreitagebart: Dietrich Mateschitz, 72 Jahre alt, Österreicher, nicht irgendeiner, sondern der reichste. Auf mehr als zehn Milliarden Euro wird sein Vermögen geschätzt.

Das hat er mit einem süßen Energydrink erwirtschaftet, der angeblich Flügel verleiht: Red Bull. Zielgruppe: junge, dynamische Vielleister. Das Unternehmen engagierte sich lange nur in Ex­tremsportarten. Bis Mateschitz den Fußball als Vehikel für seine Weltmarke entdeckte. 2009 kaufte er dem SSV Markranstädt, einem kleinen Club aus Sachsen, das Startrecht für die Oberliga ab. Der sportliche Siegeszug begann.

Fanforscher Pilz:"„Eine neue Stufe der Hasskultur“

Mit den Mateschitz-Millionen und der Expertise von Sportdirektor Ralf Rangnick stürmte der Verein bis in die Bundesliga, thront nun an Position zwei der Tabelle. Und die Kritiker zetern: Ein Club ohne Vergangenheit, ein Club ohne Tradition, der zuallererst ein Marketinginstrument ist. Pfui, sagen die militanten Traditionalisten, weil sie fürchten oder schon wissen, dass ihr schöner, wunderbarer Fußball dem Kommerz zum Opfer fallen wird. Für sie ist RB Leipzig die Verdichtung all ihrer Sorgen, all ihrer Abneigungen. Aus dem Nichts erschaffen, hochgerüstet mit Geld, das nie im Fußball erwirtschaftet wurde.

Das Fußball-Mutterland als großes Vorbild

England taugt ihnen als warnendes Beispiel. Im Mutterland des Fußballs regieren mittlerweile die Investoren: Scheichs, Oligarchen, Unternehmer. Für die Romantik des Spiels haben sie nichts übrig, aber für Rendite zumeist schon. Die Tickets sind unbezahlbar teuer.

Anderes Land, andere Zustände: Beim Heimspiel von Benfica Lissabon mussten zuletzt die Spieler über einen roten Teppich und an einem Check-in-Schalter vorbei in die Kabine gehen. Der Sponsor, eine Airline, fand das gut. Es ist jener kommerzielle Irrsinn, den die Ul­tras, also Mitglieder aus der aktiven Fanszene, so sehr verachten, ja hassen.

In Leipzig geschieht Ähnliches. Zwar darf in Deutschland ein Profifußballclub nicht von einem Geldgeber gesteuert oder nach ihm benannt werden. Aber der Verein höhlt die Regeln, die die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an Bundesligisten stellt, aus. Das etwas dümmliche „RasenBallsport“ bietet als Kürzel die Verbindung zu Red Bull. 17 Mitglieder hat der Club. Durch die überschaubare Anzahl und die Nähe der Mitglieder zum Unternehmen bleibt sichergestellt, dass auch die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen im Sinne von Red Bull. Entscheidungen im Sinne des Herrn Mateschitz.

Watzke als geistiger Brandstifter?

„Da wird Fußball gespielt, um eine Getränkedose zu performen“, sagte Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer des Vereins, dessen Anhänger gerade die Leipziger so übel attackierten. Die Kritik am Konstrukt RB Leipzig hat er mehrfach vorgetragen und die Borussia als Gegenentwurf positioniert. Das beschert ihm nun Gegenwind. Kern des Vorwurfs: Er sei geistiger Brandstifter. Es ist eine etwas polemische Debatte, weil der BVB-Boss auch immer wieder die Arbeit der handelnden Personen lobte und seine Freude darüber ausdrückte, dass der Standort Leipzig wieder Bundesliga-Fußball erlebe.

Sensibilität in Sachen Formulierung und Frequenz scheint aber spätestens nach den jüngsten Geschehnissen angebracht. Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, sprach bei seiner Inthronisierung im November in Bezug auf RB Leipzig von einem neuen „Feind“. Einen Tag später zog er die Formulierung zurück. Dennoch zeigt das Beispiel, dass es noch ein weiter Weg ist für RB Leipzig zu flächendeckender Akzeptanz.

HSV-Fanbetreuung vor Gastspiel entspannt

Am kommenden Sonnabend, wenn der HSV zu Gast sein wird, hat die Leipziger Polizei ein konsequentes Vorgehen gegen alle Störer angekündigt. „Sicher werden viele HSV-Fans ihr Missfallen am besagten Modell auch im Stadion ausdrücken“, glaubt Joachim Ranau, der Leiter der Fanbetreuung beim HSV. „Wir gehen aber nicht davon aus, dass es zu derart gewalttätigen Vorfällen wie in Dortmund kommen wird.“

HSV-Fanbetreuer Joachim Ranau (r.), hier 2013 mit dem damaligen Profi Tolgay Arslan bei einer Anti-Rassismus-Kampagne
HSV-Fanbetreuer Joachim Ranau (r.), hier 2013 mit dem damaligen Profi Tolgay Arslan bei einer Anti-Rassismus-Kampagne © Witters

Was Ranau aus den Vorkommnissen in Dortmund mitnimmt? „Dass wir alle, die am Fußballgeschehen beteiligt sind, immer wieder deutlich machen müssen, dass Kritik und Protest, egal gegen wen, seinen Platz haben darf, aber nur dann, wenn dieser gewaltfrei ist und Personen nicht beleidigt, verleumdet oder bedroht werden.“