Hamburg. Hamburgs Tennisclubs haben offenbar Berührungsängste mit geflüchteten Menschen. Betriebssportverband will diese abbauen.

Madinas Lieblingsschlag ist die Vorhand. Die Neunjährige malt mit ihrer kleinen rechten Hand die Ausholbewegung in die Luft. Es ist dieselbe Hand, mit der das geflüchtete Mädchen zuvor eine Pistole geformt hat, als sie vom Schrecken aus ihrem Heimatland Afghanistan erzählt: „Nachts wenn wir schliefen, kamen die Männer.“ Die kleine Hand macht nun Schussgeräusche.

Madina lebt seit etwa einem Jahr in der Erstaufnahmestelle Wendenstraße in der City Süd, in einer Sporthalle der Berufsschule, in der keiner mehr Sport treibt. Aber Madina spielt nun Tennis.

Sie und ihre sechs Spielpartner singen textsicher „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, als sie von ihrer Unterkunft die 300 Meter zur Tennishalle des Betriebssportverbandes (BSV) spazieren. Der Verband bietet mittwochs Hamburgs einziges Tennistraining für geflüchtete Kinder an. Die Clubs der Stadt haben offenbar Berührungsängste, ihre Anlagen für die Geflüchteten zu öffnen.

Unternehmer bauen Training auf

„Ich fände es schade, wenn die Kinder durch Vorurteile der Hamburger Gesellschaft nicht die Chance bekommen, in den elitären Zirkeln des Reitens oder des Tennis ihre Talente zu entdecken“, sagt Gül Matic. Sie ist die Sozialkoordinatorin für die Erstaufnahmestelle Wendenstraße, deren Träger die Johanniter sind. Ihr fällt ein, dass doch gleich unweit der Flüchtlingsunterkunft Sophienterrassen in Harvestehude der Club an der Alster gelegen ist. Und Gül Matic sagt: „Fast jedes Kind männlicher Natur will sowieso Fußballstar werden. Die Vereine brauchen also keine Angst haben; es gibt gar nicht so viele tennisinteressierte Flüchtlinge.“

Kommentar: Tennisclubs, traut euch was

Beim Betriebssportverband in Hammerbrook trainieren die Kinder manchmal auf dem Nebenplatz der Eliteschüler der Phorms Privatschule. Deren Standort liegt am anderen Ende der Wendenstraße. Irgendwann einmal das Trenn-Netz wegzunehmen und diese verschiedenen Welten miteinander spielen zu lassen, das wäre eine nächste Idee für die Projektinitiatoren, BSV-Präsident Bernd Meyer und den Trainer Rüdiger Jablonski (beide 68). Ihr Training für Sechs- bis 14-Jährige, das jetzt im Januar sein einjähriges Bestehen feiert, hatten sie mit einem Spendenaufruf gestartet. Die Unternehmen aus der Interessengemeinschaft City Süd leisteten Nachbarschaftshilfe. Außerdem wurde ein Flohmarkt organisiert. So kamen ingesamt 700 Euro zusammen. Für kleine Hallenschuhe und Tennissocken.

Stich zeigt sich gesprächsbereit

„Es geht um eineinhalb Stunden Unbeschwertheit“, sagt Coach Jablonski. „Aber da waren auch Talente dabei.“ Aktuell ist der afghanische Linkshänder Farzad (12) der Beste. Jablonski und Sozialkoordinatorin Matic erinnern sich noch gut an die syrischen Schwestern Ania (8) und Sonia (10), die „super“ gespielt hätten. „Und dann waren sie von einem Tag auf den anderen weg“, sagt Jablonski. Er würde seine talentierten Schützlinge gerne mit den Adressen ihrer Folgeunterkünfte an die Clubs in den jeweiligen Stadtteilen vermitteln.

Für die Finanzierung des weiterführenden Vereinstrainings würde BSV-Präsident Meyer gern die Aktion „Tennis for free“ von Michael Stich und der Alexander-Otto-Stiftung mit ins Boot holen, die Kindern einjährige Tennisclub-Mitgliedschaften inklusive Training schenkt. Michael Stich kannte das Flüchtlingsprojekt bisher nicht. „Aber wir können uns gern mal an einen Tisch setzen“, sagte er dem Abendblatt. „Das würde ja genau in unser Konzept passen. Ich bin mir sicher, dass wir dafür Vereine finden.“