Hamburg. Der einstige Erfolgstrainer von Sandra Völker und seinem Sohn Stefan steht auch mit 90 Jahren noch mehrmals die Woche am Beckenrand.

Die Berliner und der alkoholfreie Sekt, die Gerhard Pfeiffer am Montag vergangener Woche mit in die Schwimmhalle am Dulsbergbad gebracht hat, hätten mit seinem Geburtstag nichts zu tun. „Das ist bei mir so Tradition vor Weihnachten“, sagt Pfeiffer. Seine Schülerinnen und Schüler dürfen dann immer ein bisschen früher aus dem Wasser steigen als üblich, und dann wird ein bisschen gefeiert.

Den Geburtstag hat er schon am Tag vorher begangen – auch wenn das gar nicht seine Idee war. Seine Schwimmgruppe hatte eine Überraschungsparty organisiert. Sohn Stefan (51), der frühere Staffelweltmeister, hatte ihn unter einem Vorwand hingefahren, und als Gerhard Pfeiffer ankam, waren da rund 150 Menschen, die ihm zum 90. Geburtstag gratulieren wollten.

Dreimal die Woche selbst im Wasser

Alle verbindet sie die Leidenschaft fürs Schwimmen. Und alle haben sie einmal bei Gerhard Pfeiffer an ihrer Technik gefeilt oder tun es immer noch. Dreimal in der Woche gibt Pfeiffer Training für die Startgemeinschaft Schwimmen Hamburg, gegen ein kleines Honorar. Und dreimal die Woche zieht er selbst seine Bahnen, jeweils 30 bis 45 Minuten, bis ihm kalt werde. „Ich wüsste nichts Besseres für den Körper, als im schwebenden Zustand die Muskeln zu bewegen, ohne die Gelenke zu belasten“, sagt Pfeiffer.

Wobei es in den letzten Jahren beschwerlicher geworden sei. Seit 1995 hat er ein künstliches Hüftgelenk – Folge des intensiven Schlittschuhlaufens, das er als junger Kerl neben dem Schwimmen jahrelang betrieben hat. Auch der Rücken macht nicht mehr so mit, seit Pfeiffer ihn sich bei der Pflege seiner 2005 gestorbenen Frau verhoben hat.

Auf das Gefühl für das Wasser kommt es an

Aber Gerhard Pfeiffer weiß immer noch, worauf es beim Schwimmen ankommt: auf das Gefühl für Wasser. Deshalb haben die Besten seinen Rat gesucht, als er noch als Technikspezialist zum Team des Olympiastützpunkts gehörte. Sandra Völker zum Beispiel, die es wie Pfeiffers Sohn zur olympischen Silbermedaille brachte, Peter Bermel oder der zweimalige Weltmeister Michael Klim aus Australien, der als Junge seine Grundlagen in Hamburg erlernte.

Gerhard Pfeiffer selbst war eine Karriere als Aktiver nicht vergönnt. Mit sechs Jahren fing er im Schwimmverein Stern von 1893 an, der später im HSV aufging. Wasser war ihm von klein auf vertraut, schon weil sein Vater im Hamburger Fährdienst gearbeitet hat, und das Bartholomäusbad war nur fünf Minuten von seinem Zuhause in Barmbek entfernt. 1943 dann wurde Pfeiffer ausgebombt, „da hörte mein Familienleben auf“. Später geriet er als Soldat in französische Kriegsgefangenschaft.

Er würde gern am Beckenrand sterben

Erst im Dienst bei der Polizei Hamburg sei er über deren Sportvereinigung wieder zum Schwimmen gekommen. Seit 1953 nun ist Gerhard Pfeiffer Trainer. Sein Programm variiert er nicht mehr groß. Los geht es mit 400 Meter Kraul, dann werden in Intervallen immer kürzere Strecken geschwommen. „Es können ja nicht immer alle zum Training kommen“, sagt Pfeiffer. Aber sie kommen teilweise seit Jahrzehnten.

Kai Holger Drews (52), promovierter Rechtsanwalt, ist seit 18 Jahren dabei. Einmal, ganz am Anfang, sei Pfeiffer bei einem Masterswettkampf in einer Staffel mitgeschwommen. „Er war nicht mehr der Schnellste, aber es war eine Augenweide, ihm zuzuschauen“, erzählt Drews. Bei der Geburtstagsfeier hielt er eine Rede auf Pfeiffer. Er sagte: „Sie halten uns zusammen, und Sie sind der Grund, warum man sich dreimal pro Woche in das viel zu kalte Wasser des Olympiastützpunkts stürzt. Es geht Ihnen um die Menschen. Und dann um die Schwimmer. Das merken wir.“

Gerhard Pfeiffer hat sich keine Grenze gesetzt, wann er aufhören will. Wenn er es sich aussuchen könnte, würde er gern am Beckenrand sterben. Es gebe da nur ein Problem: „Ich weiß nicht, wie ich meinen Schwimmern die Leiche ersparen kann.“